Michael Lieshoff

Das Glück der Nacht

In dieser Geschichte werde ich über einen kleinen Freund sprechen, Spark war sein Name, seine Eltern und seinen einzigen Bruder verlor er auf bisher ungeklärte Art und Weise. Er wuchs auf der Straße auf, zog von Siedlung zu Siedlung und geriet mit der Zeit immer öfter an Personen, die seine besondere Begabung, die Schnelligkeit, ausnutzen wollten.
 
So kam Spark zu Odessa und er war es, der meinen kleinen Freund zu einem Dieb ausbildete. Erst diente Spark nur als Bote, als ein Mitläufer, doch mit der Zeit erkannte Zdessa seine Klugheit und sein Einfallsreichtum, vielleicht war es das, was er später so fürchtete.
 
Trotzdem wollte Zdessa ihn zu einem vollwertigen Mitglied seiner Gilde machen, für Spark galt dabei nur eines, das Bestehen einer kleinen Aufnahmeprüfung.
 
I. Wie ich aufbrach
 
Es sollte recht einfach werden, so versprach es mir Odessa, seines Zeichens ein Meisterdieb, hatte er schon mehrere Grabmäler ausgeraubt, wichtige Informationen für ebenso wichtige Personen gestohlen und sonstiges Illegales begangen. Er war Meister seines Faches und er machte sich Anfang des ¡ahres zum Gildenmeister einer Gilde, dessen Namen sie sicherlich schon erraten können, der Diebesgilde, eigentlich der schwarzen Feder.
 
Um ein vollwertiges Mitglied zu werden, mußte ich eine besondere Aufgabe erfüllen, Odessa wählte für mich eine der älteren bereits schon fast ausgeplünderten Grabkammern im Umlande von Falkenfels aus. Es sollte nicht gefährlich sein, aber sicherlich abenteuerlich. Ein Kinderspiel, das um den goldenen Kelch eines damaligen Herrschers ging, längst vergessen im Schatten der Zeit, doch Gold verblasst nicht und damals wie heute ist der Kelch ein kleines Vermögen wert. Pah ! es war alles andere als ein Kinderspiel. Odessa hatte alles erfunden, unbewohntes Grabmal, wie konnte ich das nur glauben, Odessa wollte mich aus dem Wege haben, genau wie damals meinen Vater, dafür hatte ich nur noch nicht die Beweise.
 
Pure Dummheit mußte mich angetrieben haben, mitten in einer Vollmondsnacht aufzubrechen. Mit einem gerade gestohlenen Pferd ritt ich den alten Pfad ein paar Kilometer hinunter, mäßigen Schrittes, wollte doch kein Aufsehen erwecken.
 
II. Bei der Grabstädte
 
Dann, nach einer längeren Zeit, erreichte ich die vergessene Städte. Es waren vielleicht nur noch knapp einhundert Meter bis zu dem freigelegten Eingang, ein seltsames leises Brüllen war zu hören, vielleicht von einem Bären. Da zuckte ich plötzlich zusammen, mein Pferd bäumte sich auf und ich fiel nach hinten, landete auf meinem kleinen Marschrucksack. Irgendetwas blutete an mir und als ich entfernte Schritte hörte, spürte ich eine kleine Wunde an meinem linken Ohr, verdammt, noch Jemand war hier.
 
Schnell nahm ich den Gaul an seiner Leine und band ihn an einen Baum, wieder hörte ich die Schritte, ein oder zwei Mann mußten es sein, sie versteckten sich hinter einem Gebüsch, jetzt flüsterten sie miteinander, aber ich verstand die Sprache nicht.
 
Ich ließ meinen Rucksack ab, legte ihn unter den Gaul und ergriff mein Kurzschwert und die leichte Armbrust, dann verschwand ich lautlos hinter einem Gebüsch, von dem aus ich den Gaul gut beobachten konnte. Dann wieder Schritte, diesmal vorsichtig und ich konnte ein Gesicht ausmachen, es war eindeutig ein Fremder, er schritt leise auf meinen Gaul zu, in der Hand eine Armbrust, dann beobachtete er die Umgebung, vorsichtig lukte er in meine Richtung, aber er konnte mich nicht sehen, es war zu dunkel, ich war fast unsichtbar für ihn. Doch wo war sein Gefährte ?
 
