„In Sardinien ist immer Sommer!“, hat sie zu ihm gesagt. Und dass sie am Freitag fliegt. Hier draußen versucht der Frühling sein Glück. In seinem Herzen Winter. „Es ist ja nur für ein Jahr.“, hat sie zu ihm gesagt. Er schluckt hart, kämpft den Kloß aus Tränen in seinem Hals hinunter. Er weiß nicht, ob er sich für sie freuen soll. Sie freut sich, ohne Rücksicht. Werden sie sich verlieren? Sardinien ist Italien, Italien ist weit. Die Liebe ist groß. Aber reicht sie, wenn es nicht mehr nur drei U-Bahnstationen sind? Kann man die Liebe in Gedanken aufrechterhalten? Seine Gedanken springen, springen durch die Zukunft.
Er würde ihr gern sagen, wie sehr er sie liebt und dass sie ihn nicht allein lassen soll, ihn nicht verlassen darf. Aber er kann nicht. Er will ja, dass sie glücklich ist. Und es scheint sie glücklich zu machen. Wie sehr er an sich denken darf, weiß er nicht. Aber sie ist ja auch egoistisch, oder nicht? Sie will doch dahin und denkt nicht daran, wie schlimm es für ihn ist. Sie sieht nicht den Kloß in seinem Hals, den Mund, der sich zusammenkneift. Er steht allein und sie packt. Schwelgt in Träumen, ihm bleiben die Albträume. Liebt sie ihn überhaupt? Er liebt sie. Liebt sie Sardinien mehr als ihn? Eine Vorstellung vom Glück versus das gelebte Glück? Optimistin versus Pessimist. Er irrt durch seine Gedanken, der rote Faden zerfasert, führt zum Glück, zum Ende, zum Anfang, zur Angst. Zu ihr.
Er nimmt einen Schluck aus seinem Glas, denn es ist warm in der ersten Sonne. Trotzdem die Gänsehaut. Übermorgen ist Freitag. Übermorgen fliegt sie nach Sardinien.
Sardinien ist Italien. In Sardinien ist immer Sommer. Weil sie den Sommer mitnimmt.
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.05.2005.
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