Günter Kania

Drei Elfen

Keiner konnte die Spur der drei kleinen Elfen verfolgen. Sie waren durch die Nacht gehuscht und hatten hier und da ein Zeichen hinterlassen, aber wo sie so plötzlich hergekommen sind und wohin sie genau so schnell wieder verschwunden waren, wusste kein Mensch zu sagen.
Drei kleine Punkte in der Nacht nimmt man ja auch so schnell nicht wahr und die meisten Menschen haben um diese Zeit ja auch schon geschlafen. Sie waren von hier nach dort geflogen, hatten sich die Erde mit den Menschen und den Tieren angesehen und hier und dort einen Schabernack verzapft. Gekichert haben sie dann und sich ausgemalt, wie verdutzt die Menschen am anderen Morgen aus den Augen schauen würden aber sie haben keinem ein Leid zugefügt.
Eine von ihnen kam auf die Idee, sich in die Träume der Menschen zu schleichen um zu sehen, was sie bewegt. Einem kleinen Mädchen aus Düsseldorf haben sie einen Alptraum in ein wunderschönes Märchen umgewandelt und einem Jungen aus Bremen, der im Schlaf um seine kürzlich verstorbene Mutter weinte, haben sie diese in seinen Traum gezaubert und sie hat ihren Sohn gestreichelt und getröstet und für diese Nacht war er nicht mehr einsam.
In Dortmund flogen sie über das Bett einer Frau die im Schlaf lächelte. „Schau nur wie hübsch sie ist“, sagte die eine Elfe zu der anderen. „Alle Menschen sind hübsch wenn sie glücklich sind“, erwiderte die andere „hässlich sind nur die, die mit sich selbst hadern und mit ihrer Umwelt, die ständig Unzufriedenen und Nörgelnden, die können alles tun, sie werden nie hübsch anzusehen sein. Mach sie glücklich, wenn sie es zulassen, dann werden sie auch hübsch.“ Die dritte Elfe schaute herab zu der Schlafenden, „die hier ist aber besonders hübsch“ sagte sie, „vielleicht ist sie besonders glücklich.“ „Schau in ihren Traum“, sagte die erste, „wer so lächelt wenn er schläft, wird davon träumen, was ihn glücklich macht.“ Die zweite Elfe legte ihr winziges Köpfchen an die Stirne der Frau. „Es ist nichts zu sehen, in ihrem Traum, nur ein dunkler Raum aus dem viel Wärme strahlt“, sagte sie, „aber da muss noch etwas anderes sein, sehen kann man es aber nicht“.  „Wenn sie so glücklich ist, dann lass sie“ sagte die, die vorhin die dritte war. „wir wollen sie nicht noch erschrecken, sonst ist der schöne Traum vorbei und ihr Lächeln verschwindet wohlmöglich noch. Lasst sie ihn Ruhe, wir wollen weiter“. Es war, als hörte man ein kleines Zischen im Raum und dann waren sie verschwunden.
Einen Penner in Moers ließen sie unterwegs in einem Gebüsch eine Flasche Rotwein finden, die zwei Jugendliche am Tag dort versteckt hatten, nachdem der eine von ihnen diese dem Vater aus dem Keller gestohlen hatte. Sie wollten sie am nächsten Tag austrinken, während die Kameraden in der Schule schwitzen. Erst war der Penner ja noch sehr misstrauisch an die Flasche herangegangen, aber als er sah, dass sie noch fest verkorkt war und die Banderole unbeschädigt, hat er einen kleinen Schrei ausgestoßen und ist fröhlich zu seiner Stammbank gelaufen.
In Gelsenkirchen sahen sie einen Mann in seinem Bett liegen der lächelte. „Schaut mal, wie zufrieden der aussieht. Er hält sein Kissen umschlungen, als hätte er seine Liebste im Arm. Schau nur wie er seinen Kopf in das Kissen drückt“, sagte die, die vorhin die zweite war,  „Er wird von ihr träumen“, erwiderte die erste von vorhin, „es muss ein wunderschöner Traum sein.“ „Wie bei  der Frau“, flüsterte die dritte, „ich werde mal schauen, ob er auch in einem dunklen Raum hinein träumt.“ Sie legte wieder ihr winziges Köpfchen an seine Stirn. „Genau dasselbe“, sagte sie, „genau wie bei der Frau“. Ich werde mir diesen Raum mal ansehen“ sagte die kleinste von ihnen, es war die, die vorhin die zweite war, und man konnte es mit bloßem Auge nicht sehen, so schnell war sie im Traum des Mannes verschwunden.
