Reinhard Schanzer

Die neue Schule und das Leben in der Stadt

Vierter Teil: Die neue Schule und das Leben in der Stadt.

In der Stadt wohnten sie in einer kleinen 2-Zimmer- Wohnung an einer viel befahrenen Straße.
Die ersten Wochen hatte er Nachts deswegen kaum ein Auge zugetan.
Autos gab es nämlich in dem kleinen Dorf nicht, wo er bei seinen Großeltern gelebt hatte.

Diese sogenannte „Wohnung" war im Grunde nur ein finsteres Loch, ein ehemaliges altes, feuchtes Stallgebäude in einem Hinterhof, das von dem Besitzer notdürftig für Wohnungen umfunktioniert worden war.

Ganze 21 Mietparteien wohnten zu jener Zeit in diesen alten Gemäuern auf sehr beengten Platzverhältnissen mit Etagen- Plumpsklo und ohne Bad.
Die meisten der Mieter waren Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten.
Sie kamen aus Pommern, Schlesien, Danzig und Ostpreußen, da waren Juden aus Rußland, ein Viehhändler aus Rumänien, ein Schuster aus Südtirol, verarmte Adelige, ehemalige Gutsbesitzer und ganz einfache Leute, die in diesen Gemäuern hausten.
Das Hauptgebäude bewohnten der Vermieter selbst mit seiner Frau und noch andere auserwählte Mieter, die schon sehr lange hier wohnten.

Gewiß, Komfort hatte er zuhause bei seinen Großeltern auch nicht gekannt, aber im Stallgebäude wohnten dort nur die Kühe und die Schweine.
Und das Haus seiner Großeltern lag außerhalb vom Dorf schön gelegen auf einem Hügel umgeben von Wald und Wiesen mit einer wunderbaren Fernsicht über die ganze weite Umgebung.
Allein dieser Umstand entschädigte für alles andere.

Er haßte diese Stadt, diese Wohnung, dieses Haus und alle Menschen, die darin wohnten, einschließlich seiner Mama, seinen Stiefvater und die neue Schule.
Bei der Einschulung an dieser Schule hatte er auch einen neuen Namen erhalten, den er eigentlich gar nicht haben wollte.
Er hieß jetzt nicht mehr so wie seine Mutti und sein Vati, sondern so wie dieser Mann, den seine Mamatante vor kurzem geheiratet hatte.
Er konnte nicht erkennen, wofür das gut sein sollte?
Seine schulischen Leistungen sanken auf einen Tiefpunkt, aber zuhause fiel dieses niemandem auf.
Seine Mama und sein Stiefvater waren beide Berufstätig und hatten andere Sorgen, als sich um seine schulischen Leistungen oder gar um seine Hausaufgaben zu kümmern.

An dieser Schule gab es für 10 Pfennige schon die verbilligte Schulmilch, wahlweise sogar als Kakaogetränk.
Allerdings konnten nicht alle Schüler, bzw. deren Eltern diesen Betrag aufbringen.
Auch seine Eltern hatten dafür nichts übrig und solchen Luxus wie z.B. Taschengeld gab es damals noch nicht. Zumindest nicht für alle Kinder.
Der Klassenlehrer wußte dies natürlich und bestellte für sich selbst immer 3 Tüten Milch, von denen er dann immer zwei an solche Schüler verteilte, die sich keine leisten konnten.
Manchmal gab er sogar die bereits angetrunkene Tüte an einen Schüler weg.
Natürlich hingen bei der Milchverteilung in der Pause die Augen von einigen Schülern bereits ganz begierig an diesem Lehrer.
Wer würde wohl heute der Glückliche sein?
Als ein relativ braver Schüler kam somit auch er manchmal in den Genuß von kostenloser Schulmilch.

