Inge Offermann

Silvester in Berlin

Nach langer Nachtfahrt
mit dem Bus erscheinen
in blauer Morgendämmerung
die Schattensäume
vertrauter Kiefernwälder,
durchsetzt mit Lichtern,
welche die verschneite
Stadt Berlin umgürten,
breite Straßen, hohe Häuser,
der Funkturm und der
noch ruhige Kudamm.
 
Stadtrundfahrt zum
Schloss Charlottenburg,
entlang der Prachtstraßen
mit Zwillingslaternen,
deren Silberlichter
gerade ausgehen.
Schollen treiben
wie weißgraue Inseln
auf halb vereisten Kanälen.
Philharmonie und Staatsbibliothek
wirken fast verloren
in weißer Häuserwüste.
 
Besichtigung eines
Meilenwerkes der Fahrkultur
mit endlosen Reihen
renovierter Autos.
Eine Verkaufsausstellung
mit Museumscharakter
im nördlichen Moabit.
In Tiergarten reiht sich
Botschaft an Botschaft.
Friedlich die jetzt noch
menschenleeren Parkanlagen.
Nur der Verkehr schiebt sich
über matschigen Asphalt.
 
Gewaltig die imposanten
Bauten im Regierungsviertel
und Unter den Linden,
romantisch gelegen,
die Museumsinsel zwischen
wasserdunklen Spreearmen.
Golden die Kuppel der Synagoge,
gläsern die des Reichstages,
rund die des Nicolaidomes.
 
Das Hotelzimmer
im Reihenhauskiez
wird nur zum
Umziehen benutzt,
dann hastig zur U-Bahn,
mehrmals umgestiegen,
die letzten noch offenen
Kaufhäuser besucht,
die bunten Stände
am Weihnachtsmarkt
mit Schmuck und Kunsthandwerk.
Rasch verfliegt der Nachmittag.
 
Schon flammen erste Lichter
in den Kudamm-Bäumen auf,
tauchen Dämmergrau in weiches Gold.
Die Silhouette der Gedächtniskirche
wirkt wie ein Schattenriss,
umgeben von buntem Treiben.
Glühweinduft, Essensgerüchen
und farbigen Lichterketten.
Entspannend sprudelt der Brunnen
im Lichtermeer des Europa-Centers.
Künstliche Zauberwelt
eines Konsumpalastes,
gebettet in Beton und Glas.
 
U-Bahnfahrt nach Zehlendorf.
Über den bekannten T-Damm
zum alten Jugendstilhaus
eines langjährigen Freundes.
Im Mansardenfenster
brennt schwaches Licht.
Hinauf die alten Stiegen,
Begrüßung und Umarmung,
kurzes Verweilen
in der Wohnung,
die mir acht Jahre
ein Zuhause bot.
 
Noch an der Wand
die hohen Bücherregale
in gedämpftem,
goldenem Licht,
das sich in den Winkeln
des weitläufigen
Raumes verliert.
Gemütliche Wärme
spendet der Kachelofen,
der Teetisch wie immer
belegt mit Gegenständen.
Stofftiere kuscheln
ich auf Sesseln.
Lasse mich auf dem
bejahrten Flokati nieder.
 
Der Freund hat sich
wenig verändert,
die Fünfzig sieht
man ihm nicht an,
er wirkt jugendlich mit
seinen blonden Locken.
Seine blauen Augen
immer noch verschmitzt,
vertraut die tiefe Stimme,
während er gerade das
Silvesterrockkonzert
auf Band mitschneidet.
 
Gang durch das abendlich
verschneite Zehlendorf,
schattenhaft die Umrisse
der hohen Kastanie.
Lampen tauchen
dunkle Wintergärten
und die Schatten
der Bäume und Büsche
in kalte Silberkegel.
 
Geplauder bei einem
Indonesischen
Gourmettraum –
Reis und Gemüse,
Fisch und Saucen
türmen sich mit
mit Früchten, Wein
und geeisten Sorbets
auf unserem Tisch.
Festlich und doch
anheimelnd die Atmosphäre.
 
Dann den Freund heimbegleiten.
Abschied vorm Haus.
Lange, intensive Umarmung,
diesen Moment empfinden,
die Vergangenheit
aufleben lassen,
bevor seine vertraute
Gestalt wieder hinter
der Tür verschwindet
und sich diese schließt,
die Begegnung selbst
Vergangenheit wird.
 
Besuch bei jungen Leuten
in ihrem neuen Heim.
Auch hier paart sich
Neues mit Vertrautem.
Durchs Fenster dringen
die ersten Silvesterknaller.
Hier wohnt Wärme,
verbannt die Schneenacht
nach draußen in die Winterwelt.
 
Überhasteter Aufbruch
eine Stunde vor Mitternacht.
Immer mehr Menschen
steigen in die U-Bahn.
Fahrt durch die halbe Stadt.
Viele steigen in
Kudamm-Nähe aus,
manche am Alex,
mischen sich mit Sekt
und Feuerwerkskörpern
unter die Menge.
 
Das neue Jahr
beginnt beim Ausstieg,
hastiger Weg durch Schneematsch,
vorbei an fröhlichen Menschen,
die Feuerwerkskörper zünden
und Leuchtgarben in die
Silvesternacht entsenden.
Im Hotel kurz anstoßen.
Übernächtigt in die Federn.
Frühstück und Morgenspaziergang,
dann lange Fahrt zurück
in den deutschen Süden.
 
Erinnerungen an
einen einzigen Tag,
der ein Wiedersehen
mit der Vergangenheit bot.
 
© Inge Hornisch
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 14.12.2011. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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