Reinhard Schanzer

"Medi"

Sechster Teil: „Medi"

Es muß wohl so etwas wie eine frühkindliche Prägung geben. Jedenfalls behaupten dies alle namhaften Psychologen und Verhaltensforscher.
 
Einige Jahre waren unterdessen vergangen und er war reifer geworden.
Inzwischen war er nicht mehr der schüchterne Junge aus früheren Jahren und man sagte ihm nach, daß er sogar ein sehr aufmerksamer und einfühlsamer Liebhaber geworden war.
 
Unterdessen hatte er bereits mehrere verschiedene schlanke, zumeist brünette Freundinnen, sehr oft aus den Bereichen Medizin, Lehramt oder Sozialpädagogik.
Im Gegensatz zu vielen seiner Geschlechtsgenossen empfand er es nämlich als sehr Angenehm, wenn eine Frau noch etwas mehr als nur Stroh im Kopf hatte.

Er hatte sich mit Astrologie, Psychologie, Körpersprache und Verhaltensforschung auseinandergesetzt, hatte das Kamasutra, das Tantra und die Schriften eines Dr. van de Velde studiert, aber auch schon einige wertvolle praktische Erfahrungen über die holde Weiblichkeit gesammelt.
Seine erste große Liebe aber hatte er nie vergessen.

Ganz besonders aber hatten ihn schon immer rothaarige Mädels fasziniert.
 
Je roter, desto doller!
 
Dabei hatte er einmal in einer Studie gelesen, daß sich angeblich rein Statistisch nur weniger als 2% aller deutschen Männer für rothaarige Frauen begeistern können.
Die meisten (ca.70%) würden blonde bevorzugen, der Rest dunkelhaarige.
 
Ob diese Macke möglicherweise mit seiner rothaarigen (und sommersprossigen) Schulfreundin „Medi" aus der ersten Klasse zusammenhing, die ihm im Alter von 6 Jahren einmal eine Handvoll süßer Brombeeren geschenkt hatte?
 
Er hatte nie erfahren, was aus ihr geworden war, denn seine Biographie hatte damals einen erheblichen Knick bekommen.
Tatsache aber war, daß er jede Rothaarige sogar noch in der dichtesten Menschenmenge sofort bemerkte, völlig egal, ob sie nun jung oder alt, hübsch oder häßlich war.
Böse Zungen, - das heißt: seine Freunde - hatten sogar schon behauptet, daß er sie bereits mit verbundenen Augen blind drei Meilen gegen den Wind wittern könnte.
Es hatte also überhaupt keinen Zweck, diesen Umstand zu verleugnen oder gar verheimlichen zu wollen.
Es war einfach zu Offensichtlich.
 
Eigentlich könnte man ja darüber lachen, aber es gab mehr als nur eine von seinen „Dahingeflossenen", die für diese Marotte überhaupt kein Verständnis aufbringen konnte. Mehrmals gab es deshalb bereits heftige Auseinandersetzungen.
 
„Dann such dir doch endlich deine verdammte Rothaarige, wenn du so darauf stehst!", hatte ihm eine seiner letzten Partnerinnen - eine Lehrerin - bei der Trennung noch ganz erbost nachgerufen.
 
Er hatte diesen Ratschlag beherzigt und das nächste Mal ganz gezielt nach einer echten Rothaarigen gesucht mit sehr hellem Hauttyp und Sommersprossen ohne Ende.
Das war natürlich auch nichts anderes, nur daß die Suche danach erheblich schwieriger war.
Die mögliche Auswahl an echten Rothaarigen war eben leider doch nur sehr Begrenzt.
Außerdem: Nichtraucherin sollte sie ja auch noch sein!
Denn nach wie vor konnte er mit diesem Gestank nichts anfangen, es törnte ihn einfach ab.
 
Was also sollte er machen? Nach Irland auswandern? Dort gibt es ja bekanntlich Weltweit den höchsten Prozentsatz an rothaarigen Mädels.
Natürlich wußte er mit seinem logischen Denkvermögen, daß dies blanker Unsinn war.
Der Wert eines Menschen oder die Qualität einer Beziehung wird sich schließlich niemals an der Haut- oder Haarfarbe festmachen lassen, davon war er immer schon fest Überzeugt.
 
