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„Der Mann, der nie wieder zurückkehrte“ von Jürgen Wagner


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Sehr schön gereimt. Über den Inhalt muß
man eine Weile nachdenken. Aber das soll
ja dem Geiste förderlich sein... Herzliche
Grüße - Hans-Georg

Jürgen Wagner (04.04.2016):
Es ist nicht unsere Kultur, aber doch sehr berührend, wie ich finde. Der Meister, der den Trinker auf ein Glas Wein und ein Mahl einlädt und sich dann eine Nacht lang neben ihn setzt, während er seinen Rausch ausschläft, ist schon ein großer Beweis von Liebe und Mitgefühl. Als der am Morgen mit ihm gehen will, weist er ihn erst zwei mal ab, bevor er ihn als Begleiter und Schüler annimmt. Ich hänge die Geschichte im Original hier einfach mal an, falls noch mehrere ins Grübeln kommen. LG! Jürgen Gudo war der Lehrer des Kaisers seiner Zeit. Trotzdem pflegte er allein als wandernder Bettelmönch umherzureisen. Als er sich einst auf dem Weg nach Edo befand, dem kulturellen und politischen Zentrum der Shogun-Herrschaft, näherte er sich einem kleinen Dorf namens Takenaka. Es war Abend, und ein heftiger Regen stürzte hernieder. Gudo war durch und durch nass. Seine Strohsandalen waren aufgelöst. Im Fenster eines Bauernhofes nahe dem Dorf erblickte er vier oder fünf Paar Sandalen und beschloß, sich trockene zu kaufen. Die Frau, die ihm die Sandalen vorlegte, sah, wie nass er war, und lud ihn ein, über Nacht in ihrem Hause zu bleiben. Gudo nahm die Einladung an und bedankte sich. Er trat ein und rezitierte ein Sutra vor dem Familienschrein. Daraufhin wurde er der Mutter und den Kindern der Frau vorgestellt. Er bemerkte, dass die ganze Familie sehr bedrückt war, und fragte nach dem Grund. "Mein Mann ist ein Spieler und Trunkenbold", erzählte ihm die Frau. "Wenn er gewinnt, so trinkt er und wird unflätig. Wenn er verliert, so leiht er Geld von den anderen. Manchmal, wenn er sich völlig betrunken hat, kommt er nicht einmal nach Hause. Was kann ich nur tun?" "Ich will ihm helfen", sagte Gudo. "Hier ist etwas Geld. Beschaffe mir eine Gallone guten Weines und etwas Feines zu essen. Dann kannst du dich für die Nacht zurückziehen. Ich werde vor dem Schrein meditieren." Als der Hausherr um Mitternacht recht betrunken heimkehrte, brüllte er: "He, Frau, ich bin wieder da! Hast du was zu essen für mich?" "Ich habe etwas für dich", sagte Gudo. "Ich wurde vom Regen überrascht, und deine Frau war so freundlich, mich für diese Nacht aufzunehmen. Als Gegengabe habe ich etwas Wein und Fisch gekauft, also kannst auch du davon haben." Der Mann war entzückt. Er trank den Wein auf einmal aus und legte sich auf den Boden nieder. Gudo setzte sich in Meditation neben ihn. Am Morgen, als der Hausherr erwachte, hatte er die Geschehnisse der vergangenen Nacht vergessen. "Wer bist du? Wo kommst du her?" fragte er Gudo, der immer noch meditierte. "Ich bin Gudo aus Kioto, und ich bin auf dem Weg nach Edo", antwortete der Zen-Meister. Der Mann war äußerst beschämt. Überschwänglich entschuldigte er sich bei dem Lehrer seines Kaisers. Gudo lächelte, "Alles in diesem Leben ist vergänglich", erklärte er. "Das Leben ist sehr kurz. Wenn du weiterhin spielst und trinkst, wirst du keine Zeit übrig haben, um irgend etwas anderes zu vollbringen, und du wirst deine Familie zwingen, ebenfalls zu leiden." Das Bewußtsein des Hausherrn erwachte wie aus einem Traum. "Wie kann ich Euch diese wunderbare Belehrung jemals vergelten? Laßt mich Euch begleiten und Eure Sachen ein Stück weit für Euch tragen. " "Wenn du willst", stimmte Gudo zu. Die beiden brachen auf. Nachdem sie drei Meilen gegangen waren, sagte Gudo zu dem Mann, er solle zurückkehren. "Nur noch fünf Meilen", bat dieser. Sie gingen weiter. "Du solltest jetzt zurückkehren", schlug Gudo vor. "Noch zehn Meilen", antwortete der Mann. "Geh jetzt zurück", sagte Gudo, nachdem sie die zehn Meilen zurückgelegt hatten. "Ich will dir für den ganzen Rest meines Lebens folgen", erklärte der Mann. Moderne Zen-Lehrer in Japan entstammen der Linie eines berühmten Meisters, der Gudos Nachfolger war. Sein Name war Mu-nan, der Mann, der nie mehr zurückkehrte.

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eine anrührende Geschichte. Jedoch, wenn man nur zur Wandlung bereit ist,
wenn ein Würdenträger, sagen wir mal der Chef des Kanzleramtes vorbeikommt,
was ja relativ selten geschieht, dann bröckelt der gute Wille. Und Weib und
Kind zu verlassen ist - irdisch gesehen - nicht sehr nett und nur - vermutlich
aus höherer Perspektive gutzuheißen. Leicht verwirrt grüßt dich Inge hg

Jürgen Wagner (30.03.2016):
Hab auch darüber nachgedacht - aber als Partner würde ich wahrscheinlich doch lieber den Mann in der Ferne und geheilt wissen als ihn jede Nacht betrunken in meinem Bett irgendwann anzutreffen. // Ich denke, es ist nicht nur die Autorität Gudos, sondern sein außergewöhnliches Ausharren bei dem trunkenen Mann die ganze Nacht, was mich an Sterbebegleitung erinnert. Auch diese geniale Idee, den Mann freundlich und nicht mit Vorwürfen zu empfangen. Herziche Grüße Dir! Jürgen

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