Annett Reinboth

JWH-Torgau


Torgau

Vier Wochen sind es nur gewesen.
Und doch schien mein Leben zu Ende zu sein.
Für mich wird es Zeit, endlich zu reden,
denn all die Jahre war ich mit meinen Sorgen allein.

Warum sperrt ihr mich denn hier ein?
Kann ich mit 17 Jahren denn so gefährlich sein?
Ein kleines Fenster-
Licht scheint kaum hinein,
und das auch noch vergittert:
Muss das denn wirklich sein?

In der Mitte der Zelle, sitze ich auf meinen Hocker.
Rede mit mir selbst:, "Mensch nimm`s doch locker".
"Du bist es doch gewohnt, das dich niemand will,
also stell dich nicht so an, und halte still".
"Fang jetzt nur nicht an zu heulen,
wenn das die Erzier sehen, dann gibt es Beulen".

Mit 15 bin ich zur Abtreibung gewesen.
Genau das ist nun die Strafe, für all meine Späßen.
Wäre ich immer zur Schule gegangen,
dann wäre ich heute hier nicht gefangen.
Ich will nicht weinen, nicht klein beigeben.
Ich weiß nur eines, das hier ist von jetzt ab mein neues Leben.
Jeden Tag Sport, und kurz geschorene Haare.
Mensch dann schmeißt mich doch gleich auf die Bahre.
Ich will nicht mehr denken, will nur noch schlafen.
Denn in meinen Träumen,
liege ich unter freiem Himmel,
auf einen herrlich, bunten, duftenden Rasen.

Dann träume ich etwas wunderschönes von uns zwei.
Mein Baby in meinem Herzen bist du immer dabei.
Du wurdest nie geboren, und doch fehlst du mir so sehr.
An dich zu denken fällt mir so schwer.

Aber ich träume gern schönes "Von dir und von mir"
Mein Leben scheint sinnlos an einen Ort wie hier.

Jedoch durfte ich dich nicht behalten mein Kleines.
Du fragst "Warum"?

Hab keine Antwort darauf, kann es dir nicht sagen.
Aber werde ich dich immer in meinem Herzen tragen.
Und wenn ich heute hier und jetzt, für alles büßen muss,
Dann soll es so sein. Ich halte durch bis zum Schluss.

Mein kleines Baby,
wie gern hätte ich dich auf diese Welt gebracht.
Mit dir gespielt, getanzt und gelacht.
Verzeih mir ich bin doch selbst noch ein Kind.
Doch zwang man mich dich zu töten.
"Weil wir ja so anständige Leute sind".


Nun das alles ist schon so viele Jahre her.
Damals in Torgau, war mein Leben mehr als nur schwer.

Selbst heute noch, in meinen schlimmsten Träumen,
muss ich es immer wieder riechen,
diese scharfe Putzmittel, auf den kalten Fluren,
wo wir lang kriechen.
Damit mussten wir scheuern. Stunde für Stunde.
Mit Tränen in den Augen, und trockenen Munde.

Die Träume kommen immer wieder,
ich fühle die Schmerzen in meine Glieder.
Und wieder sehe ich mich mit Handeln in den Händen,
und das im Entengang.
Die Erzier spotten, "Das macht schlank".

Das alles ist schon so lange her.
Und doch verfolgt es mich so sehr.

Von diesen Träumen geplagt, wache ich nachts auf.
Ich weiß ja ich bin dort wieder raus.
Und doch würde ich am liebsten vor lauter Angst schrein,
doch ich reiß mich zusammen,denn heute bin ich nicht mehr allein.
Bin ich doch heute selber eine stolze Mama.
Torgau ist weg, und nicht mehr da.
Annett, du hast 5 Söhne und 4 Töchter,
mensch reiß dich zusamm.
Das Leben geht weiter, ja, das sag ich mir dann.

Man hatte versucht uns kaputt zu machen.
In Torgau mit all diesen schlimmen Sachen.
Doch trotz allem ist mein Leben noch lebenswert,
auch wenn die Vergangenheit an den Nerven zerrt.
Denn eines könnt ihr mir alle glauben,
meine Liebe konnten sie mir nicht rauben.
All meine Liebe kann ich nun meinen Kindern geben.
Gibt es denn etwas schöneres in unserem Leben?
Und auch die Träume werde ich überstehn.
Bis zum bitteren Ende werdet ihr mich kämpfen sehn.
Ein Torgau darf es nie wieder geben!!!
Daran halte ich fest mein ganzes Leben.
Unsere Kinder haben ein Recht auf Liebe.
warme Schmuser, statt heftige Hiebe.
Beschützt sie verwöhnt sie, genießt mit ihnen jeden Tag.
Denn man weis nie wie es im Leben, noch kommen mag.

Haben wir nicht die Pflicht als Eltern,
für unsere Kinder ein besseres Leben zu erreichen?
Nie wieder darf sich ein neues Torgau einschleichen.

Die ganze Menschheit soll es hören:

" Nie wieder Torgau, lasst es uns schwören,"

Torgau machte so viele Kinder kaputt.
Und was ist mit den verantwortlichen für diesen Schutt?

Gibt es denn überhaupt böse Kinder?
Ich bitte euch, "Sucht die wahren Sünder".

Annett Reinboth

Dieses Gedicht wurde von mir geschrieben. Ich möchte damit erreichen, das es
nie wieder solche geschlossene Heime für Kinder gibt. Es soll eine Warnung
sein. Denn ich habe es erlebt. Mit 15 schwanger. Schule geschwänzt.
Vom Stiefvater missbraucht. Ich galt als asozial.

Dann kam ich nach Torgau in den JWH.



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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.10.2010. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Wir Kinder aus dem JWH von Annett Reinboth



Mein Buch "Wir Kinder aus dem JWH", erzählt von meinen ersten 18 Lebensjahren. Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Mein Elternhaus war ein kaputtes und krankes dazu.
Es war nur eine Frage der Zeit bis ich in einen JWH eingewiesen wurde. Viele glaubten damals das so ein Jugendwerkhof für Verbrecher sei. In meinem Buch geht es nicht darum, das ich nach dem Mitleid der Menschen schreie. Ich stelle nur in Frage, ob das was man uns damals angetan hat noch in einem gesunden Maße gerechtfertigt werden kann...

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