Schulausflüge waren die nächste Hürde, die zu bewältigen war.
Natürlich gab es immer wieder die gleichen Schüler, deren Eltern den - relativ geringen - Unkostenbeitrag dafür nicht aufbringen konnten oder wollten.
Diese Schüler „wollten" dann natürlich nicht mitfahren, wenn ein Klassenausflug anstand.
Die betreffenden Schüler wurden dann eben für diesen Tag in einer anderen Klasse untergebracht. 
Dort lernten sie zwar nichts, waren aber zumindest unter Aufsicht.
Natürlich war auch er immer unter denen, die nicht mitfahren „wollten".

Der alte Religionslehrer, ein „Monsignore" Namens Roßmadl erzählte eigentlich die meiste Zeit über seine Abenteuer bei einer Panzerdivision der Wehrmacht im Krieg an der Ostfront.
Dabei fielen oft unbekannte Ortsnamen wie Minsk, Smolensk oder Dnjepropetrowsk.
Niemand wußte so genau, was er dort eigentlich wirklich gemacht hatte, aber er mußte wohl den Rang eines Sturmbannführers der Waffen-SS gehabt haben?
Zumindest ging dies manchmal aus seinen Erzählungen hervor.
Für die Schüler waren diese Geschichten jedenfalls eine willkommene Abwechslung zum faden Religionsunterricht.

Da er aber irgendwann auch Noten vergeben mußte, verkaufte er kurz vorher für ein Taschengeld immer Missionshefte von „Misereor", die sowieso niemand lesen wollte.
Aber wer viele Hefte kaufte, bekam eine gute Note, wer keine kaufen konnte, eben eine schlechte Note. So einfach war das.
Der kleine Junge hatte natürlich in Religion immer schlechte Noten.

Ebenso war es bei Beginn eines neuen Schuljahres: Es waren an der Schule immer eine gewisse Anzahl von alten Schulbüchern vorhanden, die an solche Schüler verteilt wurden, deren Eltern finanziell nicht ganz so reich gesegnet waren.
Auf die schon gefürchtete Frage hin: „Wer von euch braucht Schulbücher?" mußte er stets die Hand heben und damit war er bei seinen bessergestellten Schulkameraden bereits zu Beginn des neuen Schuljahres wieder der „Barackler".
Zumindest aber war er damit nicht alleine.

Als Neuankömmling in der Schule sollte er natürlich nach der Schule auf dem Schulweg von seinen Mitschülern erst einmal eine Tracht Prügel bekommen, damit ihm von Anfang an klargemacht werden sollte, wie in der Klasse die Rangverhältnisse standen.

Einige Male war es ihm jedoch gelungen, dieser Abreibung einfach durch einen anderen Heimweg durch versteckte Gassen auszuweichen.
Einmal aber hatte sie ihm zu Sechst aufgelauert und eine Flucht war somit Unmöglich geworden.
Der Wortführer rempelte ihn mehrmals an um ihn zu provozieren, während die anderen grinsend und feixend um ihn herumstanden.
Den schweren Schulranzen hatte er bereits weggeschmissen, um somit schneller rennen zu können, falls es doch ganz Überraschend noch einen Ausweg geben sollte.
Er war nämlich kein geübter Raufbold und auch nicht besonders Tapfer.
Gleich gegen Sechs hatte er natürlich nicht die Spur einer Chance, es schien Aussichtslos.

Da erinnerte er sich wieder an das, was sein Großvater einmal zu ihm gesagt hatte:
Niemals nur anrempeln oder nur ganz Zaghaft zuschlagen, sondern IMMER sofort mit ALLER zur Verfügung stehenden Kraft zuschlagen!

Beim nächsten Rempler trat er dem Wortführer ganz plötzlich mit dem Fuß kräftig in die Hoden und schlug ihn gleichzeitig mit der Faust voll ins linke Auge, wobei er dessen Nase noch streifte.
Der größere Junge jaulte vor Schmerz laut auf und ging zu Boden.
Noch bevor dieser hinfiel, versetzte er ihm einen weiteren Hieb auf die Nase, so daß dessen Blut herumspritzte.
Bevor sich die anderen auf ihn stürzen konnten, hatte er ihm noch mit den Stahlkappen seiner Schuhe einige kräftige Tritte in die Rippen verpaßt, woraufhin dieser noch lauter aufheulte, sich blutend auf dem Boden wälzte und dabei ganz Atemlos keuchte.
Es war ihm jetzt völlig egal, wenn er ihm dabei vielleicht noch einige Rippen brechen sollte, die anderen würden ihn Anschließend wahrscheinlich sowieso fertigmachen.

