Silvia Pree

Die Wohnungsnachbarin


Liebe ist wie ein Apfel, den dir das Leben anbietet.
Wie er schmeckt, erfährst du erst, wenn du ihn annimmst…
Horst kam verärgert von der Firmenfeier nach Hause.
Achtlos warf er die Jacke in eine Ecke.
Seine Schuhe lagen zerstreut im Flur.
Horst warf sich auf den Fernsehsessel.
Schnappte sich die Fernbedienung.
Zippte durch die Programme.
Es war fast ein Uhr Morgen.
Erotikwerbung.
Dubiose Hotlines.
Horst warf die Fernbedienung wieder zur Seite.
Barg sein Gesicht in den Händen.
Seufzte.
Carla.
Die Kollegin von der Marketingabteilung.
Die süße, aparte Person mit dem hinreißenden Pagenkopf.
Er hatte es eingerichtet, neben ihr zu sitzen.
Charly hatte ihm noch zugezwinkert!
Bonne Chance!
Viel Glück.
Aber Carla hatte ihn eher ignoriert.
Plauderte mit der Chefin.
Oder mit ihrem Gegenüber.
Hans Weiland, diesem gut aussehenden Nichtstuer vom 2. Stock.
Natürlich wirkte er auf Frauen.
Wie alle Nichtstuer.
Seine Versuche mit seinem Schwarm in ein längeres Gespräch zu kommen, scheiterten.
Ihr Verhalten war nett, aber oberflächlich.
Ihr Blicke ohne wirkliches Gefühl.
Am Herren-WC legte ihm Charly die Hand auf die Schulter.
Nimm’s nicht so schwer.
Wenigstens hast du es versucht…
Der größere Tiefschlag sollte aber noch folgen.
Etwa eine halbe Stunde vor dem allgemeinen Aufbruch kam ein mittelgroßer Mann ins Lokal.
Zielsicher visierte er den Tisch der Firma an.
Carla begann zu strahlen.
Horst erschrak.
Carla stand auf, fiel dem Unbekannten um den Hals.
Als sie kurz ihren Kopf drehte, bemerkte Horst dieses Leuchten in ihrem Gesicht.
Eine verliebte Frau.
Eine glückliche Frau.
Keine Frage, in so einem Fall war er ohnedies chancenlos.
Horst verschwand an die Bar.
Charly holte ihn nach dem zweiten Tequila wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Horst, mach keinen Blödsinn.
Das wusste keiner.
Und jetzt reiß dich zusammen…
Es gibt noch andere Frauen, hörst du?
Etwas verkatert erwachte Horst am späten Vormittag.
Wieder so ein trostloser Sonntag.
Die Sonne blinzelte durch die Jalousien.
Schließlich stand er auf, duschte sich.
Putzte die Zähne.
Schließlich setzte er Kaffee auf.
Die Kaffeemaschine spuckte und speite wie ein verkühlter Drache.
Völlig verkalkt.
Horst durchwühlte den Kühlschrank.
Weit und breit keine Milch.
Vor lauter Aufregung um Carla und die Firmenfeier hatte darauf vergessen.
Horst fluchte.
Er sah auf die Uhr.
Vielleicht war ja Anna daheim, seine Wohnungsnachbarin.
Die hatte sicher Milch.
Er schlüpfte in den Jogginganzug.
In der Hand eine Kaffeetasse läutete er an der Nebentür.
Anna öffnete.
Das Gesicht der Frau lächelte warm, als sie ihn erkannte.
Horst?
Horst grinste verlegen.
Deutete in die Kaffeetasse.
Keine Milch.
Kannst du mir aushelfen?
Anna nickte.
Komm doch rein.
Horst schlurfte in Socken in die Wohnung.
Sauber aufgeräumt.
Hübsch eingerichtet.
Horst nickte, ohne es zu merken.
Die Wohnung Annas gefiel ihm.
Anna goss etwas Maresi in die Tasse.
Milch habe ich nicht, aber das tut es auch, oder?
Ihr Blick musterte Horst interessiert, mehr als das.
Horst bemerkte das nicht.
Er nickte zufrieden.
Danke, Anna.
Du bist die Beste.
Er drehte sich um.
Während er zur Tür ging, fiel ihm Carla wieder ein.
Er presste die Lippen fest aneinander.
Die Erinnerung an die vergangene Nacht kam wieder.
Anna blickte ihm nach.
Ihre Miene zeigte leise Enttäuschung.
Traurigkeit.
Dann drehte sie sich weg.
Zuckte die Achseln.
Na gut…
Die Wohnungstür wurde geschlossen.
Anna fühlte erneut den leisen Schmerz.
Sie seufzte laut.
Horst schlürfte den Kaffee.
Charly hatte angerufen.
Na, wie geht’s Sportsfreund?
Horst hatte ungehalten reagiert.
Willst du mich auf den Arm nehmen?
Wie soll ich mich wohl fühlen?
Er war ziemlich laut geworden.
Dass mich einfach keine nette Frau will?
Soll ich glücklich sein darüber?
Carla ist ja nicht die erste, die mich nicht wahrnimmt.
Soll ich jubeln?
Charly gelang es nicht, ihn zu beruhigen.
Also wenn du es dir überlegst, heute Abend um 20:00 Uhr wieder in dieser  Bar.
Und lass deinen Blues daheim.
Würde dir wirklich gut tun…
Horst hatte angewidert aufgelegt.
War es falsch gewesen, den ganzen Frust auf seinem Freund abzuladen?
Und dennoch.
Gedanken wie diese waren ihm schon oft durch den Kopf gegangen.
Frauen interessierten sich halt einfach nicht für ihn.
Und wenn doch, dann wollten sie nur sein Geld.
Warum?
Warum immer er?
Horst schlürfte seinen Kaffee und fand keine Antwort…

Vivienne

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 05.07.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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