Das Geburtstagsgedicht

Mittwoch war es, nach dem Essen.
Den Mittagsschlaf musste ich vergessen.
Ich sollte schnell was zum Geburtstag dichten
für unsere hübschen Zwillingsnichten.
Etwas mit viel Liebe und Herz,
verbunden mit dem Seelenschmerz.
Über Hunger, Not und alte Zeiten
sollte ich lieber nichts verbreiten.
Dabei war das doch ihre Zeit auf Erden
und es wert, erwähnt zu werden.
Ich saß also lässig locker
auf meinem weichen Dichterhocker
und ließ die Energien fließen,
aus denen stets die Texte sprießen.
Ich buchstabierte gerade die Überschrift,
als mich der erste Hammer trifft.
Das Paketauto, trari, trara,
denn der Nachbar war nicht da.
Für seine Kisten mit Weihnachtssachen
musste ich drum drei Kreuze machen.
Der Fahrer grinste: „Oh, Analphabet,
zum Lernen ist es nie zu spät!“
Ich wollte ihm nicht die Illusionen rauben
und ließ ihn weiter in seinem Glauben.
Kaum war ich auf den Musenstuhl gezogen,
kam der Eismann angeflogen.
An der Glocke, seltsamer Weise,
verfolgt mancher die Route der Reise.
Ich sollte von ihm so viel Eis erwerben,
als wollte ich mir den Magen verderben.
Ich wehrte ab, als großen Sieg
und erschöpft des Dichters Nagelbrett bestieg.
Da sah ich vor dem Fenster zieh’ n,
das Gemüseauto, ganz in grün.
Ehe die den Klingelknopf zerteilt,
bin ich schnell hinaus geeilt.
Kartoffeln, Tomaten, Blumenkohl
brauchten wir für unser Wohl.
Nach dieser Störung schlug es Punkt drei,
prompt war die Rathaussirene mit dabei.
Als erneut meine Energien flossen,
reimte sich nichts mehr auf ‚Haifischflossen’.
Ich konnte flüstern, sprechen, schrei’ n,
mir fiel dazu einfach nichts ein.
Ich habe mich auf die Couch bewegt
und mich in Gedanken hingelegt.
Ich überlegte, irgendetwas reimt sich doch
und so lieg ich immer noch.
 
2012 ©  Wolf-Rüdiger Guthmann