Weder der Wortführer, noch die anderen hatten diese Reaktion von ihm erwartet, waren sie ihm doch zahlenmäßig weit Überlegen gewesen.
Jetzt hatte er auch gar nicht mehr die Absicht, wegzulaufen. Mit wutverzerrtem Blick sah er in die Runde und fragte: „Na, noch Einer?"
Dabei blickte er den Zaghaftesten von allen an, woraufhin dieser heftig zurückschreckte.

Er hätte sowieso gar nicht mehr weglaufen, aber auch keinen weiteren Kampf mehr bestehen können, denn er hatte sich mit den kräftigen Tritten in die Rippen den rechten Fuß und beim Faustschlag ins Auge des Gegners den rechten Daumen verstaucht.
Wortlos steckten diese die Köpfe ein und trollten sich. Ihren Anführer ließen sie dabei einfach wimmernd und blutend liegen.

Er aber hatte gelernt, daß es in einem Kampf nicht immer nur auf Größe und Kraft ankam, sondern daß eine wilde Entschlossenheit und eine rücksichtslose und ungehemmte Brutalität dabei oft genauso Wirksam waren. 

"Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir", hatte einer seiner Lehrer einmal gesagt.
Ob dieser Mann überhaupt wußte, wie Recht er damit hatte?

Nur Zaghafte, Ängstliche und Feiglinge bekommen Prügel.
Sein Großvater hatte dies bereits gewußt!

An diesem Tage humpelte er nach Hause und hielt seine rechte Hand in eiskaltes Wasser, um die Schmerzen am ausgerenkten Daumen zu lindern.
Es tat höllisch Weh und Schreiben konnte er damit am nächsten Tage noch nicht.

Der Wortführer dieser Schlägerei aber konnte einige Tage nicht in die Schule kommen.
Seine Prellungen und Blutergüsse waren zu Schmerzhaft, außerdem war dessen Auge noch längere Zeit danach ganz Blutunterlaufen und die Nase geschwollen.
Jedenfalls aber hatte er von diesem Tage an seine Ruhe auf dem Schulweg.
Daß er von da an unter seinen Schulkameraden den Ruf eines wüsten Schlägers hatte, kümmerte ihn nicht weiter...
 
Eines Tages kam eine seiner Tanten zu Besuch und er hörte ganz beiläufig, wie diese zu seiner Mama sagte: „Willst Du ihm denn nicht endlich sagen, wer sein richtiger Vater ist?"
Ganz offensichtlich hatte sich seine Mama darüber beklagt, daß er leider ein sehr schwieriger Junge sei? Besonders im Umgang mit seinem jetzigen Stiefvater.

Sein leiblicher Vater war nämlich der Sohn des größten Bauern aus einem Nachbardorf und er hieß Danninger.
Dieser hatte sich jedoch nie um ihn gekümmert und auch die Alimente nie gezahlt, bis es seinem Großvater schließlich zu dumm wurde und er die Vormundschaft einfach an das Jugendamt abgetreten hatte.
Von da an wurde der Unterhalt einfach regelmäßig vom Einkommen des Vaters gepfändet und war somit sichergestellt.
Dies alles bekam er aus dem Gespräch seiner Tante mit seiner Mama mit. Er wußte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht, was Alimente überhaupt sind.
Persönlich kennengelernt hatte er diesen Danninger oder seine Verwandtschaft jedoch nie.
In den nächsten Jahren bekam er noch zwei Geschwister: Zunächst einen kleinen Bruder und ein Jahr darauf eine kleine Schwester.
Seine Mama war zwar jetzt nicht mehr Berufstätig, hatte aber auch keine Zeit, sich auch noch um ihn zu kümmern. Die beiden Kleinkinder hielten sie schon genügend auf Trab.