Und doch war es eben so, daß genau diese Eigenschaft ihm noch einen zusätzlichen Kick gab!

Es gab z.B. einmal eine hübsche, rothaarige Bäckereiverkäuferin mit hellgrünen Augen, einem ganz aufregenden Fahrgestell und laaangen Beinen bis zum Boden, die jedoch ganz Offensichtlich nicht bis 10 zählen konnte.
Jedesmal, wenn er bei ihr 10 Semmeln kaufte, hatte er zuhause 11 Stück in seiner Tüte.
 
Als er sie daraufhin diskret ansprach, errötete sie heftig, nahm aber seine Einladung zum Maskenball am Wochenende gerne an, als Wiedergutmachung sozusagen.
 
Sie hatte sich als Sexy Teufelin verkleidet mit einem enganliegenden, schwarzen Stretch- Body, Schwanz und Hörnern. 
Darunter ließ sich so Einiges recht gut erkennen...
 
Er dagegen hatte sich als Arzt verkleidet mit einem langen weißen Malermantel mit roten Farbflecken darauf, einer umgedrehten Malermütze ohne Schirm und einem Stück Gartenschlauch mit Trichter als Stethoskop, mit dem er dies alles ganz genau Untersuchen und Abhorchen konnte...
 
Dieser Tanz mit dem rothaarigen Teufel dauerte natürlich die ganze Nacht und er spürte so manche neidischen Blick auf sich ruhen.
Nichts mehr an ihm erinnerte noch an den schüchternen Jungen, der er als Kind einmal war und es gab anschließend einige Nächte, in denen er nicht nach Hause kam...
 
Natürlich hatte sie Absichtlich immer 11 Semmeln in seine Tüte gepackt, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Niemand sonst in dem Laden hatte dies bemerkt.
 
Sie war ganz nett, aber leider konnte sie im richtigen Leben auch nicht bis 10 zählen.
Da halfen auch die feuerroten Locken und die Sommersprossen nichts.

So verlief diese Angelegenheit irgendwann wieder im Sande...
 
Sicher wird es später einen anderen Kunden gegeben haben, der öfter einmal 11 Semmeln in seiner Tüte hatte?

 

Bei dieser Geschichte handelt es sich um den sechsten Teil aus einer Autobiographie eines kleinen Jungen, der ohne Vater aufgewachsen war und ihn deshalb nie gekannt hatte.
Diese ganze Geschichte trägt den Titel: "Der Bastard" und ist natürlich viel zu lang für dieses Forum, das ja eigentlich eher für Kurzgeschichten gedacht ist.
Deshalb habe ich die Geschichte in mehrere Kapitel unterteilt, um die Aufmerksamkeit des Lesers nicht mit einer Endlosgeschichte zu ermüden.
Selbstverständlich wurden auch diese Kapitel nochmals drastisch gekürzt, um sie auf ein - für den Leser - erträgliches Maß zu reduzieren.
Ich hoffe aber, damit die gesamte Geschichte nicht allzu sehr „zerstückelt" zu haben und die Übergänge zwischen den einzelnen Episoden einigermaßen „lesegerecht" ausgeglichen zu haben?

Die Titel der einzelnen Kapitel sind wie folgt:

1. Die Wurst
2. Das kleine Häschen
3. Verlust der Heimat
4. Die neue Schule und das Leben in der Stadt
5. Lehrzeit und erste Liebe
6. „Medi"
7. Der Vater
8. Alaska

Den interessierten Leser bitte ich, diese Geschichten auf meiner Seite einfach anzuklicken.

Kommentare und Anregungen dazu sind natürlich herzlich Willkommen, selbstverständlich aber auch konstruktive Kritik!
Schließlich möchte man ja auch wissen, ob und wie die Geschichten beim Leser überhaupt ankommen?

Eigentlich schreibe ich ja viel lieber zynische, bissige und satirische Artikel.
Diese Geschichte ist deshalb sozusagen „Neuland" für mich.

Also, - keine falsche Zurückhaltung bitte!

Reinhard Schanzer, Anmerkung zur Geschichte

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 30.07.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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