Ingrid Drewing
Die hochmütige Elster
Es
war die Elster jüngst zu Gast
bei
einer klugen Krähe.
Dort
prahlte sie, ihr Prunk-Palast
sei
ganz hier in der Nähe.
Er
glänze, sei weithin zu sehen,
sie
habe ihn geschmückt
mit
Gold und Silber, widerstehen
das
könne nicht, wer ihn erblickt.
Das
Heim der Krähe, zu bescheiden,
fast
ärmlich sehe es doch aus.
So
etwas könne sie nicht leiden;
das
sei kein angemessnes Haus.
Die
Krähe sprach, ein wenig eigen,
es
weise sich, was besser sei.
Der
Glitzertand da in den Zweigen,
der
locke Neider nur herbei.
Wer
zu viel Aufsehen erwecke,
dem
bleibe bald nicht mehr die Ruh,
die
Brut vor Feinden zu verstecken,
verliere
seinen Schutz im Nu.
Die
Elster unbelehrbar schien,
ging
arrogant und flog nach Haus.
Doch
als sie ankam, wollt’ sie fliehen
und
rief entsetzt: “Oh, was ein Graus!“
Nichts
war mehr so, wie sie ’s verlassen,
zerstört
ihr schöner Traumpalast.
Man
hatte ihr nichts mehr gelassen
als
einen kahlen, grauen Ast.
Nun
starrt die Elster in die Leere
die
Zähren rollen, nicht zu knapp,
bedenkt
der Krähe kluge Lehre
und
schminkt sich ihren Hochmut ab.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 20.06.2010.
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