Avelina Riru

Verborgenes



Tief liegst du verborgen,
unendlich tief vergraben,
in einer dunklen Kammer,
da lebst du vor dich hin.
Den Schlüssel hab ich weggeworfen,
will nicht, dass du jemals kommst hervor,
verschließe meiner Seele Tor,
will nicht, dass du mir zu nahe kommst,
denn du machst für mich keinen Sinn,
hast keinen Nutzen mehr für mich,
niemals spüren möcht ich dich.

Du schläfst tief und fest in mir,
und doch bist du ständig wach,
spürst, wenn du still sein musst,
weißt, wann du ruhig sein musst,
und du fühlst, wann es Sinn macht,
weißt, wann du es wagen kannst, wann du es schaffst,
die Flucht zu versuchen,
aus deinem Gefängnis zu entkommen,
dich in mein Bewusstsein zu drängen,
mich gegen meinen Willen lässt Dinge erkennen,
ich kämpfe zwar weiter gegen dich an,
versuche, stark zu sein, mächtiger,
Deiner Herr zu sein, Kontrolle über dich zu haben
so wie sonst auch...
Aber du erkennst meine schwachen Momente...

Und dann, manchmal, da bist du stärker noch als ich,
kämpfst und gewinnst gegen mich,
da durchbrichst du meine unsichtbare Mauer,
schlägst die Tür ein, kommst aus meinem Schatten hervor,
trittst in mein Bewusstsein herein,
weckst all das was ich möcht vergessen;
Leid, Schmerz, Wut, Traurigkeit...
sie sind deine Verbündeten,
deine Weggefährten, deine Brüder...

Und ich fange an, nachzudenken,
mich an dich zu erinnern, dir Aufmerksamkeit zu schenken,
über dein Dasein nachzudenken,
den Sinn und Unsinn meiner Flucht vor dir -
oder ist es Flucht vor mir?
Bist du in Wirklichkeit bloß ich?
Willst du gar nicht mal verletzen mich?
Doch wieso tust du dann so weh, bringst Leid, bringst Schmerz,
lässt mich weinen, lässt mich traurig sein,
lässt mich erinnern an Dinge, deren Erinnerung ich verdränge?
Wieso bist du da, wieso erträgst du das alles,
wieso ziehst du ein Leben in Gefangenschaft der Freiheit vor?
Nur, um mich zu quälen? Um mich leiden zu sehen? Mich mutlos, hoffnungslos zu sehen?


Und wenn du ein Teil von mir bist,
wieso fühle ich das dann nicht?
Wieso bist du dann so anders, als ich es will?
Wieso hast du dann deinen eigenen Verstand, deinen eigenen Willen?
Wieso kannst du nicht einfach so sein wie ich dich mir wünsche?
Ich müsste dich nicht wegsperren, nicht verstecken, nicht im Dunkeln leben lassen...

Aber was, wenn ich das nicht täte, was wäre dann?
Was passiert, wenn ich dich frei lasse? Weil ich es will,
wenn ich dich akzeptiere, als Teil von mir,
was wäre dann? Würde es trotzdem noch so weh tun, dich in meiner Nähe zu wissen?
Dich zu sehen, zu fühlen, zu spüren, anzunehmen?
Oder würde es leichter sein, dich zu kontrollieren,
wenn ich aufhöre, zu versuchen, dich zu bezwingen?
Würde ich dich mit der Zeit von ganz allein besiegen?
Geht das, dich besiegen, und doch zu akzeptieren,
und wenn du immer da bist, wird es mit der Zeit erträglicher?
Denn dich beherrschen zu wollen kostet so viel Kraft...
Kraft, die ich nicht habe, nicht mehr aufbringen kann,
nicht mehr habe, nicht so viel, wie alle denken,
bin nicht so stark, wie alle glauben,
will nicht so kalt sein, wie ich vorgebe zu sein...

Ich will dich nicht mehr sehen,
und sehe ich umso mehr,
ich will deinen Schmerz nicht fühlen,
und fühle ihn umso mehr,
ich will dein Leid nicht ertragen,
und muss es erleiden umso mehr,
ich will deine Trauer nicht mehr spüren,
und spüre sie umso mehr,
ich will wegen dir nicht mehr weinen,
und weine umso mehr,
ich will dich nicht haben,
und brauche dich umso mehr...

Denn du, du gehörst zu mir, das weiß ich jetzt,
und würdest du fehlen, würde ein Teil von mir fehlen,
der Teil, der mich stärkt,
auch wenn es mich schwächt,
der mich vor Fehlern bewahrt,
auch wenn ich es trotzdem falsch mache,
der Teil, der mir alles vor Augen führt,
auch wenn ich es nicht sehen will,
der mich öffnet,
auch wenn ich verschlossen bleiben will.
Du bist das, was die Wahrheit zeigt,
mich aus einer Traumwelt reißt,
auch, wenn diese von mir geschaffene, gewünschte Welt so friedlich, so frei ist,
und die Wahrheit so schrecklich schmerzhaft und erstickend,
so weiß ich doch, dass dieses schöne, friedliche, nichts ist als Schein
Und die Wahrheit das wahre Sein. Meine wahre Welt, mit allen Fehlern. Deine Welt. Unser Sein.

Trauer, Schmerz, Wut, Leid, Verzweiflung und Gefangensein-
das spüre ich, wenn du da bist, das gibst du mir, wenn du mir zu nahe kommst.
Das sehe ich in dir;
Das Leid, den Kummer, die Unfreiheit, den Schmerz, die Hilflosigkeit, die Einsamkeit...
Doch eigentlich ist all das nur da, weil ich mich so sehr gegen dich wehre.

Denn all das machst du nicht,
gibst du mir nicht nur, lässt mich nicht nur fühlen, um mir wehzutun,
all das machst du eigentlich gar nicht absichtlich... ich glaube es nur,
bilde mir ein, du willst mich unglücklich machen, mein Leben zerstören,
und doch weiß ich es besser, tief in mir drin, so tief wie du, und doch so weit oben,
denn all das machst du nicht, willst du nicht, gibst du nicht, symbolisierst du nicht,
sondern all das BIST du,
du, meine tiefste Angst.
 
(11.09.2006) 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.03.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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