Celine Rosenkind
Die Kirchgängerin
Pünktlich Sonntags um halb 10
sah ich sie zur Kirche gehn
eingehüllt in schwarz gekleidet züchtig
denn sie nahm die Kirche wichtig.
Mit großen Augen und einem Lächeln
kam sie oft auch an mir vorbei,
ich grüßte sie leise fast ehrerbietig
doch sie sah durch mich hindurch,
so, als ob ich nichts sei.
Manchmal kam ich mir klein vor
und fragte mich, hat sie unseren Gott lieber als ich?
In der Kirche dasaß sie in der Reihe ganz vorn,
dass ihr nicht ein Wort der Predigt ginge verlorn.
Ja, so erlebte ich sie an heiligen Tagen
glaubte fest sie würde viel Liebe in sich tragen
doch eines Tages da wurde mir klar, dass alles nur Maskerade war.
Es war im Sommer, im Schlussverkauf
ich ging durch ein Kaufhaus, sah die Menschen im Rausch
mit Gier in den Augen auf Schnäppchenjagd
die wohl keiner verpassen mag.
Auch ich stand am Wühltisch und fand dort ein Stück
doch plötzlich zog jemand dran, riss es wieder zurück
erstaunt sah ich auf wollte höflich was sagen
doch da traf mich ein Blick bitterböse, kaum zu ertragen
aus jenen Augen die beim Kirchgang so warm
sie riss weiter und ich zog zurück meinen Arm.
blieb sprachlos nur stehn um sie anzuschauen, sie zu verstehen und um dann wortlos ihr den Rücken zu drehen.
Seid jenem Tag da hab ich begriffen, dass fromm aussehende Menschen nicht gut sein müssen.
Im Alltag zu strahlen und gütig zu sein
ist mehr wert als nur Sonntags ein Christ zu sein!
[c] Celine Rosenkind
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 25.05.2003.
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