Richard von Lenzano

Zähneknirschen

 

 
 
 
 
 
 
 
Meine Frau hatte starke Zahnschmerzen
und sie bekam umgehend beim Zahnarzt einen Termin.
Dieser rückte heran und am Tage des Geschehens
putzte meine Frau ihre echten und unechten Zähne gründlich,
man will sich ja nichts nachsagen lassen.
Dazu kam dann noch ein wenig Mundwasser
und ab ging es - zum Zahnarzt.
 
Nach erfolgter Anmeldung verbrachte sie diverse Zeit
mit anderen Patienten im Wartezimmer.
Irgendwann, so nach 2 Stunden wurde sie in einen
Behandlungsraum geführt.
Man legte sie flach und sie bekam ein
Plastik-Lätzchen um.
 
Nachdem sie dem Zahnarzt ihre Probleme
geschildert hatte, machte dieser eine große
Inspektion des Ober- und Unterkiefers.
Die Helferin notierte sorgsam alle beanstandeten
Reparaturstellen in ihren Computer.
Danach drückte sie auf „Enter“ und der Computer
meldete mit monotoner Stimme:
„Bitte das Röntgen nicht vergessen“!
 
Freundlich wurde meine Frau aus ihrer liegenden
Haltung befreit und in den Röntgenraum geleitet.
Nach erfolgter Panoramaaufnahme durfte sie
wieder auf ihrer Plastikauflage Platz nehmen.
Diese war inzwischen kaum abgekühlt und
entbehrte nicht einer gewissen Feuchtigkeit,
welche sofort durch die Kleidung meiner Frau
wieder aufgenommen wurde.
 
Der Zahnarzt nahm den Zahnersatz heraus und
besah sich diesen genau und von allen Seiten.
Er desinfizierte die Teile penibel und legte
sie auf eine farbige Unterlage.
Er holte seine digitale Kamera und machte Bilder
von allen Seiten des Zahnersatzes.
Anschließen führte er eine Mini-Kamera
in die Mundhöhle meiner Frau und
filmte Ober-sowie Unterkiefer.
 
Innerhalb von Sekunden wurden Bilder und
Filme von der Software digitalisiert und
erschienen dann in Farbe auf dem Monitor.
Arzt und Helferin starrten gebannt auf die Bilder
und schüttelten leicht die Köpfe.
Nach einigen Sekunden sagte der Arzt zur Helferin:
„Bitte Auswertung“!
Sie drückte zwei Tasten – danach auf Enter  -
und der Computer reagierte sofort mit der Äußerung:
„Totalsanierung Ober- und Unterkiefer sowie
Erneuerung des Zahnersatzes unbedingt erforderlich“!
 
Es muss dabei jedoch eine kleine Panne aufgetreten sein,
denn der Lautsprecher war zu laut gestellt so dass
meine Frau auch den Rest der Ansage hören konnte:
„Gesamtkosten 6.000,00 Euro - davon  Laborkosten und
Behandlungskosten 1.500,00 Euro, Materialkosten  500,00 Euro,
Gewinn vor Steuern 4.000,00 Euro -
bitte Patientin unbedingt von der Notwendigkeit überzeugen“!
 
Freundlich kamen Arzt und Helferin zu meiner Frau zurück
und man besprach die festgestellten Mängel.
Nachdem meine Frau bestätigt hatte, dass sie Privatpatienten sei
durfte sie den Behandlungsplan unterschreiben,
wobei ihr aber aufgefallen war, das ganz unten ein
kleingedruckter Zusatz stand:
„Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Gesamtkosten bis
um 10 Prozent erhöhen können“.
Die Nachfrage beim Arzt ergab, dass er lapidar meinte:
„Bisher haben wir fast immer die Kosten einhalten können“.
 
