Anita Namer

Flüchtlinge


Weil es mir am Herzen liegt, möchte ich hier darlegen, was mich zurzeit bewegt.
Ich möchte beginnen, alle zu bitten, bei allem, was ihr in der Zeitung lest, was im Fernsehen kommt oder auch im Internet steht – kritisch zu hinterfragen. Natürlich auch das, was ich hier schreibe....
Von der Politik her kennen wir, dass die Presse gerade das schreibt – wohin die Menschen gelenkt werden sollen. Das ist beim Flüchtlingsthema nicht anders. Weiter ernten die Veröffentlichungen am meisten Aufmerksamkeit, wenn sie sehr polarisiert geschrieben sind. Entweder sehr positiv – oder sehr negativ. Zudem – lenkt ein „Aufreger“ über Flüchtlingspolitik durchaus gut von anderen politischen Themen ab.
Ich hatte vor kurzem ein Gespräch mit ein paar Freunden. Viele haben Angst, was aus Deutschland wird, dass die deutsche Sprache untergeht, die deutsche Kultur, die Religion, die Wirtschaft und noch so vieles mehr. Ich möchte bitten, tief zu fühlen – ist das die Angst vor den Flüchtlingen – oder ist es unsere eigene Angst? Vielleicht sogar eine uralte Erfahrung von uns, die hier wieder hoch kommt und vor der wir Angst haben, sie wieder zu fühlen? Alle Geschichten der Welt – müssen sich nicht wiederholen. Wir haben es selbst in der Hand, wie es weiter geht.
Ja, wir wissen nicht was kommt, aber wissen wir das bei irgendetwas? Wir können fragen „Wie sehr belastet es unser System?“ oder auch „Wie wird es uns bereichern?“ Wir lernen neue Musik, neues Essen und noch so vieles mehr kennen. Diese Menschen bringen Vielfalt, andere Mentalitäten und und und…..und wir sind gefragt, offen, neugierig und verantwortungsvoll zu sein. Stellen wir uns Fragen: Wie lange gibt es Deutschland schon, wie lange die deutsche Sprache und gab es nicht immer schon Völkerwanderungen? Was ist deutsche Kultur? Ist sie nicht immer schon vermischt? Was ist Religion - und wollen alle Religionen nicht irgendwie im Grundsatz Frieden, Respekt, Ehrlichkeit und Gesundheit für den Einzelnen. Wie ist es mit Tradition, Kunst......können verschiedene nebeneinander bestehen - wenn wir lernen - unvoreingenommen die Vielfalt anzuerkennen und zu respektieren? Ich denke schon. Auch wir können von diesen Völkern lernen....vielleicht ein wenig Gelassenheit, vielleicht, dass wir nicht für alles im Leben eine Versicherung brauchen - weil man ein Leben sowieso nicht versichern kann und weil nichts im Leben wirklich "sicher" ist. Leben ist Veränderung und wenn man sich darauf einlässt, mutig immer wieder von vorne anzufangen geht es immer irgendwie weiter. Diesen Weg sind diese Menschen alle schon gegangen.
Stell dir mal vor....was es alles für Möglichkeiten beinhaltet. Machen wir uns Gedanken, wie es wäre, einen oder zwei von diesen Menschen bei uns zuhause aufzunehmen. Wie wäre es? Wie wäre es bei dir? Viele einsame, alte, aber auch Kinder, Familien …..Jeder hätte jemanden zum Reden, jemanden - der helfen kann, jemanden - zum zuhören, jemanden - von dem der Andere lernen kann und noch so vieles mehr. Fühl mal hinein?
Mir wird so viel erzählt……dieser oder jener hat erzählt…..dass „die Flüchtlinge“ so undankbar wären, alles wegschmeißen, sich nicht benehmen können…..und und und…..Ich frage meist: Hast du es selbst gesehen??? Es gibt auch bei den Flüchtlingen Vielfalt. Genauso wie bei uns. Es gibt welche, die sind respektvoll, ordentlich, hilfsbereit und - es gibt auch die, die Flegel sind, die man ermahnen muss und die versuchen, wie weit unsere Grenzen gesteckt sind. Wir bekommen vor allem die negativen Erlebnisse erzählt. Die vielen positiven Erlebnisse geschehen meist im Stillen.
Zudem gibt es einfach viele Missverständnisse. Klar prallen verschiedene Kulturen, verschiedene Religionen aufeinander. Mir wurde erzählt: Stell dir vor, da war bei der Post vor einem Schalter eine lange Schlange, fast alle waren Frauen. Da kamen ein paar Flüchtlinge, nur Männer – die gingen einfach ganz frech an der Schlange vorbei bis vorne an den Schalter und wollten dran kommen. So etwas ungehobeltes!! Meine Frage war: Und – wie haben die Deutschen reagiert? Es liegt an uns. Die Flüchtlinge haben es möglicherweise so gemacht, wie es in ihrem Land üblich war. Sie kennen es so. Das muss nicht böswillig oder Frauen-verachtend sein. Es ist einfach Gewohnheit, Unbedachtheit. Da ist der Mann am Schalter gefragt, oder die Menschen in der Schlange. Wir können den Flüchtlingen durchaus erklären, dass in Deutschland alle gleich anstehen müssen - Männer wie Frauen, keiner kommt schneller dran. Das geht höflich und wird auch respektiert. Wir haben ALLE zu lernen. Erst einmal nicht sofort zu urteilen, sondern nachzufragen, offen zu sein.
