Kommentare unserer Leserinnen und Leser zur Kurzgeschichte
„Dankbar“ von Petra Schneider


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Sehr gut geschrieben.

Das traurige ist: unsere Gesellschaft ist wahrscheinlich nicht mehr in der Lage, diese Zustände zu ändern, es wird immer mehr alte, pflegebedürftige Menschen geben und immer weniger, immer überlasteteres und schlecht bezahltes Pflegepersonal. Ein Dilemma ohne Ausweg.

Als ich einmal meine sehr kranke Tante in einem Heim besuchte ( eine Frau, die ihr ganzes Leben elegant und ästhetisch war) da hatte sie keine Zähne mehr im Mund. Als ich danach fragte, tat man ganz zerknirscht und sagte mir, das Gebiss sei irrtümlich verloren gegangen, eine Hilfskraft müsse es samt Becher am Morgen irrtümlich abgeräumt haben ... man habe es gesucht und nicht mehr gefunden ... Nun kriege ich durch Ihre Geschichte zum erstenmal mit, dass dieses Verhalten der Pflegenden bei sehr alten, Leuten vielleicht die Norm ist ... Ich stelle mir das furchtbar vor.

Petra Schneider (29.04.2005):
hallo inulove, danke für den kommentar. ich sehe es nicht so, daß sich nichts ändern kann. nur allem voran steht eben der mensch. um etwas zu ändern, muß er sich ändern. er muß einfach nicht nur hinsehen, zusehen, sondern auch endlich handeln. alle zustände können geändert werden. nichts ist unendlich und unbeweglich. alles ist veränderbar. zwar ist nicht alles machbar, jedoch nichts ist unmöglich. stimmt, es gibt immer mehr alte menschen. das sieht selbst die werbung schon ein. sie ändert, ja, sie ändert ihr konzept und zählt auf die alten menschen ebenso. nicht mehr nur auf die jungen. sie hat das potential erkannt. erstaunlich? oder? aber irgendwie ist sie ja gezwungen, weil sie merkt, das es nicht mehr so viele junge gibt, wie demnächst alte. es gibt immer einen ausweg. der mensch muß nur bereit zu sein, sich zu bemühen, ihn zu sehen und dann und das ist das wichtigste, ihn auch zu gehen.... es gibt weniger personal, weil der beruf sie nicht erfüllt, weil sie es nur als arbeit ansehen. überlastet sind sie, weil sie sich nicht einbringen können. sie haben es entweder nicht gelernt oder wollen es nicht, da sie sich dann auch selbst betrachten müssen. wer aber sieht schon gern in den spiegel um zu erkennen, was er wirklich tut. lieber tut er doch so, als ob er es nicht sieht. schlecht bezahlt, na, ja, das stimmt nur bedingt. in meinen augen ist es weder das geld, noch die zeit, die werden nur dafür verantwortlich gemacht. es ist einfach nur der mensch selbst.... ich habe viele menschen kennen gelernt, die früher mal so wie ihre tante waren. die wunderschöne sachen im schrank hatten zum anziehen. die elegant waren. das sah man auch, ohne, daß sie gestylt waren. aber niemanden kümmerte es. hauptsache schnell an und ausgezogen. am besten sind da jogginghose und tshirt. eine frau hatte eine lederhose. die stand ihr wunderbar. doch deswegen gab es immer ärger. es war schon erstaunlich. wie gehässig manche schwester sein kann. was die zähne betrifft, so haben sie es doch auch nur einfach hingenommen. oder? ist einfacher. als zum chef oder der chefin zu gehen und darauf zu bestehen, daß ihre tante neue zähne bekommt. hier fängt es schon an. denn, wenn das pflegepersonal spürt, daß sich gekümmert wird, daß rebelliert wird, daß nachgefragt wird, dann kümmern auch sie sich. in dem fall, daß die zähne nicht mehr da waren und sie durch die pflegenden verschlampt wurden (was oft die norm ist), muß das heim bzw. das pflegepersonal sie vielleicht ersetzen. haben sie das mal beim anwalt abgeklärt? ich will ihnen nicht zu nahe treten, aber was haben sie getan? außer es hinzunehmen??? ...und genau daß ist es, warum sich nichts ändert. ändert kann es sich nur, wenn wir etwas tun! die norm hat sich eingeschlichen als gewohnheit. wie so viele andere auch. jedoch es muß nicht die norm bleiben. von selbst wird es sich nicht ändern. darauf zu warten, daß andere etwas tun, bringt ebenfalls nichts. wenn sich etwas ändern soll, dann müssen wir es tun. jeder für sich und somit für die anderen... es muß nicht furchtbar bleiben! liebe grüße spatz