Ich sollte die Antwort gleich zu spüren bekommen, denn er hatte sich indessen an mich herangeschlichen und stach mit seinem Kurzspeer nach mir, knapp verfehlte er einen meiner Zberschenkel und riß mir die Hose ein Stück auf. Es mußten Reflexe gewesen sein, ich hielt die Armbrust mit der linken Hand in seine Richtung und ließ den Bolzen zucken.
 
Eigentlich war ich mit Rechts schon kein allzu guter Schütze, doch diese Nacht versprach mir gutes Glück und so durchschnellte der Bolzen, schon vor längerer Zeit in Gift getränkt, blitzschnell die schwarze Luft und traf sein Opfer mitten ins Gesicht, er taumelte und bevor er schreien konnte brachte ich in zu Boden, mit durchschnittener Kehle.
 
Nummer eins war also ausgeschaltet, ich zog seinen Leichnahm hinter den Busch, nahm meine Armbrust wieder auf und verzog mich hinter einen der dickeren Bäume, wo ich mich hinkniehte und die Armbrust aufs erneute lud.
 
Doch plötzlich erhellte sich die Umgebung um mich herum, ich wurde zu einem wunderbaren Ziel, alles war wie bei Tageslicht. Meine Sinne konnten es nicht begreifen, doch eine große Lichtkugel zog sich mehrere Meter über meinem Kopf zusammen, ich schaute nach links, dort stand ein dunkelgerobter größerer Mann, die Hände festumschlossen und irgendwelche Worte murmelnd. Dann war ein lauter Kriegsschrei zu hören und ich drehte mich blitzschnell nach rechts, von wo aus ein großes zweischneidiges Metallblatt auf mich zugesaust kam, ich rollte nach hinten und deppernd schlug die schwere Axt in den Baum ein, daß die Rinde nur so sprang. Noch während dieser Koloß seine Axt aus dem Baume versuchte herauszuziehen, sprang ich auf und stellte mich kampfbereit mit dem Kurzschwert auf, da erst bemerkte ich die Größe dieses Roßes, welches jetzt mit dem einen Fuße auf meiner fallengelassenen Armbrust stand.
 
Verdammt, er war gut eineinhalb mal so groß wie ich und mächtiger als jeder Bär, den ich bis jetzt erblicken konnte. Irgendetwas ließ mich zusammenzucken, wahrscheinlich war es wieder das Glück der Nacht, denn mit einem gewaltigen Donnern und Blitzen, riß der gerobte seine Hände auseinander und streckte sie in meine Richtung, wo sich ein Flammenmeer, ganz in bläulichen Tönen ergab. Es zog rasant über mich hinweg, weiter in den Wald hinein, von wo ich eine gewaltige Explosion hören konnte.
 
Doch auf einmal traf es mich wie aus allen Wolken, der Koloß trat mir mit seinem Lederstiefel mitten in das Gesicht, das ich nur so nach hinten schlug, dann senkte er fast zeitgleich seine mächtige Axt und ließ sie krachend in den Waldboden einschlagen, genau zwischen meine Beine, ich dankte den Göttern, die heute Nacht über mich wachten. Jetzt erst sah ich in das Gesicht den gebeugten Koloßes, der mit beiden Händen seine Axt heben wollte, er schaute finster drein, hatte bestimmt schon viele Kriege mitgemacht, doch mit mir hatte er nicht gerechnet.
 
