Katja Heinrich

Sodbrennen - 12. Beim Bäcker

 

 
 
Heute brauche ich Brot.
Nachdem ich wieder einmal mehrfach Herd, Waschmaschine und Tiefkühler gecheckt und dreimal überprüft habe, ob sich Geld, Handy und Schlüssel in meinen Jackentaschen befinden, laufe ich mutig los.
Der Bäcker ist um die Ecke und ich werde zu Fuß gehen. Eine neue Aufgabe meines Therapeuten, um mich in die Welt einzugliedern.
Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich diesen Menschen noch leiden kann und ob ich überhaupt eingegliedert werden will. Ich fühle mich doch wohl. Tauge ich überhaupt dafür? Ich werde ihn das bei der nächsten Sitzung mal fragen!
Mit diesen Gedanken laufe ich die Straße entlang bis ich von einer Mutter, die ihr Kind im Buggy vor sich herschiebt, fies ausgebremst werde. Sie nimmt den gesamten Bürgersteig ein und ist nicht in der Lage mich vorbeizulassen. Leider kann ich nicht auf die Straße ausweichen, da heute reger Verkehr ist – haben die kein Zuhause? Das Kind muss natürlich nun auch noch anfangen zu kreischen und zu heulen, was wiederum die Mutter veranlasst stehen zu bleiben, damit sie den plärrenden Panz beruhigen kann. Nun erhasche ich einen Blick auf das Kind – eins von der besonders hässlichen Sorte. Die Lust am Schreien steht ihm ins Gesicht geschrieben als es mich anstiert mit weit geöffnetem Mund, aus dem beim Kreischen aufgeweichte undefinierbare Krümel sprudeln. Als reiche das noch nicht, blubbert eine Rotzblase aus seiner Nase.
Ich spüre meinen Mundwinkel bitzeln und denke an Herpessalbe, während mein Blick mit dem bekannten Klebe-Ekel-Effekt an dem widerlichen Gör hängen bleibt, das die Mutter nun liebkost. Das Kind lässt sich allerdings überhaupt nicht davon beeindrucken und plärrt ungehindert weiter – aus reiner Freude am widerlich sein oder nur zu dem Zweck meine ohnehin angespannten Nerven noch weiter zu malträtieren.
Bevor ich jedoch tätlich werde, quetsche ich mich brutal an diesem Familienglück vorbei, strecke dem Panz hinter dem Rücken seiner Mutter die Zunge raus, schneide eine Grimasse und lasse die liebevolle Mutter mit ihrem nun noch lauter schreienden Kind zurück.
 
Ich habe mich vor Jahren sterilisieren lassen!
 
Beim Bäcker angekommen sehe ich eine Schlange an der Theke, die mich fast zum Umkehren bringt. Aber diesmal werde ich nicht aufgeben und stelle mich ordentlich an.
Während ich warte, schaue ich mir die Auslagen an und bekomme Appetit auf einiges. Leckere Krapfen, kleine Obsttörtchen, feine Muffins und diverse andere Leckereien liegen da.
Ich beschließe gerade, heute zu sündigen und einiges davon den Weg in meinen Bauch nehmen zu lassen als ich von hinten unsanft in die Kniekehle getreten werde. Ich drehe mich um und schaue dem bräsigen Kind von vorhin ins Gesicht.
Die Welt ist ein Kuhfladen und ich steh bis zu den Knien drin. Grinsend tritt das Kind wieder und wieder nach mir.
Ich überlege zwei Alternativen – entweder ich schubse das Kind mal sanft zurück oder ich erkläre der Mutter, die gerade eine Bekannte getroffen hat und sich einen Dreck um ihr Kind schert, was Erziehung ist.
Ich entschließe mich für beides nacheinander.
 
Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist – und die Mutter wutentbrannt den Laden verlassen hat, weil sich andere Kunden nun auch noch über ihr Gör (dessen Gebrüll sich mittlerweile auf ewig in mein Trommelfell graviert hat, allerdings gar nicht wegen mir, sondern wegen der erhobenen Stimmen der entrüsteten anderen Kunden) beschwerten, entschließe ich mich spontan noch zwei Laugenbrezeln mitzunehmen.
Ich liebe Laugenbrezeln mit Butter. Suchend halte ich in der Auslage danach Ausschau und entdecke sie.
Geschockt erstarre ich.
Die Brezeln sind über und über mit dicken fetten ekelhaften Salzklumpen bestreut.
Wer zum Geier isst so viel Salz? Gibt es einen einzigen Bäcker auf der Welt, der Laugenbrezeln ohne dieses ganze Salz backt? Gibt es Menschen, die das tatsächlich mit Salz essen? Oder bröseln alle das Zeug so hingebungsvoll  wie ich bis zum letzten Klumpen von der Brezel?
Da ich heute keine Lust auf Fusselarbeit habe, entscheide ich mich gegen die Brezeln. Soll doch jemand anders das Salz runterpusseln!
Während ich der Bedienung zuschaue, wie sie den Kunden vor mir zufrieden stellt, fällt mir auf, dass sie die Ware mit den Fingern anfasst, das kann ich an sich schon nicht leiden, aber die nimmt auch noch das Geld entgegen – mit der gleichen Hand.
Das gibt’s doch nicht! Schweinerei.
Mit leichter Übelkeit verlasse ich fluchtartig den Bäcker meines Vertrauens und eile nach Hause.
 
Ab heute backe ich mein Brot selbst!

(c) Katja Heinrich

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 22.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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