Thomas Piehler
Märchen
Du warst wie ne unbeschriebene Seite
So leer, so unendlich leer
bald bekämpfte der erste Schreiber die Weite
und stellte die ersten Sätze her
Des Tages schrieb er, der Zeilenbezwinger,
des Nachts erholte er sich.
Die weißen Stellen wurden geringer -
bis schließlich er verblich
Man brachte den zweiten und dritten daher
und als dann der vierte auftrat
da warst du noch immer dreiviertel leer
und man wusste sich keinen Rat.
Und als dann endlich der fünfte begann,
der wünschte, er hätt dich vollbracht,
wofür er sich eine List ersann:
Er wollt nämlich schreiben bei Nacht.
So nahm der kluge Schreiber sich
an der Tagesschwelle
als am Abend die Sonne verblich
eine Kerze mit zur Arbeitsstelle
Er begann zu schreiben -
doch - mitten im Satz -
musst er hängenbleiben
am brennenden Wachs
So brachte er also die Kerze zu Fall
deren lechzende Zunge lachte
und leise knisternd, fast ohne Schall,
war er's, der dich so entfachte
Oh weh! Du verbranntest in wen'gen Sekunden
zu einem Schwaden von Rauch
zu welch kläglichen Resten warst du geschunden
- zu nichts mehr von Gebrauch
Der Schreiber trauerte lange darüber
und er nahm sich dann das Leben
doch halfs dir nicht, du bist hinüber
und so wird es dich nie wieder geben.
Später wird dem Leser klar:
Wie's in Tschernobyl und Hieroshima war.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.02.2010.
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