Inge Offermann

Hochzeitskulturen im Zeitenwandel

Erste Begegnung, Kennenlernen,

Sympathie, Zärtlichkeit, Zuneigung -

das feierliche „Ja, ich will“ besiegelt

für Paare Heirat und Beginn ihres

gemeinsamen Lebensweges.

 

Diesem Thema, seinen Wurzeln,

seiner Geschichte, den Bräuchen,

Ritualen, Vorbereitungen, Festen

widmete sich eine umfangreiche

und lebendig konzipierte Ausstellung

über die Begegnung zweier Kulturen.

 

Im 19. Jahrhundert wurden Ehen

überwiegend aus wirtschaftlichen

oder sozialen Gründen geschlossen,

heute entscheidet freie Partnerwahl.

 

Zur traditionellen Hochzeitsplanung

gehörten Brautwerbung, Antrag,

Verlobung, Brautzeit,

Hochzeitsvorbereitungen

Polterabend, standesamtliche

und kirchlichen Trauung sowie

die anschließende Hochzeitsfeier.

Moderne Paare gestalten ihren

Hochzeitsablauf selbst.

 

Diese Hochzeitsausstellung

lud ihre Besucher zu einer

Zeitreise ein in die Vergangenheit

und Gegenwart deutscher

und türkischer Hochzeitsbräuche.

 

Hochzeitsfotos – verblichene aus

alten Zeiten, schwarzweiße und

farbige aus den 50er bis 80er Jahren

sowie aus der heutigen Zeit zeigten

zu Beginn des Rundgangs

Paare in der für die jeweilige Epoche

typischen Hochzeitskleidung,

in Tracht, in jungfräulichem Weiß

mit Schleier, Myrten- oder

Orangenblütenkranz und

Blumenstrauß, der Mann

im vornehmen Anzug,

Paare, bereit, den Bund

fürs Leben einzugehen,

auf dem Wege zu und vom

Standesamt und Traualtar,

mit dörflichem Brautzug

oder Brautjungfern und

Hochzeitsgästen im Feststaat.

Sicher wurde mancher Besucher

durch diese Hochzeitsbilder

an seine eigene Heirat erinnert

oder es erwachten Hochzeitsträume

und Anregungen zur eigenen

Hochzeitsplanung.

 

Der amerikanische Brauch

des Reisstreuens auf das

auf das Brautpaar sollte

Fruchtbarkeit bedeuten

und wurde in den letzten

Jahrzehnten von den

Europäern übernommen.

In anderen Gegenden werden

Blumen von Brautjungfern

beim Verlassen der Kirche

auf den Boden gestreut,

das Brautpaar schreitet

über einen Blumenteppich

zu seinem neuen Heim

oder der Ehegatte

trägt seine Ehefrau

über die Schwelle

der künftigen Wohnung.

 

Trug eine Braut am Hochzeitstag

etwas Neues, etwas Altes,

etwas Geliehenes und etwas Blaues

bei sich trug, brachte dies

nach landläufiger Auffassung

deutscher Hochzeiter Glück.

Genauso glaubt man daran,

wer den Hochzeitsstrauß

der Braut auffängt, den diese

nach der Trauung in Menge wirft,

wird als nächstes heiraten.

 

In Vergessenheit geraten ist

heute die „schwarze Braut“,

im dunklen Mehrzweckkleid,

das sie später auch zu Taufen,

Festen, und Trauerfeiern anzog.

So selbstverständlich bürgerte

sich das weiße Hochzeitskleid,

Symbol der Unschuld und Reinheit

seit den 20er Jahren in westlicher

sowie in türkischer Kultur ein,
dass auch goldgestickte Samtroben

osmanischer Zeit in Elfenbein,

Rosa, Rot, Karmin und Purpur

seit Kemal Atatürk veraltet erschienen.

 

Hochzeiten stellen früher

wie heute einen Höhepunkt

im individuellen und sozialen Leben

der türkischen Gesellschaft dar.

Insbesondere in türkischen Dörfern

gehören sie zu den größten

und kostspieligsten Festen.

In der traditionellen türkischen

Gesellschaft gilt die Heirat

nicht nur als eine Vereinbarung

zwischen den beiden Gatten,

sondern auch als Verbindung

zwischen zwei Familien.

 

Türkische Hochzeitsvorbereitungen

und Feierlichkeiten richten sich

nach sozialer Herkunft sowie

regionalen Sitten und Gebräuchen.

 

Die traditionelle türkische Hochzeit

beginnt an einem Montag

und endet an einem Freitag.

Die Hochzeitsnacht liegt zwischen

Donnerstag und Freitag.

 

Zuerst luden die Brauteltern

die Eltern des Bräutigams

zum Kennenlernen der Braut

beim Kaffeebesuch in ihr Haus.

