Margret Silvester
Das Drama von Cyrano de Bergerac
Cyrano de Bergerac - Sonett I
(in dem es um eine Notlüge geht)
Der Cyrano, die äußerst tragische Figur,
war mit seinem Spiegelbild ganz unzufrieden.
Wenn er – nachdem der Schlaf geschieden -
zur Morgenstunde vielleicht bei der Rasur
sein Antlitz vor sich sah, war es zuerst die Nase,
die ihm entgegenblickte und das Morgengrauen
zu der frühen Stunde mochte ihm den Tag versauen.
Doch dann gedachte er Roxane, der lieben Base.
Ihr waren Herz und Geist so liebevoll gewogen.
Federleicht mit Hilfe eines Gänsekieles
verfasste er auf pergamentenem Papier
Liebesreime, brenned heiß und schier.
Ja, er erdachte für die Auserwählte vieles.
Seine Liebe, die war echt, der Verfasser war gelogen.
Cyrano de Bergerac – Sonett II
(in dem es zu einem „fast“ glücklichen Ende kommt)
Dem Christian kam dies Verhalten sehr entgegen.
Bei ihm war im Gesichte alles schier und glatt,
er hatte einen Körper, der an Schönheit satt,
nur sein Geist stand wohl dem Äußeren entgegen.
Denn trotz Bemühens kam kein Reim aus seiner Feder,
so bat er Cyrano, den Freund, um Hilfe in der Not;
der war zur Stelle, brachte alles in das rechte Lot,
denn ein dreister Graf wollte Roxane ans Leder.
Das wär die schlimmste aller Möglichkeiten,
ein Graf, der Cyrano die Base stehlen wollte?
Dann lieber Christian, der ihm auch nahe stand.
Das wäre schon ein echter Unterpfand.
So fügte sich, obwohl der Graf nun grollte,
alles zum Glücke, wenn auch nur für Zeiten.
Cyrano de Bergerac – Sonett III
(in dem es zum vorerst bittersüßen Ende kommt)
Guiche, der Graf – er fühlt sich schmählich hintergangen
und zieht daraus, was er, weil er ein Graf, gekonnt:
er schickt die beiden Freunde an die Feindesfront
so hofft er, mag kein Liebesschwur mehr zu Roxane gelangen.
Doch Liebe findet immer ihren Weg im Kriegsgewirre
und manchmal auch sogar noch aus ihm raus.
Und so bekommt Roxane zweimal täglich Post ins Haus;
sie ist ob Christians „Verdummung“ nicht mehr irre
und eilt rasch, ihm gänzlich ihre Liebe zu gestehen;
der aber weiß um sein Gewissen, das nicht rein
und bittet seinen Freund, den Schwindel aufzudecken.
Da kommt zuvor die Nachricht voller Schrecken:
Christian fällt. De Bergerac lässt letzte Klärung sein;
so darf der tote Freund als Liebesheld bestehen.
Cyrano de Bergerac – Sonett IV
(in dem wir erfahren, dass alles Warten eitel ist)
In einem Kloster, abgeschieden und voll Trauer,
verweilt Roxane nun schon im vierundzehnten Jahr.
Ihr Christian ist immer noch einzig und wirklich wahr,
und ihre Liebe ist auch weiterhin von Dauer.
Ihr Cousin, so treu ergeben, überwindet ihre Mauern;
an jedem Samstag nimmt er sich für sie die Zeit.
Er hofft auf den Moment der eignen Schwächlichkeit.
Um endlich zu gestehen; mag nicht mehr nur noch trauern.
Roxane, jene Wahrheit ahnend, sitzt im Klostergarten;
es ist schon wieder Samstag und sie wird ihn fragen.
Da! Horch! schon rollt die Kutsche rumpelnd vor.
Doch Cyrano? Er wankt nun blutend durch das Tor.
Feige Meuchler! ruft er aus. Es ist sein letztes Klagen.
Fiebernd stirbt er dann. Umsonst war all sein Warten.
©Margret Silvester, April 2014 - Vier Sonette "ohne" Regeln
Der Text entstand aufgrund eines Briefwechsels (per mail, versteht sich) und hatte die Notwendigkeit einer Aufklärung über Cyrano de Bergerac zur Folge
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.05.2014.
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