Markus Geyer

kein gedicht


ich schau in deinen kopf
leere. füße. armer tropf!
in der mitte schwebt ein herz
vernarbt, hart wie eisenerz
eine niete, gelöst, schwächt die naht
nicht verschweist, geflickt mit draht
so kann ich durch die spalte schauen
drinnen liegt ein knabe, tot. ein grauen.
sein kopf: zerschossen. die waffe in der hand.
werther ist's. da lehnt er. zerschossen. an der wand.
in der anderen hand: seine briefe. lotte wollt sie nicht.
da wollt er nicht mehr. schrieb eine nachricht: "kein gedicht"

da frag ich: "kein gedicht? es reimt sich doch!"
er schaut mich an. ohne gesicht. (hat er ja zerschossen)
"dann lassen wir das reimen" sagt er. "das leben reimt sich nicht."
"und was machst du da, in ihrem herz?" frag ich ihn.
"ich faule. lös mich auf. ich bin der tote poet.
hab mich erschossen, die waffe hielt nicht ich.
bald bin ich weg. dann ist auch dieses herz leer."
"ja, man kann auch mit totem herz leben.
und dabei ist man zumindest nicht unglücklich"
"ja. und mit leerem kopf ist man viel glücklicher"
erwidert er.
und sagt:
"aber du kannst gar nicht mit mir reden.
ich bin tot. außerdem kann man nicht in fremde herzen schauen."
natürlich. und tote poeten schreiben keine gedichte!

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.06.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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