Ulrike Reich

24. Dezember - oder Frau Weihnacht

 
An diesem Abend sitz' ich still in meinem Zimmer
und schau' den Lichterbaum, so schön, so hell.
Er strahlt genau so klar und rein wie immer,
doch die Gedankenflut in meinem Kopf rast schnell.
 
Die Tür geht auf, herein kommt jene Alte,
zerfurcht von Falten, schwarz ist ihre Tracht!
So steht sie da, in jener Türenspalte,
ich wusste gleich, es war Frau Weihnacht.
 
Die Tränen laufen heiß aus ihren Augen,
sie sieht mich an und fleht verzweifelt, stumm,
als ob sie fragen wollte: "Kannst Du noch glauben?
Ehrst Du mich alte Frau, und weißt Du auch, warum?"
 
Da falten zum Gebet sich meine Hände,
und was sich Bahn dann aus dem Innern bricht,
das hören außer mir nur die vier Wände,
dass jetzt mein Mund den Weihnachtswunsch ausspricht.
 
"Oh lass die Weihnacht wieder Weihnacht werden,
nicht einen Tag nur, nein, ein ganzes Jahr!
Soll Frieden rationiert sein hier auf Erden?
Frau Weihnacht soll so schön sein, wie sie einmal war.
 
Oh lass mich Liebe geben nicht an einem Tage,
weil das gerad' so im Kalender steht.
Mein Herz, es spricht schon lang die bange Frage,
wann Hass und Neid und Streit zu Ende geht.
 
Ach lass die Kinder nicht mehr Hungers sterben,
gib deren Mütter wieder Zuversicht.
Und lass Gefang'ne wieder Freie werden.
Ja - leuchten soll den Trauernden ein Licht.
 
So nimm die Waffen weg noch heute,
die, ach so grausam, eingeimpft ihr Ziel.
Vertilge diese mordlustgier'ge Meute,
Raketen schmelz' zu einem Glockenspiel!
 
Und, bitte, gib uns wieder guten Regen,
der Labsal nur vom Himmel bringt.
Dies wär' für unsern Wald ein Segen.
Oh Gott, ich weiß doch, dass es DIR gelingt.
 
Spiralengleich soll'n meine Worte fliegen
zu Dir, Du Schöpfer dieser schönen Welt.
Es kann das Böse doch nicht siegen,
wenn Deine Macht und Kraft uns hier erhellt.
 
Oh lass die Weihnacht wieder Weihnacht werden.
Den Sinn erkennen sollen Jung und Alt.
Die Botschaft 'Friede Euch auf Erden'
dann wieder überall und stark erschallt.
 
Doch Vater, Du, so voller Lieb' und Walten,
um eines bitte ich ganz inniglich:
Lass mich vor allem all dies halten,
lass mich vorangeh'n ewiglich.
 
Gib mir die Kraft, dies alles einzuhalten
und auch den Mut, denn es ist schwer,
in dieser schönen Welt, der alten,
für Dich zu streiten ohne Friedensheer."
 
Doch, als ich nun mein Amen sprechen wollte,
da stand die Alte wieder dicht bei mir
und sagt: "Du tatest, was ich sollte,
gerade deshalb komm ich auch zu Dir.
 
Wir wollen treu die Werbetrommel schlagen,
Millionen Menschen klinge sie zur Nacht.
Sie soll'n sich alle, alle um uns scharen,
und feiern wieder Heilige Weihnacht!"

Das Gedicht habe ich 1982 verfasst. Ich war 18 Jahre alt und besuchte die kaufmännische Berufsschule. Wir mussten für den Religionsunterricht eine Hausaufgabe schreiben, ein Gedicht oder eine Geschichte. Da damals, wie jetzt gerade, Weihnachten "vor der Tür stand" und ich mir über alles mögliche Gedanken machte, kam mir "Frau Weihnacht" in den Sinn. Ulrike Reich, Anmerkung zum Gedicht

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 04.12.2007. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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