Petra Schneider

Dankbar

 

 

 

Hier liege ich nun. Ein kleiner Raum. Ist es nicht egal, wie groß er ist? Der Schrank dort. Alle meine Sachen sind darin. Was brauche ich noch? Sie sagen, ich kann nicht aufstehen. Kann nicht herum laufen. Bin zu schwach. Es ist nicht die Zeit da, um mich zu halten und herum zu führen. Am besten bin ich hier aufgehoben. Damit ich nicht rausfalle haben sie die Gitter davor hoch gemacht. Ich muß dankbar sein, daß sie sich so um mich kümmern. 

 

 

Ach, dahinten ist ein Fenster. Schade, daß ich nicht hinaus sehen kann. Es ist zu weit weg. Dabei möchte ich doch gern die Sonne noch mal sehen. Wenn sie mich zum füttern aufsetzen, dann versuche ich immer einen Blick zu erhaschen. Doch sie stehen an der anderen Seite und mögen es nicht, wenn ich meinen Kopf weg drehe. Dann dauert es zu lange und sie haben nicht viel Zeit. Auch kann ich durch den dicken Vorhang nichts erkennen. Nein, ich will sie nicht verärgern. Ich muß dankbar sein, daß sie sich so um mich kümmern.

 

 

Was wohl aus meiner kleinen Wohnung geworden ist? Wie haben sie gesagt? Ich kann dort nicht bleiben, weil ich ganz allein bin. Dabei war ich nicht allein. Da waren die Katzen im Hof. Die schwarze, daß war meine Lieblingskatze. Sie ließ sich immer von mir streicheln. Ich habe sie Morle genannt. Die Vögel die in das Vogelhaus auf dem Balkon kamen. Ja, das Finkenpaar kam jedes Jahr. Sie waren schon richtig zahm und haben herrliche Musik gemacht. Auch die  Schmetterlinge, die sich an dem Flieder erfreuten. Zu gern habe ich ihnen zugeschaut. Da war der blaue Himmel. Auch, wenn es mal trübe war oder geregnet hat. Ich habe es geliebt auf dem Balkon zu sitzen und den Regentropfen zuzusehen. Die Sonne, die mir, wenn ich morgens erwachte ins Gesicht schien, mich zum lächeln brachte. Ohne Zähne ist es schwer zu lächeln. Sie haben gesagt ich brauche sie nicht mehr. Sie sind sehr nett hier. Haben nur nicht viel Zeit. Es sind eben viele Alte, sagen sie. Ich muß dankbar sein, daß sie sich so um mich kümmern.

 

 

Auch, wenn sie mich seltsam behandeln. Wie ein kleines Baby. Es muß wohl so sein. Ich kann ja nichts mehr machen, sagen sie. Sie nehmen mir alles ab, damit sie schnell fertig sind. Es ist ja auch besser so. Wenn sie nur ein bisschen mehr Zeit hätten. Ich würde mich gern mal mit ihnen unterhalten. Ach, ja, sie können mich ja nicht verstehen. Deswegen reden sie mich wahrscheinlich nicht an. Nein. Ich will nicht undankbar sein. Sie haben viel zu tun. Wissen sie überhaupt, wie ich heisse? Schade, ich kann es ihnen nicht sagen. Wissen sie, daß ich gern Schokoladenpudding esse? Nein, ich glaube nicht. Es ist gut, daß ich hier bin. Was sollte sonst aus mir werden? Sie kümmern sich um mich. Es sind Gute. Sie halten mich sauber, geben mir Nahrung. Was will ich mehr. Da ist es nicht schlimm, wenn es manchmal weh tut, wenn sie mich drehen. Oder ich erschrecke, weil sie nichts sagen, wenn ich hin- und hergerückt werde. Schließlich mache ich ihnen nur Arbeit. Sie sorgen für mich. Waschen mich. Legen mir eine frische Windel an. Es ist meine Schuld, wenn sie öfters total voll ist. Dann darf ich eben nicht so viel trinken.  Bei so vielen Leuten haben sie  nicht viel Zeit für den Einzelnen.  Sie geben sich Mühe und ich muß dankbar sein, daß sie sich so um mich kümmern.  ...Nur schade, daß ich die Sonne nicht sehen kann.....

 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 26.04.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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