Christian Beyer

Meine Heimat

Er läuft eine gepflasterte Straße hinunter. Um ihn herum Tod, Verwesungsgeruch und rauchende Trümmer. Mit starrem Blick und versengten Haaren wankt er immer geradeaus in Richtung Innenstadt. Die Hitze ist noch immer unerträglich. Ständig stolpert er über die verkohlten Reste der ausgebombten Bewohner dieser Straße. Rauchschwaden über der ganzen Stadt verteilen überall Asche, auch seine Haare sind schon ganz grau davon. Die grauschwarze Wand am Himmel lässt das Ruinenfeld, dass seine Stadt dargestellt hat in einem gespenstischen Licht erscheinen. Die Welt wie mit drohenden Fingern anklagend ragen manche Häuserreste in den Himmel. Es ist still, ab und zu von berstenden Explosionen von Spätzündern durchbrochen, und das Flammengeprassel über den Trümmerbergen macht dieses Szenario noch trostloser. Tränen laufen ihm über das Gesicht, er kann es nicht fassen.
Gestern noch hatte er mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn hier im Kaffee gesessen, Spaß gehabt und Kuchen gegessen. Ja genau dort unter den Linden. Er könnte heulen. Bombentrichter, Baumstummel, zerknickte Balken und Mauerreste, daran kleine leckende Flammen alles zeigt jetzt wo früher Kaffee und Kuchen gereicht wurden und jetzt der Tod haust. Nun schleppt er sich weiter, die Erinnerung an den Bombentod seiner Familie in der letzten Nacht mit sich tragend macht er sich auf den Weg zu den großen Löschtanks auf dem Marktplatz. Die Hitze ist auch jetzt noch unerträglich und egal auf welche Straße er auch einbiegt, er sieht nur zerstörte Häuser und brennende oder rauchende Trümmer. Überall reizt ihn in der Nase der ekelhafte Gestank toter, durch die Hitze verbrennender und schneller verwesender, mit ,soweit noch vorhanden, Schmerz verzerrten Gesichtern und weit aufgerissenen Augen starrenden, halb von Trümmern verdeckte und verstümmelte menschliche Leiber. Er kann dieses Szenario nicht mehr ertragen, er bewegt sich jetzt schneller. Es ist schon Mittag, doch der Tag wird durch die Tod und Zerstörung bedeutende Rauchglocke über der Stadt verdunkelt. Die Orientierung fällt schwer, denn es ist nichts mehr so wie es vorher aussah, nur die Tatsache, dass er immer mehr Leute in die selbe Richtung wanken sieht, lässt ihn erahnen, dass er sich dem Markt mit den Löschtanks nähert. Und da ist es auch schon wieder zu hören. Angsterfüllend und die letzten Nerven zerreißend sind die an die Trompeten von Jericho erinnernden Luftschutzsirenen zu hören. Alles was sich um das Becken versammelt hat versucht sich in Deckung zu begeben. In Panik versuchen die meisten zu Fuß aus der Innenstadt zu entkommen und jeder der nicht schnell genug ist wird von den Nachfolgenden niedergetrampelt. Schon ist das monotone Brummen am Himmel zu hören. Mit Kreischen stürzen die Menschen zwischen den immer noch dampfenden und brennenden aus der Innenstadt oder suchen in den Trümmern nach Deckung. Immer stärker wird das Brummen am Himmel, und immer mehr Pünktchen kann man durch ein Loch in der Rauchglocke sehen, eine erneute Orgie von Zerstörung und Tod ankündigend. Ohrenbetäubend ist der Lärm der von den Hunderte zählenden, das Sonnenlicht auf der Außenhülle wiederspiegelnden und Macht demonstrierenden Flugzeugarmada ausgeht. Und da ist es, alles starrt mit weitgeöffneten Augen auf die lichtreflektierenden Punkte, Pfeifen kündigt das Ende an. Jeder kann sehen, wie sich kleine dunkle Gebilde von den Flugzeugen lösen und wie kleine Perlenschnüre der Erde entgegenfallen. Entsetzt nach oben starrend und die Hälse nach oben reckend ist der ganze Platz mit Menschen überfüllt, dann geht es los. Zuerst weiter entfernt ertönen die ersten Detonationen. Das Grummeln der explodierenden Bomben erlöst die Menschen auf dem Platz von ihrer Lähmung. Weiter geht das Getrampel und immer näher rauscht die Welle aus Detonationen. Krachend werden nun die Ruinenfelder nochmals umgepflügt. Mitten zwischen den Menschen steigen die Explosionspilze aus dem Boden. Mit barbarischer Gewalt zerstampfen die Bomben Soldaten wie Frauen, Kinder und Greise. Erneut entsteht eine enorme Hitzewelle. Mit krachendem Bersten reißt ihn eine Explosion von den Füßen. Gerade versucht er sich wieder aufzurappeln als ihm ein Splitter den rechten Arm abreißt, doch sein geht im Krachen und Bersten unter. Wahnsinnig vor Schmerzen liegt er am Boden und versucht den Blutstrom mit bloßer Hand aufzuhalten. Mit irren und schockiert starrenden Augen blickt er hilfesuchend um sich, doch das letzte was der erfahrene Frontsoldat aus dem Osten sieht, ist wie Menschen als lebendige Fackeln oder als Körperstümpfe zu Boden stürzen.

Ich habe auf diese Geschichte einen Notenschnitt von 4 bekommen, leider ohne jede Begründung. Ich würde aber sehr gerne wissen, was so schlecht daran ist.

Christian
Christian Beyer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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