Andreas Vierk

Anemonenjäger

Anemonenjäger

 

Der botanische Name geht auf die Antike zurück. Plinius der Ältere bringt ihn mit dem griechischen anemos = Wind in Verbindung. Anemona war auch eine Nymphe am Hofe der Göttin Flora. Der Sage nach soll sich Floras Gatte Zephyr, der Gott des Windes, in Anemona verliebt haben, worauf sie von der eifersüchtigen Göttin in eine Blume verwandelt wurde. Wikipedia

 

Ermonde mich nicht! Zieh deinen schwarzseidenen Handschuh, Nächtin, zieh deine schlehdornschmale Hand aus dem Laub meines Atems!

 

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Noch weiselweiß ist die Königen der Anemonenjägerinnen. Läutende Rufe dringen aus ihr hervor. Wie hören die Bienen? Nehmen sie Vibrationen wahr? Aus den Zellen jedenfalls Antworte dringen als froschiges Schlagen. All die auf Judasruf antwortenden Christusse! Die Königin läuft über die Waben und ersticht ihre Rivalinnen, die keine sind, die keine je werden. Welche keinen je werden erlösen.

 

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Der Dunkelstern nährt sich vampyrisch vom Licht, welches ihn faltertrunken umschwärmt. – Dies sei ein Bild des Glaubens und der Religion. Denn sie kennt im tiefsten Grunde keinen Dualismus und keinen Teufel. Der schwarze Keim ihrer Gründung, ihre Idee, ist der tiefe Wunsch, das Sein zu endigen. – Osiris, der kastrierte oberste Gott Ägyptens regiert als Prinzip ewigen Todes. Er ist mit der Welt bekleidet wie Xipe Totec, der aztekische Tänzer, mit menschlicher Haut.

 

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Das Farbsehen der Bienen, wie auch ihr präzises Zeitgefühl wurden von François Huber (1750 –1831) entdeckt. Huber, der blinde Forscher, war, was Johannes Kepler für die Ellipsen der Planeten, deren Harmonie und kosmische Idee, was Orpheas der Lyra, der Schriftsprache Makrijannis wurde – Mystiker, Jäger an der Peripherie der Anemonen, der Nachtmagnetismen, oh, dieser Düfte Jäger, Mathematiker!

 

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Oh, dass in der Nacht jener Mord nicht mehr sichtbar, der so voll und gigantisch damals im Dämmerlicht aufging! Kontinente und Meere jenes Gestirnes aus Blei, korallenbenetzt und sirenenumtanzt. Wie der Liebe weheste Schwere sich grämt an den Gischten, so auch das Mordlicht, wenn es sichelnd durch die Wanderdünen strich. Dies Wasser ist lange dahin gegangen, vom dunklen Neumord berührt ist's durch die Mühlräder und durch die Turbinen gezogen, lang liegt mein Leben verdurstend darnieder.

 

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Wenn sich Hornissen entschließen, einen Bienenstock einzunehmen, entsenden sie meist einen einzelnen Boten. Die Wächterinnen des Stockes gehen beiseite und lassen diesen hinein. Der riesige lebende Panzer dringt bis in den Mittelpunkt vor. Hornissen haben – wie alle Wespen – eine niedrige Körpertemperatur. Die der einzelnen Biene ist höher. Im Stock steigt, Dank des „Pumpens“ der Bienen die Temperatur auf etwa 37°, also annährend die Körpertemperatur des Menschen. Der Stachel der Bienen kann den Chitinpanzer des Hornissenboten nicht durchdringen, also bilden die Bienen eine Traube, welche den Leib der Hornisse vollständig umschließt – wie Jesus und seine Jünger brüderlich liebend Judas umschlangen – um so die Hornisse zu wärmen. Tritt der Kollaps des Lymphsystems ein, wird das tote Insekt entfernt aus dem Stock.

 

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Wer, wenn nicht die Tänzerin Nemesis, gab mir dies Milchherz anstelle des hornigen. So, die Kümmernisse arhythmisch schlagender Herzen liebend, zog ich Blumenskorpion los auf die Suche nach Wirklichkeit. Wie leicht betrügt man sich selbst! Dummheit möchte ich meiden.

 

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Wen ich küsse. Hätte der Christus sich selber ausgeliefert, mehr noch, selber Hand an sich gelegt – wie abgründig wäre das Christentum geworden!

 

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Laut Hesiods Theogoneia und vielleicht auch im Bewusstsein der christlichen Gnostiker ist das ganze Universum verschnitten. Vielleicht seit die Liebe dem Schaum seines Phallos entstieg, taumelt der Mensch in den Schatten umher, das Sehen der Zeit: es ging hingegen über auf die Biene, präzise und untrüglich selbst im verschatteten Raum, entstirnt und bar dem chtontischen Magnetismus. Mir aber blieb nur im Atem Nemesis, die Göttin der Ausgeburten, bestehn.

 

5./6. Nov. 2010

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 07.04.2013. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Andreas Vierk schreibt seit seinem zehnten Lebensjahr Prosa und Lyrik. Er verfasste die meisten der Gedichte des „Septemberstrands“ in den Jahren 2013 und 2014.

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