Richard von Lenzano

Ein unauslöschliches Erlebnis

  
 
Ein unauslöschliches Erlebnis
(eine autobiographische Erfahrung)
 
 
 
 
 
Es war so, wie fast jeden Abend.
Meine Frau Anne sagte mir gute Nacht und ging zu Bett. Da meine Zeit noch nicht gekommen war, sah ich noch etwas fern, um mich etwas abzulenken. Wir hatten vor, am anderen Morgen mit unserem gemischten Chor zusammen nach Hameln zu fahren, um dort unseren Partnerchor zu besuchen. Die Fahrt sollte mit einem angemieteten Bus durchgeführt werden und wir freuten uns schon seit langem auf diese zweitägige Wochenendtour.
 
Oben im Haus wohnt mein Sohn Rolf mit seiner Familie, auch dort war bereits Ruhe eingekehrt.
Nachdem das Fernsehprogramm uninteressant geworden war, machte ich das Gerät aus, ging ins Badezimmer, und legte mich gegen 01:00 Uhr zu Bett, wo ich auch innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen war.
 
Im Nachhinein recherchiert, wachte ich gegen 04:00 Uhr auf der linken Bauchseite liegend auf. Ich hatte wahnsinnige Herzschmerzen und das Gefühl eines stählernen Panzers im gesamten Brustkorb. Beide Hände hatte ich gegen den linken Brustkorb gepresst, während mich gleichzeitig eine unheimliche Todesangst umfing.
Mein Herz raste wie verrückt und mein Herzschlag machte Sprünge und setzte ab und zu sogar ganz aus.
 
Wie paralysiert lag ich im Bett, nicht in der Lage, mich zu bewegen. Ich flehte Anne um Hilfe an, ohne dass von dort eine Antwort kam. Plötzlich befand sich eine mir gut bekannte Person neben meinem Bett. Ich erkannte meinen vor drei Monaten verstorbenen Nachbarn Wolfi und sagte zu ihm, dass ich mit ihm kommen würde. Er streckte mir eine Hand zu. Als ich danach greifen wollte, fiel ich aus dem Bett und konnte mich mühsam aufrichten.
 
Ich schleppte mich ins Wohnzimmer, legte mir das Blutdruckmessgerät um das Handgelenk, und setzte es in Betrieb.
Als ich die Werte ablas, erhielt ich fast einen Schock, denn es zeigte folgendes an:
RR 210, HF 190 und den Puls mit 185 Schlägen.
Ich ging ich zum Treppenaufgang ins Obergeschoß und rief nach meinem Sohn.
Er kam sofort herunter, sah mich, erkannte die Situation, und rief sofort den Notdienst über 112 an.
 
Währenddessen saß ich auf einem Stuhl und lehnte mich auf den Tisch. Beide Hände hatte ich auf die linke Brustseite gepresst, um den Schmerz zu lindern. Ich hatte das Gefühl, als wenn meine linke Seite von einem Panzer umgeben wäre. Das Herz schlug so stark, dass ich es bis in beide Hände verspürte.
 
Als der Rettungswagen und der Notarztwagen vor Ort erschienen, legte man mir rechtsseitig einen Venenzugang in die Hand und leitete mir Flüssigkeiten zu. Gleichzeitig erhielt ich vom Arzt Morphium gegen die Schmerzen gespritzt. Trotzdem lies der Schmerz nicht nach und ich hatte Todesangst und meinte, dass meine letzte Stunde schlagen würde.
Von allen Seiten redete man beruhigend auf mich ein, was aber im Moment nicht viel half. Meine Gedanken waren wirr und ich konnte momentan keinen klaren Gedanken fassen.
 
Ich wurde verkabelt und danach legte man mich auf die ins Haus gebrachte Trage. Anschließend kam ich in den Krankenwagen, erhielt Sauerstoff und wurde dort an die Monitore angeschlossen. Nachdem man mich stabilisiert hatte, fuhr man mich in das Krankenhaus nach Oldenburg.
 
Dort erfolgten zunächst alle Schritte zur Bekämpfung eines Herzinfarktes. Anhand der Blutuntersuchung stellte man dann fest, dass der Trop-T-Test negativ verlaufen war, d.h. die typischen Merkmale für einen Herzinfarkt fehlten.
Folglich ging man nun von einer angina pectoris aus und behandelte mich entsprechend.
Aufgrund meines Zustandes sollte dann noch eine Kontrastdarstellung der Herzkranzgefäße in Form eines Herzkatheters durchgeführt werden. Da dies in Oldenburg leider nicht möglich war, wurde ich mit einer Taxe nach Eutin in die dortige Klinik verlegt.
 
