Reinhard Schanzer

1a Kundendienst

1a- Kundendienst beim Fachhandel?

In einem Geschäft für Werkstattausrüstung und Spezialwerkzeuge hatte ich vor längerer Zeit - für ein Schweinegeld - einen neuen Preßluft - Nibbler erstanden.
Das ist ein Druckluft - Werkzeug, mit dem man in Bleche bis ca. 1,2mm Löcher und Öffnungen schneiden kann. Auch kleinste Radien, z.B. für Armaturen u. Sonnendächer.

Die Funktion und die Qualität des Gerätes wurden vom Verkäufer in den höchsten Tönen gelobt und gepriesen, schließlich sei es ja das neueste, aktuelle und verbesserte Modell der renommierten Firma PNEUTEC, mit dem garantiert nichts mehr schiefgehen könne.
Praktisch absolut „Narrensicher", wie er mir glaubhaft versicherte.

Dieser Hersteller habe sich auf die Herstellung von absoluten Qualitätswerkzeugen spezialisiert, selbstverständlich mit tausendjähriger Garantie usw. usw.
Nicht etwa so ein Billigteil für kleines Geld aus dem Baumarkt, sondern eben ein richtiges Profi- Gerät in Handwerkerqualität für professionelle Anwendungen.
Sämtliche Spengler und Karosseriebauer würden bereits mit so einem Gerät arbeiten.
Da wollte ich natürlich auch gerne die Vorzüge der modernen Technik genießen.

Jedoch, - der Teufel steckt ja im Detail - eine kleine Unachtsamkeit beim ersten Schnittversuch, das Gerät wurde leicht verkantet und der Schnittstempel verabschiedete sich mit einem häßlichen Knacks - Geräusch aus dieser schönen Welt.
Das ist ein kleiner, gehärteter Bolzen mit einer Einkerbung, ca. 45mm lang und 6mm dick.

Kein Problem, dachte ich. Es werden doch sicher noch ein oder gar zwei Ersatzstempel in der Packung sein?

Aber weit gefehlt:
Außer einer Betriebsanleitung auf Chinesisch und Koreanisch, sowie in schlechtem Englisch und noch viel schlechterem Deutsch befand sich nichts weiter in der aufwendigen Hochglanz - Verpackung. 

Die Übersetzung dieser Anleitung möchte ich dem Leser gerne ersparen.
SCHEI......!!!

Bei meinem nächsten Besuch in dem Spezialgeschäft ging ich zu dem Verkäufer, der mir diese Maschine verkauft hatte, um bei ihm mehrere passende Schnittstempel für die Maschine zu erwerben.

Diese Verschleißteile sollte man vielleicht besser doch immer vorrätig haben?
Sicher ist Sicher.

Der Verkäufer schien jedoch ganz plötzlich sehr beschäftigt zu sein und verwies mich an eine Kollegin in der Kundendienst- Abteilung.

Ich ging nach nebenan, doch da war... Niemand! ?.?.?

Nach längerer Wartezeit erschien mit halbvollem Mund eine füllige, schlechtgelaunte ältere Dame, die sich mit kritischem Blick das kaputte Teil besah und nach kurzer Nachfrage, was denn das überhaupt sei, lakonisch feststellte, daß solche Schnittstempel leider nicht auf Lager wären.

„Aber der Kollege hatte doch..."?

„Der Kollege Schuster ist nur für die Kundenberatung und den Verkauf zuständig", erklärte mir die fleischgewordene Matrona kurz und knapp.
Für Kundendienst, Ersatzteile und Reklamationen sei jedoch ein anderer Kollege zuständig, dessen Urlaubsvertretung sie gerade übernommen habe.
Die Firma habe ohnehin schon erwogen, die Reklamationsabteilung völlig aufzulösen, da sie ja ausschließlich Markenprodukte und hochwertiges Werkzeug verkaufen würden.
Reklamationen kämen somit quasi überhaupt nicht vor.

Nur ich...  Ja, ich...

Plötzlich kam ich mir ganz niederträchtig, klein und schmutzig vor.
Zwar hatte ich gar nicht erwogen, den kaputten Schnittstempel zu reklamieren, da dies - wie z.B. auch ein Sägeblatt - ein Verschleißteil war, aber immerhin hatte ich es geschafft, bei einem „absolut narrensicheren Gerät" den Schnittstempel kaputtzukriegen und es somit indirekt gewagt, ein absolutes Qualitätsprodukt des Hauses in Frage zu stellen.

Außerdem hatte ich die fette Trulla ganz offensichtlich bei ihrer wohlverdienten zweiten Kaffeepause gestört, wie mir die restlichen Kuchenkrümel an ihrer linken Backe verrieten.

„Aber sie werden mir doch sicher diese Ersatzteile bestellen können?", fragte ich sie.

Mit einem genervten Blick zog sie den großen Werkzeugkatalog des Hauses unter dem Pult hervor, klatschte ihn auf den Tresen, blätterte längere Zeit darin herum und erklärte mir, daß diese Teile leider nicht in ihrem Lieferprogramm enthalten seien, somit könne sie auch nichts bestellen.

Mein Blutdruck hatte sich unterdessen bereits leicht erhöht.

Obwohl ich ursprünglich gar nicht daran gedacht hatte, erinnerte ich mich wieder an die Aussage des Verkäufers mit der tausendjährigen Garantie für das edle Teil.

