Leo Hamacher

Birnbichler Josef

Wer schreitet so spät durch Nacht und Wind?
Was tut er, was treibt er?
Sucht er die seinen, den Ort wo sie sind?
Er geht immerfort und nirgends bleibt er.
  
Die Nacht ist so dunkel,
von Grusel durchdrungen.
Kaum erscheint eines Lichtleins Funkel,
wird's schon von Schwärze verschlungen.
  
Mehr ahnen kann man sie
und selt'ner erblicken,
sie sind mal da, sie sind mal hie,
den nächtlichen Wand'rer zu zwicken.
  
Warzige Mumen, Kapuzenmänner,
zu erblicken, zu ahnen,
bezwingbar, wenn, dann nur vom Kenner,
huschen dahin auf nebligen Bahnen.
  
Vom Berufsstand wegen sei er ein Tischler,
sein Name kombiniert die Birne, den Bichler.
Vor dem Birnbichler werd' er Josef genannt
und sei obendrein auch noch stadtbekannt.
  
So stellt' er sich vor,
so hat's die Nacht ihm erlaubt,
in die er sich verlor
und verloren geglaubt.
  
Woher er gekommen, wohin er nun wolle,
kann er doch nicht sagen.
Dass es schon seine Richtigkeit haben solle,
versucht er zu hindern das nächtliche Fragen.
  
Außerdem sei er, man hör' es doch deutlich,
zu sehr mit dem Rufen der Mumen beschäftigt,
so dass er nicht dienen könne, rein zeitlich.
Durch der Kapuzenmänner Ton wird das bekräftigt.
  
In ihrer garstigen Lust, die nächtlichen Geister
trachten danach, Schrecken zu verbreiten.
Ohne Weisung von einem Herrn oder Meister
lassen sie sich vom Unfuge leiten.
  
Der Birnbichler Josef ist nun ihr Ziel,
sie sehen ihn, sie wollen sein Grauen.
Der Fluchtversuch nützt ihm nicht viel,
sind doch hier die Bösen die Schlauen.
 
Was ihm da jetzt droht
birgt keinerlei Nutzen.
Nun etwas zu tun tut Not!
Man will alle Glieder ihm stutzen!
  
Sein gellender und dennoch lautloser Schrei,
ohne in Richtung von Hilfe zu zielen,
ruft deshalb schon keine solche herbei
und so ist es auch sinnlos, danach zu schielen.
  
Sie bedrängten ihn nun in einem fort,
nichts versteht er und fühlt sich wie tödlich,
nur Ton ist zu hören, zerflossen das Wort.
Zu begreifen erfolglos, sei die Müh' noch so redlich.
  
Noch ist Birnbichler in Gänze erhalten,
noch haben sie ihn nicht, noch muss er schmoren,
noch kann er zum Beten die Hände falten,
noch gibt er fähig den Beinen die Sporen.
  
Hinauf eine endlose Treppe läuft er,
wie aus dumpfen Rohren geboren ihr Rufen
verfolgt ihn über Dutzende Stufen,
Angst und Schweiß, kalt und heiß, häuft er.
  
Gelandet ist er auf einem Dache,
völlig allein und doch von vielen umgeben,
das Böse auf seinem Pfade mit lautem Krache
verdichtet seine Furcht um sein hetzendes Leben.
  
Geheuer ist es auch nicht am hohen Orte.
Wie in sich versunken und doch im Mittelpunkt stehend,
ausgestellt wie eine Kirsche auf einer schwersüßen Torte,
Mut plötzlich fühlend aber immer noch flehend.
  
Wird dieser Spuk bald ein Ende nehmen,
sich all das Erlebte als Trugbild erweisen?
Oder wird das Übel ihn schließlich lähmen
und seine letzte Wehr vereisen?
  
Vergebliches Hoffen, berechtigtes Bangen -
sie kommen, sie haben ihn endlich gestellt,
sie brauchen ihn nicht einmal mehr zu fangen,
ein letztes stummes Schreien gellt.
  
Birnbichler, umringt von Kapuzen und Warzen,
sieht unwiderruflich sein Ende kommen.
Versinkt in einem Loch, einem schwarzen
und erwacht, noch recht ziemlich benommen.
  
Kaum, dass er sich fühlt ein wenig bei Sinnen,
kaum hat er erfasst, was wirklich passiert',
sind alle Ängste und Nöte von hinnen,
ist Birnbichler wieder ganz ungeniert.
  
Recht eigentlich könne ihn so was nicht schrecken,
erklärt' er, wieder selbst und bewusst.
Gar nicht gebraucht hätt' es, ihn zu wecken,
da das alles doch gar nicht auf Tatsachen fußt. 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.01.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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