Für diesen unverbindlichen Empfang
bereitete die Braut den Kaffee selbst zu
deckte den Tisch mit Kohlebecken,
Mokkatassen und bestickten Handtüchern.
Beim Kaffeeservieren gewannen

die Eltern des Bräutigams
einen Eindruck vom Verhalten
und Aussehen der Braut.
Mundete ihr zubereiteter Kaffee,
galt sie als gute Hausfrau.
Bei Gefallen der zukünftigen Braut

vereinbarten beide Elternpaare

später das Eheversprechen.

Zu den Hochzeitsvorbereitungen

und das eigentliche Fest

umfassen die Verlobung,

das Verlobungsgeschenk,

Braut-Hamam, Henna-Nacht,

Aussteuerpräsentation, Brautzug

Trauung durch den Imam,

ausgiebige Festivitäten,

Hochzeitsnacht und Paca-Fest.

Viele dieser früheren Traditionen

überlebten in der Gegenwart.

Heute wird die Trauung

standesamtlich geschlossen.

Traditionsbewusste Familien

bevorzugen zusätzlich

eine Trauung durch den Imam.

 

 

Besonders für Frauen
bedeutete das Bad ein Ort
geselliger Begegnung

und Abwechslung

vom Hausfrauenalltag.

Für einen Badbesuch

verwandten diese

fein gearbeitete Tücher

für Kopf, Schultern, Lenden,
Spiegel, Wasser- und Seifenschalen,
silberne Kämme und Behälter für Bimsstein.
Die Holzpantinen wiesen Einlagen
aus Silber oder Perlmutt auf.


Im türkischen Dampfbad,

dem Hamam, tauschten

die Besucherinnen ihre

Erfahrungen und Neuigkeiten aus,

betrachteten die Mädchen und

wählten mögliche Bräute aus.

 

Am Hochzeitsmorgen reinigte

sich die Braut gründlich

in den Dampfwolken des

hell gekachelten Hamam

und bereitete sich innerlich

auf ihren großen Tag vor,

erhielt vielleicht noch

den einen oder anderen

Ratschlag erfahrener Frauen.

 

In der Henna-Nacht

am Vorabend der Hochzeit

verabschiedete sich die Braut

feierlich vom Elternhaus.

Ihre weiblichen Verwandten

und ihre Freundinnen

trugen dazu samtrote,

mit Metallfäden bestickte,

kaftanartige Bindalli-Kostüme.

Die Braut erschien in

rotgoldenem Gewand

mit rotem Kopfschleier.
Während der Feier sangen und

tanzten die weiblichen Gäste.
Traurige Lieder veranlassten

die Braut zum Weinen.

Eine Frau brachte die
 Hennapaste auf einem

mit roten, brennenden Kerzen

dekorierten Tablett und malte

damit glückbringende Zeichen

auf Hände und Füße der Braut.

Auch die Gäste bestrichen
ihre rechte Hand mit Hennamustern.

Noch heute wird die Hennafeier

auf diese Weise abgehalten.

 

Am Hochzeitsmorgen wurde

die Braut feierlich eingekleidet

und mit blitzendem Geschmeide

geschmückt, bevor sie ihr Antlitz

mit einem roten Schleier verhüllt,

der Farbe des Blutes und Lebens.
Indes begann der Bräutigam

diesen Festtag mit seiner Rasur.

Hierzu verwandte der Barbier

Rasierumhang, Rasiertuch

und Rasierschüssel,

Geschenke der Brautfamilie
Dieser Brauch entstand
bereits im 18. Jahrhundert.
Bräutigam und Freunde

nahmen diese Rasur

als Anlass für eine

heitere Abschiedsfeier

der Junggesellenzeit

des Bräutigams mit

Witzen  und Späßen,

von denen sie später

noch gerne erzählten.

 

Später begleitete ein

bunter Hochzeitszug

mit Gesang und Tanz

die rotverhüllte Braut

ins Haus der Schwiegereltern

und dort in das mit roten,

silber- oder goldbestickten Sitzdecken
und dekorativen Wandbehängen
geschmückte Brautzimmer,

wo bereits die Aussteuer

zur Präsentation auslag
und das Brautpaar dann

Gäste begrüßte und deren

Geschenke entgegennahm.

 


Heutzutage heiratet auch die türkische Braut

meist in Weiß und trägt zur Hochzeitsfeier

ein schlichtes rotes Band als Brautgürtel

Zeichen ihrer bewahrten Jungfräulichkeit,

mitunter auch eine verzierte rote Schärpe.

Früher zierten Perlen und Stickereien

diesen prächtigen Brautgürtel

 

Der Brautschleier schützte

die Braut vor ’dem bösen Blick‘

und sollte ihre Ausstrahlung.

bis zur Brautnacht verhüllen

Die Farbe Rot sollte Gutes

bescheren und Übel abwehren.