Ich wurde vom Kardiologen belehrt und habe alle erforderlichen Formulare unterschrieben. Es sollte eine Gefäßdarstellung durchgeführt werden, bei Bedarf sollten dann notfalls erforderliche Stents gesetzt werden.
Noch während der Untersuchung teilte mir der Arzt mit, dass man hier nicht mehr mit Stents arbeiten könne, ich müsste dringend einige Bypässe bekommen, da die Hauptgefäße bereits zu sehr geschädigt seien.
 
Folglich ging es recht schnell mit mir, ich hatte strikte Bettruhe und durfte keinen Schritt ohne Begleitung machen. Liegend, in einem Krankenwagen, wurde ich auf meinen Wunsch, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein zugeführt und dort dann stationär aufgenommen.
Am nächsten Tag sollte dann die Operation stattfinden. War aber nicht so, da ein Notfallpatient mit einem Aneurysma Vorrang hatte. Aber am nächsten Tag stand ich morgens um 07:00 Uhr als erster auf dem OP-Plan.
 
Da ich bereits am Vorabend am gesamten Körper rasiert worden war, zog ich mein typisches Krankenhaushemd an und hatte eine Beruhigungspille zu schlucken.
Kurz danach trat die Wirkung des Medikamentes ein und ich lag fast desinteressiert in meinem Bett, als man mich von meinem Zimmer in den OP-Trakt fuhr. Aufgrund meiner bisherigen Klinikerfahrungen hatte ich keinerlei Ängste, ich wusste, was auf mich zukommen würde.
 
Ich unterhielt mich nett mit den Anästhesisten, die mir am rechten Unterarm einen Zugang legten. Gleichzeitig wurde ich an Brust und Seiten verkabelt, es wurden Elektroden für die Überwachung auf die Haut geklebt. Einer der Anästhesisten lachte mir dann zu und meinte, ich soll an etwas Schönes denken. Im selben Moment hatten sie mich abgeschossen, meine Gedanken gingen ins Leere…
 
Irgendwann, ein Zeitgefühl hatte ich nicht, wachte ich auf, und erkannte, dass ich mich auf der Intensivstation befand. Als erstes stellte ich fest, dass ich die Operation überstanden und überlebt hatte. Meine rechte Hand tastete sich zur Brust und bemerkte dort einen Verband und viele Kabel bzw. Schläuche. Ich wollte die linke Hand bewegen, zuckte aber sofort zurück.
 
Ein fürchterlicher Schmerz schoss in mein linkes Handgelenk und trieb mir Tränen in die Augen. Ich schrie vor Schmerz auf und rief einen Arzt zu mir.
Er teilte mir mit, dass man aus dem linken Unterarm eine Arterie (A. radialis) entnommen hätte, um diese als Bypass zu benutzen. Zu den Schmerzen befragt teilte er mir mit, dass diese in den nächsten Tagen vergehen dürften.
 
Aufgrund der vielen Medikamente und Infusionen konnte ich mich nicht weiter konzentrieren, lies mich treiben und fiel in einen Tiefschlaf.
Irgendwann wachte ich durch Gemurmel und Unruhe an meinem Bett auf. Schemenhaft sah ich verschiedene Herren in weißen Kitteln. Ich fokussierte meinen Blick auf eine Person und erkannte meinen Operateur.
 
„Sie müssen tief und regelmäßig atmen und nicht immer so husten“
 
Das war ein guter Satz. Ich in meiner halben Bewusstlosigkeit soll ich gezielt Dinge tun, die ich gleich wieder vergessen habe, bzw. die vom Unterbewusstsein gesteuert werden.
 
„Außerdem haben wir ein tachykardes Vorhofflimmern festgestellt, es wird durch Optimierung der Elektrolyte und Medikamente behandelt. Sollte dies nicht zügig gelingen müssen wir das Herz mit einem Schock in den erforderlichen Sinusrhythmus konvertieren.“
Auf Deutsch hieß das, wenn das Herz nicht langsam beginnt, gleichmäßig und konstant zu schlagen, dann muss es durch einen kurzen Elektroschock dazu aufgefordert werden.
Wer nun mehr Angst davor hatte, mein Herz oder ich, weiß ich nicht. Ich habe aber zwanzig Minuten vor dem Termin gehört, wie der Ton meines Überwachungmonitors kurz zweimal piepte und dann in einem gleichmäßigen Piepton verfiel.
 