So hatte er genügend Gelegenheit, nach der Schule herumzustreunen, die große Müllhalde nach „Schätzen" zu durchstöbern, Kartoffeln vom Feld zu klauen, fremde Fischteiche mit wohldosierten Karbid - Sprengladungen zu leeren, mit Schulkameraden anschließend am Waldrand ein Feuer zu machen, um die Fische samt Kartoffeln dort zu verzehren und dergleichen mehr Unsinn anzustellen.
Naturgemäß waren dies natürlich dieselben Schulfreunde, mit denen er immer in anderen Klassen „geparkt" wurde, wenn wieder mal ein Schulausflug Angesagt war.
Auch alle Hinterhöfe und Gassen der Stadt kannte er mittlerweile wie seine eigene Hosentasche.
Zuhause fiel das niemandem auf. Weder seine Mama, noch sein Stiefvater vermißten ihn und dies beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit.

Wieder war es seine Tante, die seine Eltern endlich dazu überredet hatte, ihm ein kleines Taschengeld zu geben. Schließlich sollte er doch endlich lernen, wie man mit Geld umging.
Sie hatte sogar eine Geldbörse mitgebracht, in der sich bereits ein Startkapital von zwei Mark befand.
Von seiner Mama dagegen bekam er von da an ziemlich regelmäßig 10 Pfennig Taschengeld pro Tag.

Wahnsinn!! Er war jetzt ziemlich reich!

Wenn seine Mutter ihn manchmal zum Einkaufen geschickt hatte, so hatte er niemals Geld, sondern immer einen Zettel mitbekommen, auf dem alles genau aufgeschrieben war, was er nach Hause bringen sollte.
Auf gar keinen Fall aber mehr!
Der Kaufmann mußte daraufhin den Kaufpreis in ein Buch schreiben und am Anfang des Monats ging seine Mutter in den Laden, um alles zu bezahlen.
Manchmal - hauptsächlich im Winter - bekam er jedoch den Auftrag, einen weiten Bogen um diesen Laden zu machen und in einem anderen Geschäft einzukaufen.
Der Stiefvater war in dieser Zeit nicht in seiner Arbeit, sondern meistens im Wirtshaus, manchmal aber auch zuhause.
Der Umweg hatte den Hintergrund, daß in dieser Zeit oft das Stempelgeld nicht reichte, um die Schulden beim Kaufmann bezahlen zu können.
Dieser sollte aber nicht sehen, daß man inzwischen bei seiner Konkurrenz Einkaufen ging. (und natürlich auch dort Anschreiben ließ).

Oft fuhr er jedoch nach der Schule mit dem Fahrrad in das weit entfernte Dorf, wo er aufgewachsen war, um Vati und Mutti, also seine Großeltern zu besuchen. Dort fühlte er sich einfach immer noch mehr Zuhause als in der Stadt.
Seine Lieblingskatze Minka freute sich jedesmal, wenn er kam und strich schnurrend um seine Beine.
Auch die feuerroten Locken von „Medi", seiner ehemaligen Mitschülerin sah er manchmal von der Straße aus in der Sonne leuchten, aber sie waren sich inzwischen fremd geworden.
Andere Freunde hatte er in dem Dorf ohnehin nie gehabt.
Nur die Heimfahrt war danach immer sehr schwer, obwohl es - im Gegensatz zur Hinfahrt  - die meiste Zeit bergab ging.
Durch sein neues Einkommen, das er eigentlich seiner Tante zu verdanken hatte, konnte er es sich jetzt sogar leisten, im Winter oder bei ganz schlechtem Wetter manchmal den Bus zu benutzen.
Auch die Großmutter steckte ihm manchmal das Fahrgeld für den Bus zu.
Sein Großvater aber hatte wirklich Wort gehalten und  - wie versprochen - seine Eltern und ihn manchmal mit dem Bus in der Stadt besucht.
Der Abschied war dann immer sehr schwer und jedesmal begleitete er seinen Großvater abends noch bis zur Bushaltestelle, wenn dieser wieder nach Hause fahren mußte.