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Hallo Petra,
ein bisschen fehlen mir schon die Worte (kommt eigentlich selten vor), wunderbar ausgedrückt!!! Vor allem diese „Dankbarkeit“ so makaber rüber zu bringen…, zumindest empfinde ich es so, prima gemacht. Ich denke, diese pflegenden Menschen sind nicht wirklich herzlos, sondern sie leiden unter dem Zeitdruck, der bei Personaleinsparungen nun einmal entsteht. Trotz allem, sollte ich mal ein Pflegefall werden, ich würde lieber in einer solchen „Verwahranstalt“ den Rest verbringen, als meiner Familie zur Last fallen. Gerade weil ich meine Familie liebe und sie mich wohl auch.
Liebe Grüße
Christa Hänschen


Petra Schneider (27.04.2005):
hallo christa, danke. ich freu mich, wenn es rüber gekommen ist, was ich damit ausdrücken wollte. makaber. ja, so kannst du es wohl nennen. nein. so sehe ich es auch nicht. ich verurteile sie nicht, weil ich sie nicht bewerte. es ist allein deren sache, wie sie etwas tun. es ist weder meine aufgabe, noch steht es mir zu, irgend jemanden, wegen irgend etwas zu verurteilen. auch sehe ich es nicht als herzlos. sie kennen es nicht anderst. da sie nur sich sehen. wenn sie sich in die lage des anderen versetzen würden, dann würden sie es fühlen können. doch das wollen sie nicht. könnte ja weh tun. also nehmen sie den einfacheren weg und leben das oberflächliche. so sehe ich es. ja, der zeitdruck ist es schon auch. aber es liegt auch an jedem selbst. je nach dem, wie er damit umgeht. ob er sich einbringt oder nur seine arbeit macht. ich habe in diesem beruf gearbeitet. vieles kennen gelernt. das system kann ich nicht ändern. aber deswegen muß ich es auch nicht akzeptieren und unterstützen. aus diesem grund habe ich meine ausbildung zur altenpflegerin im zweiten lehrjahr abgebrochen. weil die umsetzung dieses berufes nicht mit meinen vorstellungen, was achtung und respekt vor der würde des menschen betrifft, übereinstimmt. obwohl ich manchmen bewiesen habe, daß ich das in der gleichen zeit schaffe, wenn ich auch anderst mit dem menschen umgehe. es hat nicht interessiert. da alles bereits gewohnheit geworden ist. leider. niemals würde ich freiwillig in so eine verwahranstalt gehen. denn es ist im grunde genommen der tod vor dem tod. wie kannst du jemandem zur last fallen, wenn er dich liebt? das denkst du und es ist das denken, was uns daran hindert zu leben. es ist das denken, was uns auf die irrwege führt. sobald wir lernen zu fühlen, gehen wir einen anderen weg.... liebe grüße petra

