Germaine Adelt

Teestunde

   Voller Geduld wartete sie, wie jeden Tag, darauf dass er nach Hause kam. Erwartungsvoll saß sie in der Küche und starrte sprungbereit auf die Wohnungstür. Sie wusste, wenn sie jetzt etwas anderes tun würde, käme er. Gerade dann, wenn sie noch einmal ins Bad ginge um sich erneut die Haare zu kämmen oder in der Küche noch einmal kurz den Boden aufwischte.

Aber er kam nicht. Ohne die Tür aus den Augen zu lassen schielte sie kurz auf die Wanduhr. Er war zehn Minuten zu spät. Ungewöhnlich für ihn. Das hieße, dass er den Bus verpasst hatte und so etwas kam höchst selten vor. Ihr Blick fiel auf das Telefon. Dass er sich verspätete war schon ungewöhnlich. Dass er sie nicht anrief, ist in all den Jahren nicht vorgekommen.

Zwar waren vorhin die zwei netten Polizisten bei ihr gewesen, gerade als sie beim Kartoffelschälen war. Und die hatten ihr ganz betroffen von einem Unfall erzählt. Aber sie glaubte denen kein Wort. Denn sie hatten es ihr nicht erlaubt Herbert zu sehen und somit konnte das ja alles nicht sein.

Wie es sich gehörte, hatte sie den Beamten einen Kaffee angeboten, aber die hatten dankend abgelehnt und ihr dann vorgeschlagen einen Seelsorger zu holen. Zwar war sie ein schwaches Frauchen, wie Herbert immer sagte, aber so schwach war sie nun auch wieder nicht und somit fähig Herbert auch allein im Krankenhaus zu besuchen.

Aber die Polizisten konnten ihr ja nicht einmal sagen, wo Herbert jetzt war. Und außerdem, wie sollte ausgerechnet Herbert als Buchhalter von einem Baugerüst erschlagen worden sein? Selbst wenn es so wäre wie die Polizisten erzählten, dass er auf dem Weg zur Inventur bedauerlicher Weise diesen Betriebsunfall erlitten habe.

Sein Chef, der Herr Vogt, hätte sie angerufen und ihr alles erklärt. Diese Polizisten waren zwar sehr nett und höflich aber auch sehr unerfahren. Denn alle diese Fragen wussten sie nicht zu beantworten und wenn sie Herbert davon erzählte, würde er mit Sicherheit eine Beschwerde bei der Polizeidirektion einreichen.

Erneut sah sie zur Uhr. Der nächste Bus würde in einer halben Stunde kommen. Sie hätte also Zeit inzwischen noch einmal einen schönen, heißen Tee zu machen. Vielleicht konnte sie Herbert auch mit Plätzchen überraschen. Wenn sie sich sputen würde, könnte sie es schaffen. Der Teig war schnell zubereitet und den Ofen heizte sie schon einmal an. Und dann könnte sie endlich mit Herbert ihre gemeinsame Teestunde genießen, so wie jeden Tag.

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