Der Stiefvater hatte seinen Lebensmittelpunkt so nach und nach immer mehr ins Wirtshaus verlegt. Er kam zumeist spät abends stockbesoffen nach Hause, wo er erst einmal heftig randalierte und dabei seine Frau und die beiden kleinen Kinder verprügelte, bevor ihm in seinem Rausch die Augen zufielen und er laut schnarchte.
Dabei stank die kleine Wohnung immer ganz fürchterlich nach kaltem Zigarrettenrauch, Schweiß und Bierdunst.

Inzwischen hatte er sich auch mit einigen Kindern von anderen Hausbewohnern angefreundet und sie spielten oft zusammen auf dem großen Innenhof des Mietshauses.
Es waren zwar überwiegend „nur" Mädchen, aber das war eigentlich auch egal.
Nur eines von den Mädchen wurde regelmäßig zurück in die Wohnung gerufen, wenn ihre Eltern sahen, daß auch er mit in der Gruppe war.
Sie hieß Isolde und war ein zaghaftes, mageres, beinahe dürres Kind mit dünnem Haar und blassen, ausdruckslosen Augen.
Ihre Eltern wohnten zwar auch in diesem Loch, aber sie glaubten, etwas „Besseres" zu sein.
Deshalb hatten sie auch kaum Kontakt zu den anderen Mietern.

Zu einem anderen Mädchen mit langen Zöpfen und großen, braunen Augen dagegen verspürte er richtige Zuneigung.
Sie hieß Brunhilde und wohnte mit ihren Eltern in dem großen Hauptgebäude, in dem auch der Vermieter wohnte. Ihr Vater war zugleich der Hausmeister des alten Mietshauses.
Ihre ruhige und bedächtige Art gefiel ihm und er spielte sehr gerne mit ihr auf dem großen Innenhof. Allerdings wurde er nie in die Wohnung ihrer Eltern gelassen.

Seine schulischen Leistungen hatten sich inzwischen auf ein gutes Mittelmaß stabilisiert.
Nur mit dem neuen Religionslehrer, einem katholischen Kooperator Namens Gregor mit einem nahezu krankhaft missionarischen Eifer hatte er seine Probleme.
Dies war ein athletischer, kräftiger Mann, der bereits in seiner Studienzeit in der Mittelgewichtsklasse geboxt hatte und für seine Grobheiten in der ganzen Stadt bekannt war.
Ganz offensichtlich fühlte er sich wie ein zweiter Don Camillo?
Von diesem bezog er auch des öfteren vor der gröhlenden Klasse eine Tracht Prügel, wenn er nicht auf Anhieb sagen konnte, welcher von den drei Priestern der Pfarrei denn am Sonntag in der Kirche die Predigt gehalten hatte.
Da er die Kirche regelmäßig schwänzte, konnte er dies auch nur sehr selten beantworten.
Mann, der hatte vielleicht einen groben Schlag drauf!
Blutergüsse und mehrtägige blaue Flecken waren das Mindeste, was davon übrigblieb, einem Schüler hatte er sogar einmal einen Zahn ausgeschlagen, als er auf ihn einprügelte.
Was war er froh, als in der nächsten Klasse der neue Kooperator  Perra den Religionsunterricht übernahm.
Dessen Methoden unterschieden sich Grundlegend von denen seines älteren Amtsbruders.
Durch seine nette und umgängliche Art war er auch in der gesamten Pfarrei sehr beliebt, was natürlich seinem älteren Kollegen Gregor deutlich mißfiel.
In der Mitte des Schuljahres wurde dieser jedoch ganz plötzlich abberufen und in eine weit entfernte Pfarrei versetzt.
In der Stadt wurde gemunkelt, daß der Kooperator Perra angeblich eine Affäre mit einer verheirateten Frau aus dem Stadtbereich gehabt haben sollte.
Sein mißgünstiger Amtsbruder Gregor habe ihn jedoch beim Bischof angeschwärzt, um damit seine eigene Karriere zu sichern.
Kooperator Gregor hielt von nun an wieder den Religionsunterricht mit eiserner Faust.

