Klaus Lutz

Arztbesuche 5 (trilogie)

Der Arztbesuch 24

Es ist diese Bank. Diese Zelle! Diese Pritsche.
Es ist die Zeit. Stunden um Stunden. Niemand
der da ist. Und nur das eine bleibt: "Gedanken!
Erinnerungen!" Ich laufe durch Delhi. Ich laufe
durch Basare. Ich lache unterhalte mich mit
anderen Reisenden. Gehe mit Ihnen in eine
Teestube. Und all die Gepräche, Überlegun-
gen und Phantasien sind eine andere Welt:
"Unglaubliche Freiheit!" Unglaubliche Größe.
Unglaubliche Erwartungen. Wärme, Sonne
blauer Himmel!" Und etwas das nie endet. Das
alles erfüllt: "Etwas das Gnade ist!" Das Ein-
blicke gibt, wie Glaube gemeint ist. Wie Liebe
gemeint ist. Wie Gott gemeint ist. Und wie das
alles ist. Etwas das Gnade ist. Es ist Da. Und
es zeigt wie lebendig alles ist. Wie das Leben
sein kann. Und etwas ist Da! Das Gnade ist:
"Mit dem Liebe! Mit dem Glaube! Mit dem Gott
beginnt!"

Ich bin in Australien. Und ich laufe durch Syd-
ney. Ich bin gerade angekommen. Ich habe
keinen Cent in der Tasche. Aber ich weiß,
es geht weiter. Ich weiß es: "Es geht weiter!"
Ich habe Monate in Asien hinter mir. In Indien.
In Thailand! Malaysia! Singapur. Ich hatte alle
Krankheiten, die es geben kann. Einen kaput-
ten Magen. Einen Tripper. Riesen Entzündun-
gen und Vereiterungen an den Beinen. Aber
ich habe in Malaysia ein Visum bekommen für
Australien. Ich habe bei dem Zöllner mit mein-
em letzten Charm alles verzaubert. Und er hat
mich ins Land gelassen. Ein Anderer vor mir. Mit
verschlissener Kleidung. Irgendwie ausgelaugt,
nur noch Haut und Knochen mußte zur Seite
gehen. Was heißt, er kommt nicht in das Land.
Aber ich bin reingekommen.

Ich war Monate in Asien. Und habe bis zum Um-
fallen gelebt. Mit anderen Reisenden. Mit Men-
schen die mehr sind. Mit dem Leben das mehr
ist. Ich habe gesehen und weiß es nun was das
Leben sein kann. Ich habe diese unglaubliche
Freiheit in mir und in der Welt entdeckt. Ich ha-
be alle Angst vor dem Leben verloren. Es gbt
nichts mehr. Es gibt keinen Grenzen mehr. Ich
bin überall wo das leben ist zu haus. Und all
das was Leben ist, ist überall in mir zuhaus. .

Zwischendurch. Zwischen diesen Gedanken.
Habe ich eine Injektion bekommen. Es ist das
stärkste Mittel gegen Infektionen. Das stärkste
was es gegen Syphilis gibt. Es kann das Ner-
vengewebe schwer schädigen. Aber es kann
auch heilen. Es nimmt! Aber bewahrt mich vor
dem Siechtum. Und ich überlege mir: "Welche
Prostitiuerte das war!" Und denke mir egal. Es
war Spaß. Und den hatte ich mit Allen. Und
jetzt zahle er den Preis: "Mein Körper. Ich hebe
die Fettwülste an!" Und das kann ich an allen
Seiten. Und das ist, was geblieben ist, an Leb-
en. An allen Seiten. Ich liege auf dieser Prit-
sche und ich gehe durch andere Zeiten. Das
ist mir geblieben. Ich bin in der Gosse ange-
kommen. Ich habe noch fünfig Euro. Und
selbst der Versuch den Wärte zu überreden.
Die hälfte ist für Dich, das andere ist für Plätz-
chen, Kuchen und Gebäck. Selbst das funk-
tioniert nicht mehr. Er würde mir nie einen
Wunsch erfüllen. Es gibt niemanden mehr,
der mir noch enen Wunsch erfüllt oder für
mich da wäre.