Das war dann die erste Sitzung und meine Frau bekam einen
Termin für die nächste Woche.
Dieser Termin begann damit, dass die Helferin den mehr oder
weniger vorhandenen Zahnstein versuchte zu entfernen.
Dem Einwand meiner Frau, dass dies doch erst vor 6 Wochen
zuletzt erfolgt sei, wurde entgegengehalten, dass sie das doch
gar nicht sehen könne, und auf jeden Fall gemacht werden müsse.
Wir wissen bis heute noch nicht, was man bei meiner Frau
von den noch vorhandenen Zähnen entfernt hat.
Dann wurden noch diverse Abdrücke des Ober- und Unterkiefers
abgenommen und die erste Sitzung war beendet.
 
In der Folgewoche wurde dann kein Zahnstein mehr entfernt.
Es ging sofort an das  „Eingemachte“ und die neu gefertigten
Prothesen wurden eingepasst, herausgenommen, abgeschliffen
neu eingesetzt und wieder abgeschliffen und gerichtet –
bis sie endlich passten.
Nachdem meine Frau alles unterschrieben hatte und die Daten
in den Computer eingelesen waren äußerte sich dieser:
„Bitte warten, die Rechnung wird sofort zweifach ausgedruckt“!
Meine Frau sah den Zahnarzt an und dieser versuchte zu erklären,
dass die Postzustellung zu teuer und die Zustellung
durch die Hilfskräfte zu unpünktlich sei.
 
 
Wir haben dann, nach einer Anstandsfrist von drei Wochen,
die Zahnarztrechnung per Internet überwiesen.
Allerdings einen Betrag von 10 Prozent einbehalten,
falls meine Frau Folgebeschwerden bekommen würde.
Nachdem dies nicht der Fall war, haben wir den Rest
anstands- und kommentarlos auf das Arztkonto überwiesen.
 
 
 
 
 
Ja, nun hatte meine Frau ein total saniertes Esszimmer,
während ich mit meiner unvollständigen Kauleiste
auch noch an die Reihe kommen sollte.
Nachdem wir das Geld zusammengespart hatten,
meldete ich mich beim Zahnarzt meiner Frau an.
Vermutlich in Anbetracht des winkenden Gewinnes
erhielt ich innerhalb kürzester Zeit einen Behandlungstermin.
Ich erschien dann auch pünktlich und es lief genauso ab,
wie damals bei meiner Frau.
Ich spitzte die Ohren als der Computer sagte:
„Gewinn vor Steuern: 6.000,00 Euro“!
Mir lief der Schweiß kalt den Rücken hinunter, denn ich
konnte mir ungefähr ausrechnen, wie die Gesamtrechnung
aussehen würde.
Dann kam die Helferin und wollte den Zahnstein entfernen,
als mir der Kragen platzte. Ich blökte sie an:
„Sie, ich habe nur noch 6 Zähne im Ober- und Unterkiefer,
da ist nicht mehr mit Zahnstein“!
 
„Wenn Sie nicht wollen“, meinte sie, „dann eben nicht“.
Ich stand auf, verabschiedete mich knapp und verließ
die Zahnarztpraxis.
 
Irgendwann in den nächsten Wochen habe ich mich dann
in die Universitäts-Zahn- und Kieferklinik begeben -
und mich dort behandeln lassen.
 
Die Behandlungskosten betrugen nur 2.000,00 Euro.
 
Wieso?
 
Ich habe mir meinen Ober- und Unterkiefer operativ ändern lassen.
 
Meine Frau und ich tragen jetzt dasselbe Gebiss.
 
Meine Frau vormittags – und ich nachmittags.
 
Während der Mahlzeiten geht es wechselweise.
 
Einmal isst zuerst meine Frau und dann ich
und bei der nächsten Mahlzeit – ist es umgekehrt.
 
Es hat sich eingebürgert, dass jeder von uns, so er will, das Gebiss auch einmal über Nacht tragen kann.
 
 
 
Es klappt wunderbar.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Richard von Lenzano
© 01/2207

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 08.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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