Sven Später

Des Meisters Abschied

 
„Was bringen mir denn Wunderwesen,
wenn nichts in diesen düst'ren Hallen
mir noch reicht zum Wohlgefallen?
Von Träumen bin ich längst genesen.

Wenn nichts mehr bleibt im Weltgefüge,
was bringt mir all das Hexenwerk,
all die Zauber, wenn ich merk',
mein Leben war die große Lüge?

Kein Lehrling weilt an meiner Seite,
kein Weib war mir je wohlgesonnen,
hab nie ein Herz für mich gewonnen.
Nun lauf auch du und such das Weite.“

Ach, Meister, nein, so hört mich doch.
Auf meinen wunden Knien ich kroch,
nur um Euch allein zu dienen.

Ach, Meister, seht was Ihr geschaffen,
so viel mehr als all die Affen,
die vor Eurem Turm erschienen.“

„Was weißt du schon vom langen Leben?
Du hast die Jahre nicht verbracht
bei langen Studien, Nacht um Nacht.
Wie willst du mir denn Freude geben?

All das Wissen, das ich erwarb
ist nichts gegen die verlorene Jugend,
verdorrte Liebe, verblasste Tugend.
Meine Seele längst erstarb.

Nun geh und lass mich einsam leiden,
denn dich mag ich nichts weiter lehren,
kamst ja schon zu Zaubererehren.
Bist der Jüngste von uns beiden.

Nimm deinen Hut, den blauen Mantel,
geh hinaus, entdecke die Welt.
Tu, was immer dir gefällt,
Dies sei mit dir mein letzter Handel.“

Ach, Meister, nein, ich gehe nicht,
denn Ihr lehrtet den armen Wicht,
niemals gänzlich aufzugeben.

Ach, Meister, kommt mit mir hinaus,
verlasst das alte, kalte Haus.
Wir wollen nach dem Guten streben.“

„So hör doch, ich bin viel zu alt
und fürchte mich so sehr,
dort draußen sind die Köpfe leer,
dort find' ich keinen Halt.

Geh und finde deinen Weg,
du warst mein letzter Schüler,
die Luft hier scheint nun kühler.
Es drängt, dass ich mich niederleg'.

Verlasse mich, denn schwer wird mir.
Wenn du bleibst, wirst du wie ich:
einsam, faltig, weinerlich.
Geh hinaus und schließ die Tür.

Ich bin müde, möcht nun schlafen.
Nimm dir all mein Hab und Gut,
zeig mir deinen Wagemut.
Wander nie mit anderen Schafen.“

Ach, Meister, wie muss ich nun weinen.
Nun ist er fort, ist bei den Seinen.
Ich blieb allein zurück.

Ach, Meister, ich will artig sein,
will immerzu gedenken dein
und weiß nun um mein Glück.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 13.07.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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