Der Arztbesuch 25

Selbst wenn ich einen Pfleger rufe, kommt keiner
mehr. Eine falsche Bewegung und ich falle von die-
ser Pritsche. Eine falsche Bewegung und ich kip-
pe von dieser Bank. Eine falsche Bewegung und ich
liege am Boden! Bis ich eine Spritze bekomme, mir
Medikamente gebracht werden. Oder eine Mahlzeit
ansteht. Ich jongliere: "Auf der Bank bewege ich
mich nur mit Plan!" Ich nehme die Hände an die
Seite. Kralle sie an diesem Brett fest. Stütze
mich hoch. Und bewege mich. Dann, auf der Pritsche,
sind die Bewegungen noch eingeschränkter. Da be-
wegen ich meinen Körper nur nach rechts oder links.
Ich versuche ihn etwas zu drehen. Dabei muß ich
die Arme anwinkeln. Dann fällt die ganze Masse
des Bauches nur auf die Hand. Und die bekomme ich
wieder frei. Wenn dieser ganze Berg an Bauch auf
den Arm fällt, dann ist er einfach wie gefesselt.
Zwischen Bettkante und Bauch. Mittlerweile weiß
der Wärter auch, wenn ich mich auf der Prische
bewege. Es werden dann so viele Gase freigesetzt.
Es ist ein solches Donnern von Fürzen und ein
Gestank, als hätte sich irgend eine Kloake ge-
öffnet. Aber dieses Gewicht, all diese Kilos zwin-
gen mich geradezu, mich hin und wieder zu dre-
hen. Alle paar Tage entleert sich dabei auch der
Darm. Was ein Fiasko ist. Wobei Fiasko noch ein-
fach oder gelinde ausgedrückt ist. Den das ganze
trocknet dann am Darmausgang fest. Bis zur näch-
sten Reinigung. Oder ganz klar gesagt, bis zur
nächsten Reinigung ist de hälfte meines Körpers
mit Scheiße bedeckt. Fest getrocknet und eine
Gestank ausströmend der nur noch die Mücken an-
zieht. Die dann zu hunderten, tausenden Versuchen
das Ziel zu erreichen: "Das für sie wie Weihnachten
ist!" Aber auch das ist eine Sache der Gewohnheit.
Wenn es Abends geschieht. Dann setze ich mich
einfach an den Computer und tippe irgend was hin-
ein. Und vergesse! Ich muß nur aufpassen, das die
Hände sauber bleiben. Denn die Scheiße direkt vor
mir auf der Tastatur, lähmt selbst meine Gedanken.
Wenn das ganze dann bis Morgens dauert. Dann denke
ich selbst von mir, wie von einem Mensch geworden-
en Haufen aus Scheiße. Und alles Menschliche in mir
ist tod. Endgültig erledigt.

Aber dann beschäftigt mich auch seit Tagen, wie ich
meine Gedanken ordne. Wie ich diese Zeit hier sinn-
voll nutze. Es können Monate werden und ich bin erst
acht Tage hier. Ich denke an ein System von Frei-
heit. Ein System, das mich von den Gedanken her frei
werden läßt. Keine Ideologie. Die mir sagt: "Du mußt!"
Eine Ideologie, die mir etwas anderes zeigt. Und ich
habe noch nicht die Worte dafür. Oder einen Begriff.
Aber ich will auch keinen Begriff dafür. Wenn das
überhaupt möglich ist.

