Inge Offermann

Verlorener Zitronenhain

Seit Generationen gehört
ein weitläufiger Zitronenhain
einer alteingesessenen
palästinensischen Familie.
Als der Ehemann stirbt
und die Kinder
eigenständig sind,
lebt nur noch die Witwe
mit ihrem Vater
im Haus am Hain
an der Grenze zu Israel.
Den Zitronenhain sehen
Israels Behörden
als Bedrohung an und
möchten ihn abholzen.
Sie verbieten der Frau,
ihn zu betreten.

Heimlich gelangt
sie doch hinein,
sammelt einige der
gelben Früchte
von den Bäumen
als man sie entdeckt
und gewaltsam entfernt.
Die Frau nimmt sich
einen jüngeren Anwalt.
Gemeinsam entwickeln
sie eine Strategie
zur Verteidigung
der Landrechte.
Dabei keimt echte
Zuneigung auf.

Sie schauen sich
tief in die Augen.
Sie putzt sein Büro,
räumt auf und
bringt ihm Blumen.
Er besucht sie im Haus
und bringt ihr Unterlagen.
Die wachsamen Männer
des Dorfes mahnen sie,
Abstand zu halten.
Sie sei Witwe und habe
das Andenken an ihren
verstorbenen Mannes zu wahren.

Das Verfahren zieht sich hin.
Ungepflückt fallen schwere
Zitronen von dunkellaubigen
Bäumen ins dürre Gras.
Keiner kümmert sich darum.
Der Frau ist das Betreten
des Haines untersagt.

Sie sieht den Anwalt erst
am Verhandlungstag wieder.
Er möchte ihr seine
aufrichtige Liebe erklären,
doch sie wehrt ab,
er solle nichts sagen,
was er bereuen könne.
Ein letzter zarter Kuss
ist der Abschied.
Sie gewinnt das Verfahren
nur halbwegs: gefällt wird
ein Teil der Bäume
direkt am Grenzstreifen.

Betroffen steht die Frau
inmitten der gestutzten
Bäume und betrachtet
die hohe Grenzmauer.
In der Zeitung liest sie,
von der Verlobung
ihres Anwaltes.
Nichts bleibt ihr
als Trauer und Leere.

© Inge Hornisch

 

Zum Film „Lemon Tree“ von Eran Riklis aus dem Jahre 2008, ausgestrahlt in arte am 02.12.2010

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