Auf meine Frage hin, ob es denn unter diesen Umständen nicht ein klassischer Fall von Garantie wäre, entgegnete sie leicht pikiert:
„Aber ich bitte Sie! Verschleißteile wie z.B. ein Sägeblatt oder ein Schnittstempel sind natürlich von jeglicher Gewährleistung ausgeschlossen, das müßten Sie als Fachmann doch eigentlich wissen?
Tja, mit einem neuen Schnittstempel kann ich Ihnen leider nicht dienen, aber wenn Sie vielleicht einen Neukauf in Erwägung ziehen würden...?
Unser Herr Schuster in der Verkaufsabteilung würde Sie sicher gerne über die Vorzüge des neuesten Modells informieren.

Ich hatte jedoch aus verständlichen Gründen keinerlei Interesse an dem Neuerwerb eines Gerätes, wofür es natürlich auch keine Ersatz- Schnittstempel gab.
Außerdem hatte sich mein Blutdruck in der Zwischenzeit so weit erhöht, daß ich diesem Herrn Schuster mit seinem Blahblahblah wahrscheinlich an die Gurgel gesprungen wäre.
Aber wofür gab es eigentlich einen Geschäftsführer?

Kurz entschlossen ging ich ein Stockwerk höher, um mein Anliegen einfach direkt an „höherer Stelle" vorzutragen.

Im Vorzimmer des Geschäftsführers fragte mich eine hübsche junge Frau mit blauen Augen und strohblonder Mähne nach meinem Anliegen.

„Frl. Nicole Ganslmeier" stand auf einem Namensschild an ihrer Bluse zu lesen.
Eine durchaus gelungene Namensgebung also.

Wenn man schon Ganslmeier heißt, so kann man diesen Namen natürlich nicht durch einen „einfachen" deutschen Vornamen wie z.B. Katharina, Marianne oder Erika aufpeppen, da muß schon etwas Exotischeres her.  So wie Arabella, Nicole oder Jasmin z.B.

Offensichtlich hatte ich Frl. Ganslmeier gerade bei einer sehr wichtigen Tätigkeit gestört? Jedenfalls lag die Nagelfeile und der geöffnete Nagellack noch auf ihrem Schreibtisch und der Geruch von „Moments" in Verbindung mit Zigarrettenrauch und frischem Nagellack lag in der Luft.

Ich erklärte ihr, daß ich wegen eines defekten Nibbelgerätes, bzw. nicht lieferbaren Ersatzteilen gerne den Geschäftsführer gesprochen hätte.

Ihr doofer Blick aus blauen Augen unter der strohblonden Mähne sagte mir, daß sie keinen blassen Schimmer hatte, worum es sich dabei überhaupt handelte.
Sie erklärte mir in sehr freundlichem Ton, daß sich der Geschäftsführer derzeit leider auf einer mehrtägigen Dienstreise befände, aber wenn ich mein Anliegen doch in der Kundendienstabteilung bei Frau Müller im Erdgeschoß vortragen möchte...?
Das wäre eine sehr fachkompetente Person und sie sei schließlich für Ersatzteile und Reklamationen zuständig...
Falls ich jedoch einen Neukauf in Erwägung ziehen sollte, so möchte ich mich doch bitte an Herrn Schuster wenden, auch er sei eine sehr fachkompetente Person und...

Mehr hörte ich nicht mehr, da mein Pulsschlag bereits den Hals zu sprengen drohte.
Meine Augäpfel waren schon weit aus ihren Höhlen getreten und ich fühlte, wie bereits die ersten kleinen Äderchen in meinem Kopf zu zerplatzen drohten.

Ich drehte mich um und schlug die Türe hinter mir so fest zu, daß es im ganzen Obergeschoß zu hören war.

Ganz plötzlich fiel mir die Geschichte vom Buchbinder Wanninger wieder ein, - aber diese absurde Geschichte war doch sicher nur ein Bühnenstück des bekannten Münchner Kabarettisten Karl Valentin?

- Oder etwa doch nicht???

Aber das wird wohl für immer ungeklärt bleiben, denn Karl Valentin ist schon lange tot.

Als ich - mit immer noch leicht erhöhtem Blutdruck - das Geschäft verließ, hörte ich durch das angelehnte Fenster die Stimme des Kollegen Schuster, der mir das edle Teil verkauft hatte:
„Na, Frau Müller, das war aber mal wieder ein besonders unangenehmer Kunde?
Hatte der doch wirklich erwartet, wir würden für diesen Schrott aus Taiwan auch noch Ersatzteile auf Lager haben. Hahahahaha!!!
Wo waren wir doch gerade stehengeblieben? Ach ja, bei Ihrem Sohn, der in Griechenland das falsche Hotelzimmer bekommen hatte und dessen Reklamation leider erfolglos verlief.
Eine bodenlose Unverschämtheit so etwas!
Ich sag`s ja immer: Diese Südländer! Die sollten sich vielleicht einmal ein Beispiel an uns Deutschen nehmen!
So etwas würde bei uns ganz sicher nicht passieren, bei uns herrscht noch ein Pflichtgefühl dem Kunden gegenüber.

Kopfschüttelnd verließ ich diesen Ort der freundlichen Kundenberatung und fuhr geradewegs zum nächsten Baumarkt...

Diese Geschichte ist leider nur zum Teil Satire!Reinhard Schanzer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.06.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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