RingerXXL

27.04.2005
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Hi meine Nachbarin arbeit dort, ist eine von denen "ohne Zeit". Daher weiß ich ...genau so ist es!
Ich weiß auch dass die meisten Alten dort sich dieses: ...ich muss doch dankbar war sein ..wirklich sagen und es glauben.Ich finde es grausam, dass alte Menschen sich dies " einreden" mit dem Zusatz:
..ich will meiner Familie ja nicht zur Last fallen.
Und ich finde es grausam, wenn
" Familien" ihre Alten die ihnen ein Leben lang treu waren einfach ins Heim stecken.
Egal aus welchem Grund auch immer.
Gruß
rima



Petra Schneider (27.04.2005):
hallo rima, und ist es nicht schlimm das zu wissen? ich weiß es auch. habe es erfahren in den letzten zwei jahren meiner ausbildung als altenpflegerin. in den vielen praktikas in denen ich war gab es kaum unterschiede. der mensch als ware. der mensch als stück fleisch. es geht um geld und macht. das ist alles. klar ist nicht viel zeit. aber es kommt doch nicht darauf an, wieviel zeit ist, sondern darauf, wie ich sie einteile und wie ich sie nutze.... ja, so glauben sie es. weil sie es nicht anderst gelernt haben. ausserdem haben sie angst. bei vielen ist die angst im gesicht geschrieben. nur keiner schaut genau hin und sieht sie. oder will sie sehen. sie denken, wenn sie aufmucken, sich wehren, ihren mund aufmachen, rebellieren oder sonst irgend etwas, dann bekommen sie ärger oder niemand kümmert sich mehr um sie. manche können es auch gar nicht, weil sie es ihr leben lang nicht gelernt haben. sie haben immer nur gekuscht und nicht aufgemuckt. ja, es ist grausam. aber nicht nur sie selbst reden es sich ein. es wird ihnen auch eingeredet. damit die arbeit leichter von der hand geht. weißt du, ich habe eine patientin gehabt, die konnte nicht mehr aufstehen. lag nur noch im bett. konnte sich auch kaum bewegen. hatte keine zähne mehr. aber ihre augen sprachen bände. als ich ihr den kuchen, es gab frankfurter kranz, mit dem löffelchen in kleinen stücken gab, da leuchteten ihre augen. den kaffe in der schnabeltasse kühlte ich erst etwas ab, da er noch heiß war und sie lächelte mich an. ich unterhielt mich mit ihr und wir, obwohl sie nicht reden konnte, hatten eine wunderbare kommunikation. ich sprach mit ihr ab, einmal zwinkern ist ja und zweimal zwinkern, nein. dann kam die schwester rein. was sie sind immer noch nicht fertig? sie nahm den teller mit dem kuchen. den becher mit kaffee und goß diesen über den kuchen. verrührte ihn zu einem schönen brei und gab es mir wieder. als ich dann fragte, ob sie das auch essen würde, kam die antwort, daß die ja eh nichts mehr merken. ich erzählte ihr dann von unserem abkommen mit dem zwinkern. doch sie hatte nicht mal die zeit, es sich anzuschauen. sie hatte keine zeit. obwohl sie dann, über eine stunde in der anschliessenden kaffeepause am tisch mit den kollegen saß. hatte sie nicht mal fünf minuten zeit dafür, sich anzusehen, wie sie mit der patientin kommunizieren konnte. weil sie es nicht wollte. weil es mühe macht und weil es nicht zu der gewohnheit passt, die sie inne hat. niemand fällt zu last. es ist eine freude alte menschen zu pflegen. wir können so vieles von ihnen lernen. wenn wir hinsehen. hinhören. aber wer will das schon.... genau. alt. ausgedient. das ist die heutige masche. die ich allerdings niemals unterstützen werde. ich kann es verstehen. aber ich muß es nicht akzeptieren.... es gibt keinen grund einen menschen einfach abzuschieben. gar keinen. außer, man sieht nur sich selbst. wenn auch nicht alles machbar ist. es ist nichts unmöglich... liebe grüße petra

