Anette Esposito
VISION
Seit Wochen war er schon sehr krank.
Der Arzt schüttelte den Kopf,
mixte den x-ten Heilungstrank
in seinem Siruptopf.
„Ich kann nichts mehr für ihn tun,
wenn diese Medizin versagt.
Er wird davon ein wenig ruh’n.
Ob’s hilft? Das sei gefragt.“
Der kranke Mann schluckte nun brav
ein’ Löffel voll von dem Gebräu,
versank danach in tiefen Schlaf.
Der Arzt blieb auch dabei.
In seinem Traum, so kam’s ihm vor,
erschien ein helles Licht.
Er hörte einen leisen Chor,
ein Engel zu ihm spricht:
„Komm, ich zeige dir dein Leben,
wie es gewesen ist, bis heut’.
Du musst mir deine Hand nun geben,
vertraue mir. Bist du bereit?“
Der Engel zeigte ihm die Zeit,
die er längst vergessen glaubte.
Als Kind trug früh er Herzeleid,
weil Schicksal ihm die Eltern raubte.
Seine Jugend war nicht gut,
er musste schaffen wie ein Tier,
litt unter seines Meisters Wut,
bekam ein’ Hungerlohn dafür.
Das Glück war ihm nie hold gewesen,
im Krieg verlor er Frau und Kind,
konnte nie schreiben oder lesen
und war auf einem Auge blind.
„Was soll das“, fragte er nun leise,
„warum zeigst du mir dies nun?
Ich bin müde von der Reise
und möchte mich nur etwas ruh’n.“
Der Engel lächelte ihn an
und sprach in liebevollem Ton.
„was ich dir jetzt noch zeigen kann..
dein Leben morgen, in Vision.
Öffne deine müden Augen,
schau nach vorne, nicht zurück.“
Was er nun sah, konnt’ er kaum glauben,
es schien wie ein vollkomm’nes Glück.
Er stand vor einem großen Tor,
aus reinem Gold und edlen Steinen.
Ein Mann in Herrlichkeit davor,
hell wie die Sonne, tat er scheinen.
Auf seinem Haupt, die gold’ne Kron’,
schmückte sein liebend’ Angesicht.
Er sprach zu ihm: „ Komm her mein Sohn“,
Leid und Kummer gibt’s hier nicht.
Ab heute sollst du nicht mehr weinen,
vergessen Schmerzen und den Tod
Du wirst leben mit den Deinen,
in Ewigkeit und ohne Not.
Stumm verschwand der Engel dann,
lies ihn zurück, alleine stehen…
Der Arzt zündete die Kerze an,
und seufzte leis’.
Er konnt’ nun gehen.
~~Ae~~
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.11.2004.
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