Mit meiner Linken hatte ich bereits intensiv und blitzschnell ein kleines Fläschchen aus meinem Hosenbeutel gegriffen, noch bevor der Riese aufstehen konnte, ergoß sich die in dem Fläschchen enthaltene blaue Flüssigkeit genau in seinem Gesicht, wie von einem Blitz getroffen zuckte er zusammen, richtete sich auf, seine Auge waren vor Schmerz erfüllt. Er taumelte ließ seine Axt fallen, rieb sich verzweifelt das Gesicht, doch die Flüssigkeit kannte keine Gnade, mit einem lauten Schrei krachte er auf die Knie, dann auf den Bauch und es dauerte nur noch eine Sekunde, bis er kampfunfähig auf dem Boden lag.
 
Hastig drehte ich mich in die Richtung des Zauberers, doch er war schon fort, hatte sich aus dem Staube gemacht, war vor mir geflohen. Ich hatte nicht viel Zeit, bald ließe das Gift nach und der Berserker würde wieder voll bewußt sein.
Ich zog mir die Armbrust wieder auf den Rücken und wollte eigentlich gehen, doch meine diebischen Finger konnten es nicht lassen, dem Koloß etwas Gewicht abzunehmen, ich schnitt ihm seinen einzigen Beutel ab und suchte nach dem Beil, da lag es, leuchtete es ein wenig ?
 
Gerade wollte ich zupacken, als ich mysteriöse Schriftzeichen auf dem Holzgriff sehen konnte, war sie magisch, egal, Finger weg ! Meine Instinkte verboten mir dieses Stück aufzunehmen, ich wollte lieber auf die weisen Götter hören, die mir in dieser Nacht schon soviel Glück schenkten.
 
III. Wie ich das alte Gemäuer betrat
 
Dann lief ich schnell zu meinem Pferd, bestieg es und ritt zum Eingang des Grabmales, wo ich nach einem guten Versteck für mein Tier suchte und es auch fand. Ich band es an einen Baum, schnürte mir den Marschrucksack um und zog mit einer Fackel in der Hand und dem Kurzschert in der Anderen auf den Eingang zu, erst dort entzündete ich die Fackel.
 
Jemand hatte das Grabmal einst mit schweren Gittern bezogen, doch dessen Stangen lagen schon vereinzelt auf dem Boden am Eingang, Fußspuren entdeckte ich keine, also waren die Drei von eben noch nicht im Grab, oder sie haben ihre Spuren gut verwischt.
 
Alles schien recht schmutzig und staubig, den ganzen langen Gang hinunter, der sich erst nach mehreren Metern kreuzte. Türen und Gitter waren schon aufgebrochen, geradeaus war die Grabkammer, eine große Halle, an deren Eingang mehrere große Metallstücke lagen. Links und rechts waren kleinere Räume, den linken konnte ich als kleine Grabkammer ausmachen, in dem viele Sarkophage standen, alle schon aufgebrochen und ausgeplündert, Knochen waren über den ganzen Boden verteilt.
 
Dieser Raum war einst mit einem Gitter versiegelt, der Andere mit einer Tür, die schon auf dem Boden lag und langsam verrottete. Das mußte ein Raum für die Wächter gewesen sein, Betten und Tische waren schon lange zerfallen, Knochenreste machten sich über den Boden breit, ein fahler staubiger Geruch lag in der Luft, verwesend, von Tod strotzend. Hier war nichts mehr zu holen, ich konnte mir auch nicht denken, daß hier irgendwo noch ein goldener Kelch sein sollte.
 
Plötzlich ein Geräusch, ein schlürfen, jetzt war es weg, es kam aus der großen Grabkammer, war dort etwas ? Langsam trat ich näher heran, die Fackel leuchtete nur schwach, die Wände waren mit teils zerstörten Reliefen ausgeschmückt, dann trat ich über die Metallstücke, die verstreut beim Eingang der Kammer lagen, was war das für ein Gerät ?
 
In der Kammer konnte ich alles gut ausleuchten, sie war recht groß, auf vier teils krass beschädigten Säulen gestützt. Die Einrichtung wurde schon vor längerer Zeit durch den Raum geschleudert, überall lagen Holzteile, verroteteten Knochen vor sich hin. Gerade als ich einen Fuß in den Raum wagte hörte ich ein unverschämtes Knurren, gekennzeichnet von zwei glühenden Augen, die plötzlich vor mir auftauchten, ich sprang zurück, landete recht unglücklich in den Metallteilen, die Fackel rollte beiseite.
 
