Andreas Vierk

Fuga vom Glanz, vom Kuckuck und vom Kolibri V-VIII





V
 
 
Glanz ist die Traube, die die Lerche bringt,
wenn sich das Sonnenrund verströmt in Schlieren,
und sich die Lippen schmal in ihm verlieren,
wenn still der Tag am Hafenkai versinkt.
 
Nur kurz am Haaransatz will’s Abend werden,
und schon verraucht es hinter meiner Stirn.
Die Schleuse hebt sich, flutet mein Gehirn.
Der Hirte treibt zum Schlaf die Lavaherden.
 
Wär nicht der Traum, es wär ein Tausendsterben:
Man schließt die Lider und die Welt ist tot,
weil sich im Samt die Lerche nicht mehr regt.
 
Doch ist der Traum. Zerbricht in Spiegelscherben.
Die Lerche schlägt erschreckt ins Morgenrot.
Glanz ist der Tau, den sie im Schnabel trägt.
 
 
 
VI
 
 
Glanz ist der Tau, den sie im Schnabel trägt,
Feldlerche, erd- und küstenwindgeboren.
Der Morgen hat die Träume abgeschoren,
der an den Herzen wie ein Heimchen sägt.
 
Der Mittag ist als Falke aufgestiegen,
taucht tausend Fingerspitzen in die Glut,
entzündet alle Nerven, alles Blut,
doch will in Wiesenrainen müßig liegen.
 
***
 
Der Abend schenkt sich selber in Tavernen,
wie er zur blauen Zeit das Sein berauscht,
das Licht einschaltet und die Schlüssel tauscht,
 
den Ausweis und die Bahntickets verlegt,
und der Revolten macht in Mandelkernen.
Glanz ist sein Lied, das durch die Nächte schrägt.
 
 
 
VII
 
 
Glanz ist das Lied, das durch die Nächte schrägt.
Glanz ist die Geige, die der Kuckuck spielt.
Glanz ist der Morgen, der in Nerven sielt,
die jähe Taube, die im Brustkorb schlägt.
 
Glanz ist der Kuckuck der Absurdität,
die Lavaspalte, eines Daseins Bruch,
der Malstrom, strudelnd im Kalenderspruch.
Glanz ist der Halbmond, der die Haut vernäht.
 
***
 
Liebfrauenminne bringt mich zum Ersticken,
Stromkästen, Dampfturbinen manchmal auch,
und auch den Schalter ein und aus zu klicken.
 
Doch manchmal ist’s ein Lied, das in mir singt,
und das du trinkst wie Kuss und Kerzenrauch.
Glanz wird mein Atem, wenn er dich durchdringt.
 
 
 
VIII
 
 
Glanz wird der Atem, wenn er dich durchdringt,
auch wenn als Kuss er dir unmöglich ist.
Das Leben spielt die Liebe als Solist,
auch wenn der Ton mitunter still verschwingt.
 
Glanz keimt im Nacken als Libellenlarve,
die auf der linken Schulter sich verpuppt.
Das Dasein, kostbar, endet so abrupt.
Der Rahmen bricht, und jäh verstummt die Harfe.
 
***
 
Noch sirrt ein Glanz auf dir, ein Kolibi,
noch spielt Musik von fern die Melodie.
Stimm ein, dass nicht der Ton in dir verklingt.
 
Für jeden Pulsschlag sollst du dankbar sein.
Der Kuss verdirbt im Mund. Nicht lange singt
der Kolibri auf deinem Schlüsselbein.

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.12.2016. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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Andreas Vierk schreibt seit seinem zehnten Lebensjahr Prosa und Lyrik. Er verfasste die meisten der Gedichte des „Septemberstrands“ in den Jahren 2013 und 2014.

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