Sven Später

Der Bart ohne Prophet

 Ein frommer junger Narr,
der Geist nicht reif und starr,
wollte Weisheit wohl erlangen,
von der die Mönche sangen.

So bereiste er die Welt,
in Hoffnung, dass zerfällt,
was ihn am Sehen hindert
und seinen Glauben mindert.

Er mühte sich zu träumen
von Gottes Apfelbäumen,
die ja Erkenntnis stiften.
So stand's in alten Schriften.

Falsch kann es nicht sein,
dachte er im Mondenschein.
Eva tat den ersten Bissen,
so ist's Band bereits zerrissen.

Auch Adam war nicht klüger.
So sind sie als Betrüger
längst gerichtet und bestraft,
auch die Schlange ist entlarvt.

Doch ein Apfel blieb verwehrt.
Allein, es wurde Zeit verzehrt.
Der Bursche hatte keine Wahl,
wenn auch Klettern schiere Qual.

Er musste auf des Berges Spitze,
um dann dort im Schneidersitze
Gottes Wort ganz klar zu hören.
Niemand mochte droben stören.

Für Stunden lauschte der Fromme,
ob ein Wort zu ihm nun komme.
Alles Warten war vergebens,
er zweifelte am Sinn des Lebens.

Auch der leere Magen riet
zum Aufbruch nun in ein Gebiet,
wo Speis' und Trank zu haben.
An denen wollte er sich laben.

Die Jahre zogen rasch vorbei,
doch vom Wissen blieb er frei.
Dann hörte er die alte Sage,
dass ein Prophet den Barte trage.

Tabu war fortan die Rassur,
denn dichte Bärte wachsen nur,
wenn die Klinge fern vom Kinn,
ansonsten hätt' es keinen Sinn.

Selbst mit langem, dichtem Bart
blieb der Weg, die Suche hart.
Er lehrte alle, die ihn baten,
wie man vollbringt nur gute Taten.

Er lebte ehrlich und bescheiden,
wollte keinem etwas neiden,
auch nicht länger den Propheten
ihren Himmelslohn fürs Beten.

Man schätzte ihn als einen Weisen,
der durch die vielen, weiten Reisen
Geschichten zu erzählen wusste,
die man einfach hören musste.

Trotz all redlichem Bestreben
konnte er im ganzen Leben
die große Antwort nicht erfahren,
keine Zukunft offenbaren.

Wahre Wunder hat er nie gesehen,
doch glaubte er, dass sie geschehen.
Auch aus dem Himmel drang
an sein Ohr kein Chorgesang.

Keine Stimme Gottes sprach,
was sein Vertrauen niemals brach.
Er übte sich stets in Geduld,
lud auf sich keine üble Schuld.

Auf dem Sterbebette dann
erschien dem alten Mann
ein engelhaftes, reines Wesen.
So ward er doch am End' erlesen.

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