Das Wesen rannte auf allen Vieren auf mich zu, es hatte dichtes Fell und ein riesiges Maul, dann sprang es und landete krachend auf mir. Es drückte mir mit den Vorderpfoten die Arme auf den Boden, während es versuchte mit seinem stinkenden Maul nach mir zu schnappen. Und da sausten die tödlichen Fänge auf mich herab, ich riß meinen Kopf beiseite und so schnappte es nur Staub. Verdammt war das knapp, meine Arme waren wie gelähmt und wieder schnappte das Vieh zu, diesmal kratzte es mich scharf am Gesicht, jetzt hatte es mein Blut gelegt und ich mußte wahren Attacken seiner gefärlichen Zähne ausweichen.
 
Dann konnten meine Beine seinen Hinterleib spüren und mit einer Rückwärtsrolle stieß ich das Biest mehrere Meter weit von mir fort, bis es gegen eine Wand prallte und gnadenlos aufheulte. Blitzschnell stand ich auf, bemerkte noch rechtzeitig, daß das Wesen schon wieder zu mir sprang, in einem hohen Bogen, dann stieß ich mit dem Schwert zu und warmes Blut lief mir über die Hand, als ich es durchbohrte und so zu Boden brachte, es starb auf der Stelle.
 
Der Schock saß noch in meinen Knochen als ich erst bemerkte, daß die Bestie nur ein ausgehungerter wilder Hund war, ich griff meine Fackel und betrat die Grabkammer. Sogar der Sarkophag des hier bestatteten Herrschers war schon aufgebrochen, seine Knochen lagen drum herum. Er war wunderschön verziert mit großartigen Reliefen, bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, Oedoch schon an einigen Stellen von unvorsichtigen Räubern arg beschädigt.
 
Erst jetzt konnte ich mir das längst vergessene Bild dieser Grabkammer in frühester Zeit ausmalen. Wunderschön beleuchtet, durch die schon abgefallenen Fackelhalter, wanderte die Seele des verstorbenen durch die Grabkammer, staunte über die wunderschöne Ausstattung und vielleicht wunderte sie sich auch über die Mühen, die sich all die vielen Arbeiter und Künstler hier gemacht haben, bevor sie endgültig die Welt der Toten betrat, sich vom Leichnahm auf ewig trennte.
Da, es zuckte an meinem Auge, als meine geschärften Sinne etwas blitzen sahen, es war am Boden des gewaltigen Sarkophages, nur ein kleiner Nagel schaute dort unauffällig heraus. Sofort inspizierte ich ihn und konnte langsam aber sicher seine Funktion deuten. Er mußte einen geheimen Mechanismus auslösen, der, Oa, ganz bestimmt, der mit einer Art Sperre verbunden war, die sollte er lösen, wenn man ihn ein Stück weiter herauszieht. Es klickte, ich kannte diese Art Klicken und erwartete das Einschlagen eines Pfeiles oder eines Bolzens, doch nichts der gleichen geschah.
 
Da drückte und schob ich den Sarkophag in die Richtung des Eingangs und nur mühsam schaffte ich es eine kleine Treppe freizulegen, die in ein tieferes Gewölbe führen sollte. Mit Hilfe der Fackel leuchtete ich eine stark verstaubte und mit Spinnenweben verklebte Treppe aus, sie mußte ungefähr vier Meter weit in die Tiefe führen, endete dann in einem langen Gang, der in weiterer Entfernung eine Ecke bot.
 
Vorsichtig folgte ich dem Gemäuer, betrachtete großartige Reliefe und Bilder, die einwandfrei noch kein anderer Räuber vor mir gesehen hatte und in der Mitte des langen Ganges, an der linken Seite des Gemäuers machte ich eine große Gestalt aus, ganz in Stein geschlagen, ein verwunschener Wächter vielleicht ?
oder doch nur ein Bild des Schreckens ?
 
