Ein Brief?
Im Briefkasten?
Da schau her!
Sie greift nach dem Umschlag.
Neugierig.
Die Adresse.
Handgeschrieben.
Sie lächelt.
Irritiert.
Wer tut das heute noch?
Schreibt man nicht…
Mails?
Sie reißt ihn auf.
Hastig.
Zwei Bogen Papier.
Handbeschrieben.
Blaue Tinte.
Und eine schwungvolle Unterschrift…
Sie schüttelt den Kopf.
Sie kann es nicht glauben.
Nach all den Jahren…
Er hat sie nicht vergessen.
Nein.
Und wo er ihre Adresse her hat.
Ist ihr ein Rätsel…
Sie läuft die Stufen hoch.
In ihre Wohnung.
Setzt sich auf die Couch.
Liest den Brief.
Fast ein lyrisches Epos.
Er schreibt.
Dass er in der Stadt wohnt.
Wieder.
Und sie im Web entdeckt hat.
Mit ihrer Adresse.
Das erklärt alles.
Sie lässt den Brief sinken.
Ja.
Dieses Projekt.
In dem sie sich engagiert.
Ihre Weihnachtsdekoration.
Gehäkelt und gebastelt.
So ein Zufall!
Wie er wohl darauf gestoßen ist?
Darauf?
Aber warum?
Keine Mail.
Kein Anruf.
Warum ein Brief?
Sie liest weiter.
Und dass er einsam ist.
Manchmal.
Er wollte ihre Aufmerksamkeit.
Mit dem Brief.
Eine Mail.
Sie wäre geschluckt worden.
Vielleicht.
Vom Spamfilter.
Einen Anruf.
Hätte sie nicht angenommen.
Vielleicht.
Weil sie die Nummer nicht kannte.
Aber ein Brief.
Der kommt an.
Fast sicher…
Sie legt den Brief zur Seite.
Schließt die Augen.
Romantisch.
Denkt sie sich.
Hoffnungslos romantisch.
Dabei weiß er gar nicht.
Wie sie aussieht.
Wie sie sich verändert hat.
Seitdem er weggezogen war.
Ob sie ihn sehen will?
Sie nickt.
Ihre Augen leuchten.
Und mit einem Mal.
Ist das Grau des Alltags bunt.
Schnee und Kälte.
Die spürt sie nicht mehr.
Vielleicht nur ein Traum.
Womöglich eine Illusion.
Sie lächelt.
Lebt man nicht dafür?
Vivienne
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