Hermann Schuh

Buchvorstellung: Spuren am Horizont: Kleine Geschichten vom Meer

 

  Die „Kleinen Geschichten vom Meer“ sind Seglergeschichten und handeln von Erlebnissen und Begegnungen mit Menschen, die beim Autor einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. Aber auch von erfüllten Jugendträumen und von Abenteuern auf den Weiten der Meere. Da sind unkonventionelle Themen mit interessanten Wendungen und sensiblen Aussagen.

Leseprobe:

Einleitung zum Buch: Der Traum, mit einem eigenen Segelschiff auf große Reisen zu gehen, reicht bis in meine Kindheit zurück. Ja, mit zwölf Jahren brach ich das erste Mal von Zuhause auf, mit einem Rucksack, der alles Notwendige enthielt, um an die Küste des Meeres zu gelangen, ein Floß mit Segeln zu bauen, in der Absicht, die weite Welt zu entdecken.
Der Inhalt des Rucksackes bestand aus verschiedenen Schnüren, einem Leintuch, Nägel, Streichhölzer, ein Heft für das Logbuch, ein halber Laib Brot, ein Stück Braunschweiger Wurst sowie Messer und Gabel. Und ich hatte vier Schilling.
Ich kam weit.
Zuerst fuhr ich mit dem Bus in östlicher Richtung aus der Stadt, um mich dann aber nach Süden zu wenden, mit dem Wissen, dort auf das Adriatische Meer zu stoßen. Ich ging auf Schleichwegen. Am liebsten auf Feldwegen, wo es Büsche gab. Am späten Nachmittag begann es zu regnen und ich verkroch mich in einen Wald.
Schnell baute ich mir eine kleine Hütte aus blättrigen Zweigen, gerade so groß, dass ich darin liegen konnte.
Es war kalt in meinem Leintuch. Ich blickte in die Finsternis des Waldes und lauschte in die tröpfelnde Stille.
Ich sehnte mich nach meinem warmen Bett. Dann dachte ich an die Zurückgebliebenen, aber nur kurz, denn ich glaubte, ein dumpfes, röhrendes Geräusch gehört zu haben. Irgendetwas war dort in der Tiefe des Waldes und verlangte meine ganze Aufmerksamkeit. Ich war sicher, es war ein Wolf oder ein Bär. Aber ich wusste ja, dass es zu jener Zeit längst keine Wölfe und Bären mehr gab, doch dies konnte meine Achtsamkeit nicht zerstreuen. Ganz im Gegenteil. Schließlich übermannte mich die Müdigkeit, trotz aller Gefahren und bitterer Kälte und Feuchtigkeit.
Am nächsten Morgen regnete es noch immer. Ich erwachte mit klappernden Zähnen aus einem kurzen, traumlosen Schlaf und kroch aus den triefenden Blätterhaufen. Um mich zu wärmen, tanzte ich einen wilden Indianertanz und schlug auf mich ein, den steif gefrorenen Körper ins Leben zurück zurufen. Dann ging ich wieder nach Hause.
Ein paar Jahre später, als ich das erste Mal in meinem Leben das Meer sah, war ich bereits mitten drauf. Als junger Bursche hatte ich auf einem Frachter der Hamburg America Line als Reiniger angeheuert. Das Ziel war die Westküste Nordamerikas.
Wir waren am späten Abend in Hamburg ausgelaufen und fuhren auf der Elbe in Richtung Nordsee. Bis in die späte Nacht stand ich an der Reling des Schiffes und wartete auf das Meer. Aber die Müdigkeit übermannte mich und ich legte mich in meine Koje.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, war meine erste Wahrnehmung ein eigenartiges, tiefes Summen, das von sehr weit herzukommen schien. Es wurde mir mit einem Schlag bewusst, dass ich mich auf einem Schiff befand. Mit einem Satz sprang ich aus der Koje und stürmte barfuß hinaus an Deck. Das Meer war grün und sehr bewegt. Die Gischt der Bugwelle strömte an mir vorbei. Ein dichtes Schneetreiben erfüllte die Luft. Es war mein neunzehnter Geburtstag.
Noch ein paar Jahre später an der Alten Donau bei Wien. Dort konnte man kleine Segeljollen mieten. Ich saß an einem schönen Sommersonntag am Ufer und sah zu, wie sich Leute verhielten, wenn sie mit einem Boot vom Steg ablegten, um dann in der leichten Brise vergnügt hin und her zu segeln. Nach einer Weile fasste ich den Mut, die Sache
selbst zu probieren.
Der Bootsvermieter fragte mich, ob ich denn auch segeln könne. Ich nickte mit dem Kopf und saß auch schon im Boot. Dann hörte ich noch, wie der Bootsvermieter rief, ich solle mich auf die andere Seite des Bootes setzen; aber es war zu spät. Ich fiel ins Wasser. Geistesgegenwärtig klammerte ich mich an der Großschot fest. Die Jolle nahm schnell Fahrt auf und zog mich hinterher.
Der Bootsvermieter brüllte hinter mir her, doch ich konnte es nicht vermeiden, dass mich das Boot immer weiter hinaus auf die Alte Donau zog. Erst nach einer Weile drehte die Jolle in den Wind und blieb, wie durch ein Wunder, stehen.
Ich kletterte zurück ins Boot. Der Bootsvermieter rief Kommandos, die ich zwar schon irgendwo gehört hatte, aber nicht verstehen konnte.
Und dann passierte etwas, das mein Leben verändern sollte. Irgendwie füllten sich die Segel mit Wind. Ein unbekanntes Gefühl der Freiheit weckte meine Sinne. Ich konnte den Kurs halten und brauste auf und davon. Nur eine Frage blieb offen. Wohin würde der Wind mich führen?
... inzwischen kenne ich den geheimsten Traum eines Seemanns. Es ist ein kleines Häuschen, irgendwo in einer sanften Landschaft, ein duftender Garten mit Tomaten, Bohnen und grünem Salat, der Blick auf einen Horizont, hinter dem er ohne Verlangen die Weite der See vermuten kann.

 

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Hermann Schuh - Spuren am Horizont: Kleine Geschichten vom Meer
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 2014-03-24. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).