Es gibt ganz viele Missverständnisse – alleine schon wegen der Sprache. Sehr wenige können Englisch. Viele einzig arabisch, paschtu, farsi oder dari. Wir können aber trotzdem reden - mit Händen und Füßen, Augen und den Herzen – und wenn wir diese offen lassen – offen für Begegnung, offen dafür – den anderen zu verstehen, dann öffnen sich alle Türen. Ich finde – wenn wir berücksichtigten, wie viele verschiedene Kulturen hier aufeinander treffen, dann ist es schon fast ein Wunder – wie gut doch das meiste funktioniert. Auf engstem Raum, ohne Rückzugsraum für die Einzelnen. Stress in den Zelten durch Lärm, (Schnarchen, Kindergeschrei, unterschiedl. Bedürfnissen) und das über Wochen. Stell dir vor – du wirst für Wochen in ein Zelt gesteckt – mit Bayern, Franken, Schwaben, Berlinern – Menschen aus allen Bundesländern - der selbe Kulturkreis - würde es funktionieren???? Wie lange würdest du es aushalten? Ja, klar – das ist etwas anderes. Weil es etwas gibt, was alle Flüchtlinge verbindet. Die Not schweißt sie zusammen. Sie wollen Frieden und wenn wir sie immer wieder daran erinnern, WIESO sie hier her gekommen sind – genau wegen diesem Frieden – dann kann das auch funktionieren. Jedem, der irgendein Urteil fällt, irgendetwas Gehörtes weiter erzählt, rate ich, selbst in ein Lager zu fahren, einen Tag dort zu verbringen und mitzuhelfen, zu-zuhören. Vor allem den Kindern und Jugendlichen. Dann hört man ihr weinen in der Nacht, hört, was ihre Augen gesehen haben und hat eine ungefähre Vorstellung von dem, was sie erlebt haben.
Gespräche wie: Die wollen nur Markenartikel, die sind verwöhnt, die glauben sie bekommen alles geschenkt, die haben doch selber Geld dabei und sollen sich alles selbst kaufen....gibt es genug. Ja – teilweise haben sie Geld. Ja - teilweise sind sie verwöhnt. Es sind ja auch viele, die einen gewissen Lebensstandard hatten. Viele Arme können sich ja die Flucht nicht mal leisten. Das Geld, wo kommt es her? Was kann man auf so einem Weg mitnehmen? Am leichtesten Geld. Denken wir daran, dass diese Menschen ALLES zurück lassen mussten, bis auf ein paar Habseligkeiten. Fühl mal in dich hinein? Was mag ein Mensch fühlen, der sich auf so einen Weg macht? Warum nimmt man sowas auf sich? Doch nicht nur, damit es einem besser geht. Es ist eine Reise ins Ungewisse - in Lebensgefahr. Mütter schicken ihre Kinder los, in diesem Bewusstsein. Würdest du das tun? Das tut man nicht, wenn es "nur" um ein besseres Leben geht.
Was würdest du tun? Wenn du die Wahl hast selbst eine Waffe in die Hand zu nehmen oder erschossen zu werden?
Denken wir mal nach, forschen wir nach: Wer von uns hat nicht in seiner Ahnenreihe irgendeinen Teil mit einer Flüchtlingsgeschichte?
Wie viele Deutsche sind im letzten Weltkrieg in die ganze Welt hin ausgewandert? Vielleicht können wir jetzt ein wenig davon „zurückgeben“?
Denken wir an unseren Lebensstandard und daran, was diese Menschen jetzt haben. Teilweise nur ihr Leben.
Hierher kommen jetzt viele junge Menschen. Viele, die arbeiten, lernen, sich integrieren wollen. Ja, auch ihre Familien zuhause unterstützen. Sie werden in unser System einzahlen.....und alles wird anders....vielleicht auch besser.
Viele von uns waren schon mal in anderen Ländern. Haben andere Kulturen erlebt. Erinnert euch daran. Erinnert euch, was ihr vorher von dem Land gehört hattet - und was ihr dann wirklich erlebt habt. ….Erinnert euch, an die direkten Kontakte unter Menschen - und wie anders sie waren, als alles, was ihr je gehört habt. Es gibt überall die „guten“ und die „schlechten“ – deswegen – lasst uns versuchen auch die Flüchtlinge schätzen und verstehen zu lernen. Wir sind keine Deutschen, Syrer, Afghanen, Ägypter oder was weiß ich. Wir sind Menschen. ALLE.
Menschen, die sich wünschen satt zu werden, die sich ein wenig Glück und Frieden wünschen. Wir können es uns leisten zu schenken und uns an der Hand zu nehmen. Vielleicht ist es naiv…..daran zu glauben. Aber ich glaube daran, ich glaube, dass wir es schaffen. Ich glaube daran, dass wir uns vertrauen können, dass wir alle daran wachsen können – und in Frieden leben.
Dies alles kann uns so reich beschenken…….ermöglichen wir es!! Erst mal in unseren Gedanken, in unseren Gefühlen, in unseren Herzen....und dann werden wir sehen...….
© Anita Namer

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.10.2015. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Alles was uns ausmacht ist das, was wir in unser Leben mitgebracht haben und was wir in ihm erleben. Die Autorin schreibt über Gefühle, die uns im Leben so begegnen: Liebe, Freude, Trauer, Leid, lachen, weinen, hüpfen, springen, fühlen und lebendig sein. Sie möchte Impulse setzen, die die Seele berühren und zum Nachdenken anregen.

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