Ich weiß es längst

Du kommst von der Arbeit.
Umarmst mich.
Voller Euphorie.
Dein Kuss.
Fest.
Und doch irgendwie leer.
Aber ich sage nichts…
Der Tisch ist gedeckt.
Du holst dir ein Bier.
Aus dem Kühlschrank.
Während ich den Braten hinstelle.
Du schenkst dir ein.
Während ich auf dein Teller lege.
Erzählst du von der Arbeit…
Ein verträumter Blick aus dem Fenster…
Dann redest du weiter.
Eine Anekdote.
Wir lachen.
Es klingt beinahe echt.
Dann essen wir.
Und du strahlst mich an.
Meisterköchin!
Du liebst meinen Schweinsbraten.
Noch besser.
Als der von deiner Mutter!
Das sagst du immer.
Ich strahle zurück.
Und räume den Tisch ab…

Du sitzt vor dem Fernsehgerät.
Zippst durch.
Dann holst du dir ein zweites Bier.
Und als du zurückkommst.
Da pfeifst du eine Melodie.
Ganz vergnügt.
Ich kenne das Lied.
Ein Liebeslied…
Du fängst meinen Blick auf.
Wirkst ertappt.
Und fragst.
Wie es bei mir in der Arbeit war.
Ich zucke mit den Schultern.
Das Übliche.
Und nicht viel los.
Dann mache ich die Wäsche.
In deiner Jacke.
Ein Zigarillostummel.
Ein weißes Stofftaschentuch.
Mit Lippenstiftspuren.
Nicht meine Farbe.
Ein anderes Mal.
Ein paar schwarze Haare am Revers.
Eintrittskarten für’s Kino.
Den Film habe ich nie gesehen.
Eine Serviette aus einem Lokal.
Wir waren ewig nicht dort.

Ich weiß Bescheid.
Schon lange.
Und du bemühst dich.
Ich soll es nicht merken.
Du bist lieb.
Aufmerksam.
Zärtlich.
Und du schläfst mit mir.
Wie immer.
Aber du lügst.
Seit mehr als einem halben Jahr.
Ich kenne dich zu gut.
Ich durchschaute dich schnell.
Und.
Ich habe geweint.
Ja.
Ich wollte dir eine Szene machen.
Aber ich hatte Angst davor.
Alles zu verlieren.
Neu anzufangen.
Ich bin nicht mehr jung.
Ich würde allein bleiben.
Vielleicht.
Wahrscheinlich…

Dann räume ich die Waschmaschine voll.
Starte den Waschgang.
Dann stehst du in der Tür.
Du lächelst.
Liebes.
Rosamunde Pilcher.
Der Film fängt gleich an…
Ich lächle zurück.
Nicke dir zu.
Folge dir ins Wohnzimmer…

Vivienne

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