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Liebe Petra, die Geschichte ist sehr schön geschrieben und sie geht einem sehr, sehr nahe. Es ist eine Schande für unser Land, Deutschland, einem hoch industrialisiertem Land, noch solche Zustände zu haben.
Auch ist es eine gesellschaftspolitische Aufgabe unser aller, eben solche Umstände abzuschaffen. Denn auf der einen Seite steht das Pflegepersonal, das unter ständigem Zeitdruck arbeiten muss und auf der anderen Seite diese alten bedauernswerten Menschen, die sich eben diesen gesellschaftlichen Bedingungen fügen müssen. Bloß was tun, wenn das Geld nicht reicht und die Kassen leer sind. Ich hoffe für meine Eltern nicht diese Perspektive, sondern eine andere Alternative, für bald und in Zukunft. Liebe Grüße Chris


Petra Schneider (27.04.2005):
liebe chris, danke. ja, das war meine absicht. das sie nahe geht. denn es ist eine schande. eine große schande. je mehr fortschritt es gibt, umso mehr rückschritt gibt es auch. so ist es. es ist unser aller aufgabe. ich habe es versucht. ich habe mich dagegen gestellt und viele vor den kopf gestossen. doch es fruchtet nicht. es ist ein aussichtsloser kampf für mich allein. die menschen sind viel zu verbohrt. es ist nicht der zeitdruck. es ist der mensch selbst. weil er sich nicht in die lage des anderen versetzen will. es fängt doch schon damit an, wie ich einen patienten anrede und daß hat nichts mit zeitdruck zu tun. ob ich nun sage "na, muttchen, gut geschlafen?" oder ob ich die alte dame mit ihrem namen anrede. das ist die gleiche zeit. auch kann ich, selbst, wenn ich noch so sehr unter zeitdruck bin, mir die arbeit anderst einteilen. es geht alles, weißt du, nur der frosch der hüpft. komme ich dem patienten mit einem lächeln entgegen, dann ist er ganz anderst drauf, als wenn ich ständig kommandos verteile. auch das braucht nicht mehr zeit. es liegt nicht an der zeit. es liegt immer an mir selbst. als ich auf der neurologie war, da hatten wir in einem zimmer zwei schlaganfallpatienten. der pfleger hat den einen und ich den anderen gewaschen. beide konnten nur den einen arm nicht bewegen. der pfleger hat ihn komplett ausgezogen. so lag er auf dem bett. jeder kam rein ins zimmer und ging raus. niemand störte sich daran. meinem patienten gab ich den waschlappen in die gesunde hand und ließ ihn sich das gesicht erstmal allein waschen. dann wusch ich es noch mal. auch seinen anderen arm. so bekam er vertrauen zu sich selbst. wir waren zur gleichen zeit fertig. sein patient murrte. meiner war gut gelaunt. das soll keine lobeshymne sein. nur ein beispiel dafür, daß es an der zeit nicht liegt... die umstände können nur abgeschafft werden, wenn das problem an der wurzel angepackt wird und daß ist beim menschen selbst. erst dann, wenn sich die menschen in die anderen versetzen. in deren rolle schlüpfen. diese durchleben. dann können sie fühlen, was sie wirklich tun. sie würden vor grauen vor sich selbst davon laufen. wenn sie sich das anschauen und es selber fühlen müßten.... wieso sind die alten menschen bedauernswürdig? sie trauen sich nur nicht. weil sie auf der einen seite denken, daß es so sein muß und auf der anderen seite angst haben, ganz allein zu sein. genau das ist es, was benutzt wird. da kann doch prima macht demonstriert werden... ...und wer sagt, daß sie sich fügen müssen??? es kann viel getan werden. sehr viel. auch ohne geld. ein lächeln kostet kein geld. freundlichkeit kostet kein geld. auf einen anderen einzugehen kostet ebenfalls kein geld. also am geld liegt es nicht. an der zeit liegt es nicht. es liegt allein am menschen selbst.... es ist einfach zu sagen, es ist die zeit, es ist das geld. so braucht sich der mensch nicht selbst anzusehen.... liebe grüße petra

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