Sie war groß und kräftig, anscheinend hatte sie einen langen Schwanz, den sie gerade schleuderte, eine unheimliches Klinge war an seinem Ende, sie schien zu Blitzen. Das Wesen hatte einen Kopf, wie der einer Schlange und zwei muskulöse Beine, es stand eindeutig in Kampfpose und riß sein großes Maul weit auf, wahrscheinlich um Gift zu sprühen.
 
Widerlich, ich beschloß schnell weiterzugehen und gelangte nun zur Ecke, um die ich vorsichtig herumlugte. Dann machte ich die schönste Grabkammer aus, die ich bis jetzt in meinem Leben gesehen hatte, der Boden war gesäumt mit tausenden von goldenen kleinen Stückchen, von den Wänden hingen blitzernde Ketten, alles blitze im Schein der Fackel ungeheuerlich auf, überall lagen Diamanten und am Ende des großen Raumes stand ein weiterer Sarkophag, ich hatte es mir fast gedacht, oben bestattete der alte Herrscher wahrscheinlich nur seine Frau, um sich dann hier mit all seinen Reichtümern einzuschließen.
 
IV. Die Schatzkammer
 
Keinerlei Fallen waren zu sehen und so trat ich vorsichtig zu dem Sarkophag, immer darauf achtend keine Schmuckstücke umzustoßen und herunterhängende Ketten mitzureißen. Meine Hände zuckten, als ich den mit Goldstücken behäuften Sarg sah, mit einem Schwung des rechten Armes räumte ich den Deckel frei und es klimperte in meinem Ohren, wie es ansonsten nur am Zahltag oder an meinem Geburtstag geklungen hatte.
 
Wunderschön, meine Augen waren vergoldet und da bemerkte ich, als ich schon den schweren Deckel anhob, daß da noch ein kleines Stück Gold auf der Platte lag, ein Klumpen, Klein aber Fein. Mit einer geschickten Bewegung ließ ich ihn in meine Taschen gleiten, aber genau in diesen Moment fiel mir der Deckel aus der Hand, rutschte vom Unterteil ab und schlug laut und erbarmungslos hinter dem Sarg auf den Boden, ich erschrak, zerbrach das goldene Teil doch in mehrere kleine Stückchen.
 
"Bei den Göttern der Nacht" schrie ich verzweifelt, als die Reichtümer langsam anfingen zu flimmern und sich dann in Staub auflösten, der Spuk war vorrüber, alles Gold war fort und in meiner Tasche hatte ich keinen Klumpen Gold, sondern nur einen wertlosen Stein eingesteckt.
 
Ich verfluchte meine Dummheit und bemerkte ein leichtes Beben der Wände, war hier alles nur verhext ?
 
"Du Narr, Du verdammter Narr !" hallte es durch die gesamte Halle, als sich von der Decke hängende Goldketten plötzlich zu grünen Schlingen formten und mich ergreifen wollten.
 
Ich wich geschickt aus, doch meine Augen mußten es tun, ja, sie mußten noch einen schnellen Blick in das Innere werfen, dort lagen die Knochen des alten Herrschers, er hatte in der einen Hand einen goldenen Kelch, ganz festumklammert, sein Kopf drehte sich zu mir, wieder erschrak ich, als sich sein Griff um den Kelch lockerte, sodaß ich ihn ohne eine Anstrengung nehmen konnte.
 
Schnell war er verpackt und ich rannte im Zickzack durch die Höhle des Grauens, immer wieder von grünen Peitschen gedemütigt und fast festgehalten, doch das Schwert tat gute Dienste. Dann war es geschafft, ich bog um die Ecke und schon da sträubten sich die Haare auf meinem Körper.
 
V. Der Wächter
 
Das Wesen, etwa so groß wie ich, besaß einen langen knöchernen Schwanz, mit dem es mir einen entsetzlich schmerzhaften Hieb versetzte. Sabber lief dabei entlang seinen Lippen herunter, Wahnsinn breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich seine mit Krallen beschmückten Hände sah, klebten da schon Hautfetzen unter den langen Nägeln ?
 