Nach vier Tagen wurde ich dann von der Intensiv- auf die Pflegestation verlegt. Bei der nächsten morgendlichen Visite, wies ich den Professor auf das Problem mit meiner linken Hand hin. Ich konnte die Hand immer noch nicht benutzen und die Schmerzen waren erheblich, wurden nicht weniger.
Er leitete daraufhin weitere Maßnahmen ein, in deren Verlauf der Oberarzt der Neurologie bei mir schien und die Hand untersuchte.
Es wurde festgestellt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei der Entnahme der Unterarmarterie (A. radialis) ein Nerv mit eingenäht worden war.
 
Zwei Tage später fand eine Revision statt und man stellte fest, dass tatsächlich ein Haarnerv in einen Knoten der Innennaht geraten war. Kismet…
Jedenfalls war direkt nach der Operation meine linke Hand wieder zu gebrauchen, allerdings leide ich noch heute unter den Nachwirkungen des eingenähten Nervs.
 
Ich war in einem Zweibettzimmer untergebracht und mein Bettnachbar und ich wurden laufend durch Monitoring überwacht. Das ging so weit, dass die entsprechenden Daten und Kurven auf einem Übersichtsgerät im Schwesternzimmer übertragen wurden. Fiel einer der Wert aus oder verschlechterte sich, gab es im Kranken- und Schwesternzimmer einen Warnton (Alarm).
 
Eines Nachts, werde ich gegen 04:00 Uhr wach, der Nachtpfleger war ins Zimmer gekommen lief zu meinem Bettnachbarn hin und rief in namentlich an, dann tätschelte er ihm in das Gesicht, erhielt aber keine Reaktion. Sofort lief er auf den Flur, rief seine Kollegin, und die Wiederbelebungsmaßnahmen begannen sofort. Innerhalb ganz weniger Minuten war das gesamte Rettungsteam der Herzklinik im Zimmer.
 
Ich, der noch nicht laufen durfte, wurde mit dem Bett an die Seite geschoben, um Platz für die Rettungsmaßnahmen zu bekommen. Ich erspare mir hier weitere Details, es war für mich fürchterlich. Zumal ich die Deadline auf dem Monitor sah, die erst nach mehrfachem Gebrauch des Defibrillators wieder verschwand. Nach ungefähr einer Stunde und nach Stabilisierung des Patienten wurde dieser dann auf die Intensivstation verlegt.
 
Zwei Tage später habe ich erfahren, dass er nachmittags gegen 14:00 Uhr verstorben sei.
Warum kann ich bis heute noch nicht sagen aber – ich sah mich persönlich im Bett liegen, in dem mein Bettnachbar lag. Es kam mir vor, als ob die Ärzte mich versorgen würden…
 
Mein Krankheitsverlauf verlief anschließend kontinuierlich und ohne besondere Vorkommnisse, die Fäden wurden einen Tag vor meiner Verlegung in die Reha-Klinik gezogen.
 
In der Reha-Klinik verbrachte ich insgesamt 4 Wochen. Die therapeutische Behandlung war sehr gut und man hat mich so weit wieder hergestellt, dass ich mit meiner Krankheit vernünftig leben kann.
 
 
 
Jetzt, im Nachhinein, muss ich zugeben, dass die Krankheit nicht aus heiterem Himmel kam. Es gab genug Anzeichen, die man aber nicht beachtete, bzw. sie nicht richtig eingeordnet hat.
Es ist so im menschlichen Leben, wenn andre etwas haben oder leiden, fällt uns das eher auf, als wenn wir selbst betroffen sind.
Bei mir fiel mir nachträglich auf, dass ich bei der Bewältigung leichter Steigungen ab und zu stehenblieb, um durchzuatmen, da meine Luft knapp wurde. Ich schob dies auf mein Übergewicht und nahm mir fest vor, es demnächst zu reduzieren. (Habe inzwischen über 16 kg abgenommen)
 
Beim Fernsehen oder Lesen im Sessel schlief ich in letzter Zeit häufiger als früher ein.
 
Meine Belastungsgrenze hatte sich gewaltig reduziert, ich schaffte nicht einmal ansatzweise dass, was ich noch vor einiger Zeit geleistet habe.
 
Bei kleineren Tätigkeiten bekam ich innerhalb kürzester Zeit einen roten Kopf.
 
Generell atmete ich wesentlich schneller als früher, meine Luft wurde relativ schnell knapp. Es war aber nicht nur das Übergewicht – primär waren es die defekten Herzkranzgefäße die keine geordnete Blutversorgung pp. mehr zu ließen.
 
 
 
Heute, mit mehreren Monaten Abstand zum Geschehen, muss ich sagen, dass ich inzwischen gelernt habe, in meinen Körper hineinzuhören um irgendwelche krankhaften Anzeichen leichter zu erkennen bzw. richtiger zu deuten...
 
 
 
 
 
Richard von Lenzano
© 01-2008
 
 
 
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 29.01.2008. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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