Einer seiner Lehrer hatte es jedoch verstanden, sein Interesse an der Literatur zu wecken.
Zunächst mit einem Buch von Mark Twain, des bekannten amerikanischen Schriftstellers.
Es war die Geschichte von einem Jungen, dessen Leben ihn ganz stark an sein eigenes erinnerte:
Es hatte den Titel „Die Abenteuer des Huckleberry Finn".
Zwar spielte diese Geschichte im Amerika des vorigen Jahrhunderts, aber die Parallelen zu seiner eigenen Biographie waren ganz überraschend Ähnlich, er konnte sich gut damit Identifizieren.
Von da an war er ständiger Besucher der Schulbücherei, die eben dieser Lehrer in seiner Freizeit leitete.
Viel Zeit verbrachte er von nun an mit Lesen.
Seine Schulfreunde, mit denen er bisher die meiste Zeit verbracht hatte, konnten damit allerdings nichts anfangen.
Die meisten von ihnen verlachten ihn nur und wandten sich von ihm ab.

Im Alter von ca. 12 Jahren hatte er dann sein erstes literarisches Coming Out.
Er hatte in der Schule einen Aufsatz geschrieben, der vom Klassenlehrer als „ganz eindeutig Bester von allen" gekürt und auch mit einer Eins benotet wurde.
Es ging dabei um das Thema Träume und er begann den Aufsatz mit den Worten eines Schlagers, der zu dieser Zeit gerade aktuell war und oft im Radio lief:
 „...Und wenn es auch nicht ganz wahr ist..."

Zur „Belohnung" durfte er seinen Aufsatz anschließend vor der ganzen Klasse laut vorlesen.
Es bleibt ein Rätsel, was sich der Lehrer wohl dabei gedacht haben mag?
Die Reaktion seiner Mitschüler darauf kann man sich jedenfalls gut vorstellen, Streber und Kameradenschwein waren dabei noch die harmlosesten Ausdrücke.

Er hat seitdem nie wieder einen Aufsatz geschrieben, der über das Mittelmaß hinausging.

 

Bei dieser Geschichte handelt es sich um den 4. Teil aus einer Autobiographie eines kleinen Jungen, der ohne Vater aufgewachsen war und ihn deshalb nie gekannt hatte.
Diese ganze Geschichte ist natürlich viel zu lang für dieses Forum, das ja eigentlich eher für Kurzgeschichten gedacht ist.
Deshalb habe ich die Geschichte in mehrere Kapitel unterteilt, um die Aufmerksamkeit des Lesers nicht mit einer Endlosgeschichte zu ermüden.
Selbstverständlich wurden auch diese Kapitel nochmals drastisch gekürzt, um sie auf ein - für den Leser - erträgliches Maß zu reduzieren.
Ich hoffe aber, damit die gesamte Geschichte nicht allzu sehr „zerstückelt" zu haben und die Übergänge zwischen den einzelnen Episoden einigermaßen „lesegerecht" ausgeglichen zu haben?

Die Titel der einzelnen Kapitel sind wie folgt:

1. Die Wurst
2. Das kleine Häschen
3. Verlust der Heimat
4. Die neue Schule und das Leben in der Stadt
5. Lehrzeit und erste Liebe
6. „Medi"
7. Der Vater
8. Alaska

Den interessierten Leser bitte ich, diese Geschichten auf meiner Seite einfach anzuklicken.

Kommentare und Anregungen dazu sind natürlich herzlich Willkommen, selbstverständlich aber auch konstruktive Kritik!
Schließlich möchte man ja wissen, ob und wie die Geschichten beim Leser ankommen.

Eigentlich schreibe ich ja viel lieber bissige und satirische Artikel.
Diese Geschichte ist deshalb sozusagen „Neuland" für mich.

Also, - keine falsche Zurückhaltung bitte!
Reinhard Schanzer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.07.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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