Berni Kestoi

Der Herr Pfarrer 2

Morgens liest er brav die Messe,

abends predigt fromm er vor,

bei ihm ist Gott an rechter Adresse,

zum Hochfest singt der Chor,

 

Hat sie wohl im Blicke,

gütig führend der Ministranten Schar,

Zum Gebete die Gemeinde nicket,

wenn er segnet Gaben am Altar,

 

Tags er fromm singet und betet,

und seinen Job, den tut er gern,

Die Unterlipp' er mächtig knetet,

wenn Sünden und Probleme der Leut er muss hör'n,

 

Am Wochenend' der Kegelclub,

und der Katholische Frauenverein,

auf dem Weihnachtsmarkt gibt’s Glühweinschluck,

und ansonsten ist er dann allein,

 

Die Haushälterin, mit der hat er nix,

noch mit 'ner andren Frau,

homosexuell auch nicht,

eher inaktiv und lau,

 

Keine Laster oder Zaster,

und nichts Menschliches ihm fremd,

So wünscht man sich doch den Paster,

modern, nicht reaktionär und unverklemmt,

 

Ein Mann, der sich zu Gott bekennt,

aber auch zur Coolness, Religion,

Missstände gern beim Namen nennt,

und trefflich treffet jeden Ton!,

 

Doch ein Geheimnis, schrecklich, finster,

birgt er in seines Herzens Gruft,

Niemand kommt jemals dahinter,

wenn er schlüpft in seine Pfarrerskluft,

 

In der Nacht, tief im isolierten Keller,

den er durch den geheimen Lift erreicht,

im Schranke versteckt der,

wo er in die Saiten streicht,

 

Die E-Gitarre, der E-Bass, auch's Schlagzeug,

sind seine Instrumente,

Er rockt das Haus und schüttelt durch den Teig,

wie die Rock-Schul-Absolventen,

 

Ein geheimes Hobby ohne Lobby für ihn,

doch er ist Profi in der Scene,

ein Tick, ein Trick, der Meisterspleen,

dem Anbetungsalltag kann er so entflieh'n,

 

Gegen ihn wirst du den Kürzeren zieh'n,

geht es um Rock en gros, par excellance,

pur und unzensiert, krachend anders als Trance,

spürst du Vibration und Dröhnen innendrin,

 

Zwar darf er sich lang nicht HENDRIX nennen,

doch braucht er sich weder zu grämen,

noch sein eigen Talent zu verkennen,

oder sich dafür zu schämen,

 

Rocker mit Christen-Attitüde,

und mit guter Botschaft, christlich' Intention,

nur nach außen bieder, prüde,

wenn es verlangt die Institution...

 

(c) 2008, 2009 bkestoi

Positiver Gegenentwurf zu dem ersten Teil. Ein zweiter Teil? Mitnichten. Dreht es sich in diesem wesentlich älteren, vor den neusten Enthüllungen in Sachen pädophile Geistliche der Katholischen Kirche geschriebenen Text doch um einen fiktiven Pfarrer, der als geheimes (von der Kirchenobrigkeit sicherlich nicht gebilligtes) Hobby pflegt: Er ist passionierter und sehr ambitionierter Rockmusiker (und spielt klammheimlich in einer Band, was hier aber nicht erwähnt wird) - pflegt also auch eine Präferenz, die möglicherweise als gotteslästerlich empfunden wird.

Dennoch lehnt sich dieser Text an einen realen Pater an, einen jugendlich gebliebenen, frischen und modernen Bruder einer Glaubensgemeinschaft, der bei einer christlichen Veranstaltung richtig die Show rockte und fast soviel Stimmung erzeugte wie ein Mick Jagger und sonstige große Kanonen charismatischer Spaßkultur. Ihm wäre es zuzutrauen, dass er auch mal die E-Gitarre zur Hand nimmt und ein paar heiße Riffs spielt.
Berni Kestoi, Anmerkung zum Gedicht

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