Ich bin in Wahrheit, von den Jahren ohne Gespräche
irgendwie in meinem Denken gelähmt. Ich bin gelähmt
mit meinen Gefühlen, von den Jahren ohne jeden Kon-
takt. Ich bin gelähmt mit meiner Phantasie, von den
Jahren ohne etwas verwirklichen zu können. Und ich
bin zerstört, von den Jahren wo ich nur Lügen erlebt
habe. Wo es nur Dummheit gab. Infiziert von klein-
bürgerlichen Verhalten und Lebensgewohnheiten. Das
wie eine Epedemie zu sein scheint. Und alles normt
und normen will, so wie es selbst ist. Alles in fe-
ste Vorstellungen pressen will. Für alles feste Bil-
der und unverrückbare Ideen will. Das nur nach Si-
cherheit sucht. Und das erfüllen will, was sein Traum
von Glück ist. Das ohne Freiheit ist. Das keine Frei-
heit kennt. Und das alles erstickt was Freiheit
ist. Festgekettet mit 1000 Versicherungen. Festge-
kettet mit 1000 Versprechungen von Polítikern. Fest-
gekettet mit 1001 Träumen vom Leben. Und das alles
wird sie enttäuschchen. Das alles läßt ihr Leben
mehr und mehr zum Schein werden. Mit der Angst vor
dem wahren Leben. Um so mehr sie sich in ihrem Sch-
ein eingerichtet haben. Und mit diesem Schein wol-
len sie die ganze Welt einrichten. Denn dieser Sch-
ein ist ihre Sicherheit. Er ist das, was die Welt
zerstört. Und das was sie zerstört. So wie alles
was nicht echt ist, am Ende nur zerstört. In einem
Mikrokosmos hat sich dieser Schein schon vollendet.
In einigen Häusern! Hausgemeinschaften! Cliquen.
Die ihr Leben verteidigen, als wäre es die Freiheit!
Und die an ihrem Schein sterben. Oder schon längst
tot sind. Das ist es, was mich besiegt! Mit dieser
Behinderung. Ich bin einem Schein ausgeliefert. Der
mir das Leben und die Freiheit die ich noch habe,
ganz nehmen wird. Dann bin ich nicht nur behindert.
Dann bin ich auch verloren!

Ich meine deswegen muß ich mein Leben ordnen. Das
System finden, das mir die Freiheit läßt. Aber kann
sein, ich muß nur immer mehr heraus finden was die
Liebe ist. Kann sein, allein das bewahrt mich davor
Schein zu sein! Und schenkt mir jeden Tag auch wie-
der eine neue Freiheit! Ich muß nur dem was ich hier
erzähle, eine bessere Ordnung, eine bessere Struktur
geben! All das, mit dem ich klar und deutlich die
Wahrheit erzählen kann. Und nichts als de Wahrheit!