Ich landete in der staubigen Ecke, Knochen krachten unter meinem Rücken zusammen und nun erkannte ich, worauf ich die gesamte Zeit, die ich hier schon im Grabmal verbrachte, getreten war, viele kleine Knochensplitter, vereinzelt sogar menschliche Schädel, einer wurde von meiner fallengelassenen Fackel getroffen und zerbarst in der flimmernden Dunkelheit.
 
Die Fackel lag ungefähr zwei Meter weit von mir entfernt, neben meinem rechten Fuß, von Blitzen durchzuckt riß ich meine Armbrust vom Rücken, das Wesen trat mit langsamen Schritten zu mir, es schien sein Maul weit aufzureißen, als ob ...
Es brüllte siegessicher und dieses schreckliche Geräuch breitete sich echohaft in den Gängen aus.
 
Endlich hatte ich meine Armbrust geladen, ich zielte auf dieses Monstrum, dann betätigte ich den tödlichen Mechanismus, der es in einigen Bruchteilen einer Sekunde schaffte, die Spannung zu lösen und einen Bolzen, bestückt mit einer Metallspitze, durch die staubige Luft zu wuchten und ihn zu einem todbringenden Geschoss werden zu lassen, das fast immer genau sein Ziel traf, es hätte die Luft zerschnitten, nur ein kurzes leises zischen von sich gebend. Das Monstrum verzog sein Gesicht zu einem Ausdruck des Schreckens, als der Abzug losschnellte. Dann zuckte die Armbrust kurz nach oben und ich erschrak, das Monstrum wurde nicht getroffen, wieder brüllte es, Oetzt noch gefährlicher, noch lauter. Der Bolzen hatte sich kein Stück bewegt, die Sehne mußte über ihn hinweg gesprungen sein.
 
Schweißperlen rannten meine beiden Wangen hinunter, ich merkte das sich auf meiner Stirn ein kleiner See bildete, als das Monstrum gerade zum Schlag ausholte, die Krallen kamen mir von Sekunde zu Sekunde länger vor, sie mußten rasiermesser scharf gewesen sein, sie zerschnitten die Luft und drangen mir gefährlich nah, doch abrupt wurde der Schlag unterbrochen und ich konnte sehen, wie ein Stück der Stirn des Monster zersprang, herausgedrückt von blitzendem Metall. Es schrie verzweifelt auf, doch dieser letzte Schrei wurde von seinem Tode unterbochen, dunkles dickes Blut lief aus der großen Öffnung heraus und sabberte dem Monstrum in das Gesicht, als es nach hinten hinweg kippte und sich in einen leblosen toten Haufen Fleisch verwandelte, der sich dann ganz langsam in feinen Staub formte. Ich wußte nicht was geschah, wer hatte mir geholfen ?
Und schon da hörte ich sanfte Schritte, jemand näherte sich aus dem Gang, helles Licht brannte mir in den Augen, da konnte ich die Umrisse einer geisterhaft schönen Frau erkennen, mit langen blonden Haaren, und einer langen weißen Kutte, sie trug nur eine große Armbrust und während sie sich auflöste, da wußte ich, daß ich den Schutzengel der Diebe gesehen hatte, das Glück der Nacht.
 
VI. Am darauffolgenden Tag
 
Damals hatte ich die Prüfung in diesem Verlies bestanden, noch am selben Abend, ich sollte wohl besser sagen noch in der selben Nacht, machte mich Zdessa vor allen anderen zu einem echten Dieb, einem Mitglied der schwarzen Feder. Dann packte ich voller Freude den goldenen Kelch aus, doch pah ! der Kelch war nur aus einem billigen Ton, was war das für eine schwarze Magie ? In späteren Saufgelagen mit den Anderen wollte mir niemand glauben, daß ich das Glück der Nacht gesehen hatte, alle hielten es für eine Geschichte, doch ich muß zugeben, es war eine schöne und gefährliche dazu.

 
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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 06.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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