Hans Werner

Die echte Freude

Die echte Freude
Eine Ballade aus alter Zeit



Der König saß mit greisem Haupte
Auf seinem güld'nen Königsthron,
Und Schmerz und Gram die Ruh ihm raubte,
Die Haare waren farblos schon.

Er ließ die Weisen all versammeln.
Die stellten sich in Ehrfurcht ein.
Darauf ließ er das Tor verrammeln,
Kein Unbefugter dringe ein!

"Ich ließ euch alle zu mir kommen,
Zu sehn, wer von euch weise ist.
Denn wisst, mein Herz ist ganz beklommen,
Und Schwermut an der Seele frisst.

Ich will euch all nur eines fragen,
Und wer mir redlich Antwort steht,
Der soll sich wirklich nicht mehr plagen,
Da er vom König wird erhöht.

So sagt mir, wo die Freude wohnet,
Die das Gemüt so frei erhält,
Oh sagt mir, wo die Göttin thronet.
Wo hält sie Hof auf dieser Welt?"

Und ratlos alle Weisen blickten
Und schauten sich so fragend an.
Doch plötzlich drei entschlossen nickten.
Der erste sich nicht lang besann:

"0h König!" sprach er "Wollt ihr spüren
Die Freude selbst im Überfluss,
So lasst Euch zu dem Festmahl führen,
Ersäuft im Wein den Gram, Verdruss!"

Der König sprach in Samt und Seide:
"Du dummer Tor, dein Kinderschnack
Verkündet eine falsche Freude;
Und bitter ist ihr Nachgeschmack."

Der zweite sprach, die andern schwiegen;
Und dienstvoll naht‘ er sich dem Thron:
"An eines Weibes Brust zu liegen,
Das ist der Sorge schönster Lohn!"

Den König schon die Frage reute,
Und müde schüttelt er den Kopf:
"Mich ekelt deine Sinnesfreude.
Geh weg von mir, du armer Tropf!"

Und kläglich traten jene beiden
zurück mit tief gesenktem Haupt.
Der dritte ließ sich‘s nicht verleiden.
Er sprach:"Herr König! Oh erlaubt,

Dass ich auch meine Weisheit künde.
Die echte Freude darf doch nicht
Verbunden sein mit einer Sünde,
Da sie der Seele Ruhe bricht!

Wer meine Freude will genießen,
Der braucht ein mildes, gutes Herz,
In Liebe soll es ganz zerfließen
Und lindern jedes Nächsten Schmerz.

Zwar muss man hier gar oft verzichten
Auf manches, was der Ichsucht dient.
Doch schlecht nur kann ich Dir berichten,
Wie rein daraus die Freude rinnt!"

Der König wurde still, erbleichte.
Er reichte zitternd ihm die Hand
Und sprach als große Königsbeichte:
"Wie schlecht war ich zu meinem Land!"

Der König hat gleich freigelassen
Die Schuldner aus dem hohen Turm,
Und Freude war in seinen Straßen
Und alles nahm sie ein im Sturm.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.12.2012. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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