Der Arztbesuch 26

So als Fazit meines Lebens. Oder dieses Lebens
kann ich sagen, es ist möglich Jahre und Jahr-
zehnte ohne einen Kontakt zu Leben. Ohne einen
Menschen, dem man Vertrauen kann. Aber es zer-
stört. Das Leben kann ein Abenteuer sein. Aber,
wenn es nur ein Abenteuer ist, dann ist es
kein Leben. Und mein Leben war ein Abenteuer.
Und ist es noch heute. Aber es war nie ein Leben.
Das hat mich erledigt. Kann sein, der Auslöser
war der Tod meiner Eltern. Seit dem rudere ich
allein durch dieses Leben. Kann sein, das ich
irgendwo dieses Kind geblieben bin. Das ich
nie älter als vier Jahre geworden bin. Was mein
Denken angeht. Aber 1000 Jahre alt geworden bin,
was die Erfahrungen mit Menschen betrifft. Die
sich einfach nur Probieren, an all dem, was ohne
Schutz, ohne Hilfe auf dieser Welt ist. Kann
sein, ich war immer diese Projektionsfläche, all
der Krankheiten. die mir begegnet sind. Und die
Masse meines Körpers ist nichts anderes, als all
das was auf mir abgeladen wurde. Seit ich den-
ken kann. Seit dieses eine von mir Gestorben ist:
"Mein Schutz. Meine Eltern!" Ich trage 250 Kg
mit mir. 250 kg die in Wahrheit nur Kranheiten
sind. Krankheiten dieser Welt, die ich erlitten
habe. Krankheiten anderer Menschen. All das
was diese Welt. Was diese Menschen los werd-
en wollten. Kann sein, es ist so: "Die Menschen
haben immer das gesehen, was ich erst jetzt
sehe!" Den Menschen, mit dem sie alles mach-
en können. Der vier Jahre geblieben ist. Der in
Wahrheit auf etwas anderes wartet. Das, was es
in Wahrheit nicht mehr gibt. Das, was in Wahr-
heit die Liebe ist. In einer Welt die ohne Wahr-
heit. ohne Liebe ist. In einer Welt wo es nur noch
Lügen und Heuchelei gibt. Das, was entsteht
wenn ein Mensch nur Schein ist. Das was entsteht
wenn eine Welt nur Schein ist. Das was es gibt,
wenn alles verloren gegangen ist. Was Wahrheit,
was Liebe sein kann. Wenn das verloren gegan-
gen ist, was ein Mensch sein kann. Kann sein ge-
rade mir. Dem Schwächsten wird das bewußt und
klar. Gerade dem, der trotz aller Liebe verloren ist.
Der sein Leben wie ein Abenteuer lebt. In einer
Welt wo jeder sein Grenzen zieht. Wo jeder seinen
Schein bewahrt. Wo alles andere nur verletzt und
stört. Was das Leben will: "Die Freiheit. Die Entdeck-
ung des Lebens. Der eigenen Gedanken. Der eigen-
en Phantasie. Der eigenen Gefühle!" Kann aber
auch sein, das all das nur noch stört. Kann aber
auch sein, das alles veloren ist. Und das diese Welt
endgültig verloren ist.

 

Ich habe lange überlegt, soll ich den
Arzt-besuch 26 reinstellen. Irgendwie
habe ich da die Linie verloren beim
Schreiben. Aber ich habe ihn reinge-
stellt. Das ist schon ein abgefahre-
nes Thema. Aber es ist Interessant.
So lange ich nicht vergesse die rich-
tigen Ecken dabei auszuleuchten. Ich
lerne viel dabei. Bei der Art oder
Form zu schreiben. Ich sehe die Mög-
lichkeiten die das erzählen bietet.
Und wieviel sich da reinpacken läßt.
Auch an Lyrik. Ich denke, das habe
ich als Ziel entdeckt. Oder das wird
mir so langsam klar. Die neue Sprache,
die das ganze sein kann. Und das was
es mir gibt. Es beschreibt sehr über-
höht diese Behinderung. Aber es zeigt
dabei die Sprache Die echte Poesie,
der Wirklichkeit. Die nur durch die
Sprache poesie bekommt. Die also die
Poesie in der Wirklichkeit wieder fin-
det. Dazu eignet sich die Beschreib-
ung der Behinderung ganz gut. Das es-
senteille. Den Kontakt wieder zum
Körper finden. Um den Körper überhaupt
zu erleben. Und um dann lebendig das
Leben zu erleben. So ungefähr. Das ist
die Richtung. Das was ich seit drei
Wochen probiere. Und ich denke es ge-
lingt mir. Es ist das, was mich auch
zwingt, genau über mein Leben nachzu-
denken. Kann sein es ist so eine Wech-
selwirkung. Wenn ich meinem Leben
keine Form gebe. Dann kann ich auch
der Sprache keine Form geben. Irgend-
wie so. Dabei bewegt sich das ganze
auch immer an der Grenze. Für mich
soll das Schreiben ein Spaß sein. Ich
will nicht professionell werden. Also
professionell in dem Sinn. Das ich vom
Gläubigen zum Glaubenseiferer werde.
Zum Fanatiker. Sprache, Sprache und
nur noch Sprache und sonst nichts. Es
geht dabei wie bei allem im Leben.
Ganz gleich was es auch immer ist.
Da Leben nicht aus den Augen zu ver-
lieren. Nicht nur das eine sehen und
für alles andere blind werden.
lg klaus!
Klaus Lutz, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 21.08.2009. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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