Der dunkle Raum entpuppte sich schnell als Monitor, der zu einem Computer gehörte und noch Wärme ausstrahlte, weil er bis vor kurzem in Betrieb gewesen war. „Kommt alle her“, rief die Elfe und meinte mit „alle“, ihre zwei Begleiterinnen. „Kommt her“, rief  sie aufgeregt, „ich glaube, ich habe etwas entdeckt“. Niemand kann so schnell gucken, wie die beiden anderen bei der ehemaligen zweiten waren. Sie schauten in den Monitor und schauten sich an. Dann kicherten sie, denn was sie da sahen, machte sie fröhlich.
Im Gegensatz zu Menschen benötigen Elfen keine komplizierte Verbindung via Postnetz und Satellit um vom einen Ort zum anderen zu kommunizieren. Sie können direkt durch die Monitore sehen, die zuvor miteinander Kontakt hatten. Sie können sogar mittels dieser Monitore größere Räume überwinden, ohne sie zu verlassen. Sie verschwinden in dem einen Monitor der in Köln steht oder in Gelsenkirchen und kommen aus dem anderen in New York wieder heraus oder in Dortmund. Voraussetzung ist nur, dass diese Monitore zuvor miteinander Kontakt hatten.
Man sah es nicht, aber sie waren in dem einen Monitor verschwunden und als sie aus dem anderen heraus stiegen waren sie im Traum der hübschen Frau aus Dortmund. Die lächelte immer noch, aber das konnten die drei erst sehen als sie dem Traum entstiegen waren. Sie kicherten wieder, sahen sich an und fragten sich gleichzeitig, gegenseitig: “Sollen wir?“ Ihr Kichern hatte ihnen die Antwort schon gegeben.
Die drei winzigen Wesen verschwanden plötzlich unter der hübschen Frau. Diese fing plötzlich wie von Geisterhand bewegt an zu schweben und kein Mensch kann so schnell gucken, wie sie im Monitor verschwunden war und zwar diesmal nicht in dem Monitor des Traumes den sie träumte, sondern in dem der dort am Computer stand. Es war wie unwirklich, so schnell, keiner hätte es sehen können, da schwebte sie schon im Schlafzimmer des lächelnden Mannes. Das Geheimnis war, dass unsere drei kleinen Elfen sich unter ihr befanden. Man sah sie nur nicht, weil sie so klein waren, dass sie von dem Körper der glücklichen Frau verdeckt wurden. Dann ging alles weitere noch viel schneller so dass keine noch so empfindliche Kamera es hätte filmen können. Auf einmal war das Kopfkissen des lächelnden Mannes aus seinen Armen verschwunden und stattdessen war nun dort die glückliche Frau. „Wir geben ihnen drei Stunden“, sagten sie und verschwanden in einer Ecke des Raumes um die beiden zu beobachten. Die lagen nur da und schienen unendlich glücklich zu sein. Der mittelgroßen von den winzigen Elfen, die ehemalige dritte,  entrann eine dicke Träne. „Pass auf“, zischten die beiden anderen, „Elfentränen hinterlassen Spuren“. Aber es war schon eine auf den Boden getropft.
Nach genau drei Stunden stellten sie alles so wieder her, wie sie es vorgefunden hatten, und kein Mensch hatte sie danach mehr gesehen. Am nächsten Nachmittag schickte der lächelnde Mann der glücklichen Frau eine Nachricht. Ich hatte einen wunderschönen Traum. Mir war, als hätte ich dich wirklich in meinen Armen gehalten. Ich liebe Dich. Er schrieb immer ich liebe dich unter seine Briefe, aber er meinte das auch so. Die glückliche Frau schrieb ihm zurück, dass sie genauso gefühlt hätte wie er, und dass sie ihn auch ganz doll lieb hätte.
 
 
Wenn die wüssten….

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 10.06.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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