August Sonnenfisch

Halte inne!

 


Halte inne!

Halte inne:
die Löcher
seien die Hauptsache an einem Sieb,
dichtete Joachim Ringelnatz einst.
Zelebriere - fern etablierter Programme -
eine zwecklos nichts-
nutzige Pause.
Eine Pause von dem Gestrüpp
des Räsonierens.
Eine anachronstische
Pause von Mobilfunk und Laptop.
Abseits auch von einem
hechelnden Hund.
Lasse dich in einem Cafégarten nieder.

Ohne eine Zeitung. Sei eine Katze.
Allein mit dir und
der Ewigkeit.
Goutiere den Duft eines Cappuccinos.
Werde der blühenden Bäume inne.
Spüre deinen Leib auf
dem Stuhl, auf
dem du dich niedergelassen.
Wende dich nach innen:
spüre deinen Atem!
Fühle, was du fühlst.
Fühle es aus, ohne in das Hamsterrad
des Räsonierens zu entfliehen:
Fühle, wie allein die Kinder
und die Narren
fühlen: sei dein Gefühl -
was immer du fühlst ...

Mit einem Mal breitet sich Stille
in deiner Seele.
Erfahre die Zeitlosigkeit
der Stille.
ETWAS IN DIR
ist der König in deinem Leben.
Dein Verstand und deine Tüchtigkeit
nur seine Lakaien.

*
Doch da sind die Grauen Herren, die deine
Tüchtigkeit versklavt,
die deinen Verstand okkupiert.
Vorbei an dem KÖNIG in dir.

Diese Grauen Herren von der Zeitsparerkasse
mit ihren runden, grauen-
voll grauen Hüten und
ihren qualmenden Zigarillos
aus geraubter und getrockneter Zeit:
Sie hassen die Muße
wie die Segler die Flaute hassen,
die Tüchtigen die Schwermut,
die Lebenden den Tod.

Diese Herren befehden die Muße,
in der du vermöchtest,
ihre Schliche zu durchschauen,
in der du vermöchtest,
du selber zu sein. Sie betreiben
den Tod deiner Originalität
durch ihr süchtiges
Mehr und Mehr.

*
Halte inne! Todesmutig! Die Löcher
seien die Hauptsache
an einem Sieb,
dichtete Ringelnatz einst.

Zelebriere eine zwecklos
nichtsnutzige Pause. Werde dem
Duft der Blumen inne.
Bestaune die Wunder
deines Atems! Fühle
deine Gefühle und fühle sie aus!
Und erfahre die Zeitlosigkeit
der Stille.
ETWAS IN DIR
ist der König in deinem Leben!





 (c)  August Sonnenfisch, 10. Mai 2015 ff


Augustinus, Bischof von Hippo (354-430): Er betete jeden Tag
eine Stunde. Wenn er viel zu tun hatte: zwei Stunden.
Wenn er sehr viel zu tun hatte: drei Stunden.


 

In dem 1973 erschienenen Roman MOMO
von Michael Ende (1929-1995)
ist die ZEITSPARKASSE DER GRAUEN HERREN am Werk.
Sie versuchen, alle Menschen dazu zu bringen,
Zeit zu sparen, und die Kinder dazu,
mit automatischem Spielzeug sich zu befassen
und mehr und mehr davon haben zu müssen.
In Wahrheit werden die Menschen um ihre Zeit betrogen:
während sie versuchen,
Zeit für später zu sparen,
versäumen sie, im Jetzt zu leben.
Denn Zeit kann man nicht sparen wie Geld.
Je mehr man versucht,
Zeit zu sparen,
desto kürzer werden die Tage und Wochen.

*

ICH HABE DICH SO LIEB
von Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
eine Kachel aus meinem Ofen schenken.
Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
leuchtet der Ginster so gut.
Vorbei -- verjährt --
doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt,
ist leise.
Die Zeit entstellt alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
DIE LÖCHER SIND DIE HAUPTSACHE IN EINEM SIEB.
Ich habe dich so lieb.



August Sonnenfisch, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.05.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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