 

Vor Beginn der Brautnacht

zog sich das Paar diskret

in seine Brautgemächer zurück,

wo der Bräutigam feierlich

das Gesicht der Braut

entschleierte und ihr dafür

wertvollen Schmuck schenkte.

In der Brautnacht konnte

das Paar endlich für sich sein,

sich behutsam annähern

und die Geheimnisse

der Liebe erfahren.

 

 

Den Tag nach der Brautnacht
verbrachte das jung vermählte Paar

in ausgesuchtem Personenkreis
mit einem Festessen, wobei

eine Suppe, „paça", genannt,

aus Schafs- bzw. Rinderhaxen,
serviert wurde. Nach besagter Speise
heißt dieser Tag „paça günü".
 

Die Aussteuer zeugte

vom Fleiß der Braut

und der gesellschaftlichen

Stellung ihrer Familie.
Mit deren Anfertigung

unter sorgfältiger Anleitung
begannen Mädchen bereits
im Alter von etwa zehn Jahren.
Die Aussteuer umfasste

mit Stickereien versehene
Handtücher, Badetücher,

Schmuck- und Kopftücher,
aufbewahrt in verzierten Truhen.

Zur Aussteuer gehörten noch Bett,
Bettwäsche, Wiege, Spiegelkommode
 Kopftuch- und Schmuckkästchen
Petroleumlampen, Glasflakons mit Gläsern,
Handwaschbecken und sechs Tassen.

Festliche Anlässe wie Geburt

und Beschneidung eines Sohnes

boten eine weitere Gelegenheit

der Aussteuerpräsentation,

zu der die geladenen Gäste

auch ihren Anteil beitrugen.

 

Teile einer solchen Aussteuer

wie kostbare Gewänder mit

Goldstickerei, feingewebte

Tücher mit Pflanzenmotiven,

Mokkatassen, Messingteller

und die roten Samtdecken

eines Brautzimmers

brachten dem Betrachter

als Ausstellungsobjekte

türkische Lebenswelt nahe.

 

Auch im Abendland fertigten

Bräute ihre Aussteuer selbst

oder ließ diese für sich fertigen,

Gefüllte Truhen und Schränke

zeugten von mehr oder

weniger Wohlstand,

ebenso die verschiedenen

Hochzeitsgeschenke

für die Jungvermählten

und deren künftigen Haushalt.

 

Am Ende des Ausstellung

bot sich dem Besucher

ein Streifzug durch europäische

und türkische Hochzeitsmode

verschiedener Jahrzehnte

sowie der Anblick erlesenen

Gold- und Silberschmuckes

mit wertvollen Edelsteinen.

 

Istanbul stieg in den letzten Jahren
zum Zentrum türkischer Modeschöpfer auf.
Die einfallsreichen Kreationen

dieser  jungen Modemacher

unterscheiden sich durch

ihre Individualität von
bürgerlicher Brautmode,

inspiriert durch Kostüme

osmanischer Tradition.

wie ein glänzend weißes,

modisch drapiertes Kopftuch

statt des Schleiers oder

zum Brautschleier

und langem Brautkleid.

 

Auch westliche Brautmode

wandelte im Laufe der Generationen

vom lang fallenden Empiregewand,

über das bauschige Krinolinenkleid

zur schlanken Jugendstilversion,

zum saloppen spitzenbesetzten

Hängekleid der 20iger Jahre,

dem New Look und Pettycoatstil

der 50iger Jahre, dem knielangen

und Minikleid der 60er Jahre

und individuellen Modellen späterer

Jahrzehnte, deren traditionelles Weiß

auch durch Farbe und zarte Muster

mitunter abgelöst wurde.

 

Filme, Vorträge und Videos

über das Hochzeitsthema

rundeten das Begleitprogramm

dieser Ausstellung und ihre

kulturellen Hintergründe

informativ und anschaulich ab.

Besucher nahmen Eindrücke

einer bunten Objektvielfalt

von goldbestickten Brautroben

und Traumkleidern aus Seide,

Taft, Atlas, Batist, Tüll, und Spitze

und prachtvollem Schmuck

auf ihren Heimweg mit.

 

Paare konnten sich sogar

sich in den Ausstellungsräumen

trauen zu lassen, was mehrfach

wahrgenommen wurde.

Ein Anreiz, dass auch Partner

beider Kulturen beschließen,

ihren Lebensweg künftig

gemeinsam zu beschreiten.

So können sich die Kreise

zweier Kulturen zu einem fügen.

 

© Inge Hornisch

 

 

 

 

 

Impressionen der Ausstellung „Hochzeitskultur und Mode von 1800 bis heute: eine deutsch-türkische Begegnung“ im Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim vom 01.03. - 07.06. 2009

 

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.06.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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