Joana Angelides

Hexlein Samantha und die Kräuter

Die kleine Hexe Samantha ging ganz betrübt durch den Märchenwald nach Hause ins Schloß. Heute hatten sie in der Schule die Lehre von den Kräutern abgeschlossen. Aber es waren so viele Kräuter, wer sollte sich denn das alles merken.
Sie hatten nun über das Wochenende frei und am Montag war dann die große Prüfung, das heißt, sie mußte noch viel lernen, so über das Wochenende.
Da es sehr warm war und die Sonne so auf der Lichtung lag, setzte sie sich am fuße der großen Tanne ein wenig nieder um auszuruhen.
Als sie nun so da saß, beschloß sie einige der Kräuter auszuprobieren, um dann bei der Prüfung gute Noten zu bekommen.
Sie öffnete ihre Tasche und nahm das Kräuter-Schulbuch heraus. Sie blätterte eine Weile drin und beschloß dann einen Trank aus Baldrian und Melisse zu brauen. Dieser Trank sollte beruhigend wirken und kann sicher keinem schaden, dachte sie.

Außerdem gab es da auch noch Hirse und Malz und Honig, da konnte man ein würziges Honig-Bier herstellen, das sicher den Kobolden gut schmecken wird.
Ganz aufgeregt machte sie das Buch wieder zu, verstaute es in der Tasche und lief zum Feenschloß. Sie mußte die Köchin noch erreichen, bevor diese die Küche schloß und zum Mittagsschlaf ging.
Bevor sie jedoch ins Schloß ging, mußte sie noch im Wald die nötigen Kräuter holen.

Als sie die Küche betrat waren schon alle emsig dabei, die Töpfe und Pfannen, die Teller und Gläser in die Regale zu verstauen. Alles war bereits abgewaschen und abgetrocknet und die Küche war blitzblank geputzt.

„Was willst du denn?“ Fragte die Köchin mißtrauisch. Wenn die Köchin die kleine Hexe Samantha zu Gesicht bekam, hatte sie immer das ungute Gefühl, es wird sicher sofort irgendwas passieren.
„Ach ich muß für die Prüfung am Montag noch was praktisch ausprobieren, kann ich nur ganz kurz in der Küche etwas Wasser aufkochen und Kräuter darin ziehen lassen.“
„Wasser aufkochen?“ Die Köchin runzelte die Stirne und dachte nach.
Also, wenn sie nur Wasser aufkochen will, kann eigentlich nichts passieren, dachte sie. Aber sie wollte trotzdem schon den Kopf schütteln.
„Ach bitte!“ Sagte Samantha in diesem Augenblick und ihre großen Augen sahen die Köchin so flehentlich an, da konnte diese nicht nein sagen.
„Also, gut, aber halte dich nur hier in diesem Bereich auf. Hier hast du einen Topf für das Wasser und eine Schüssel für die Kräuter. Nachdem du fertig bist, stelle den Topf hier hin und wasche die Schüssel gut aus und stelle sie hier hin.“ Sie zeigte mit den Fingern genau auf die Stelle, wo sie die beiden Geschirre stehen haben wollte.

„Und hast du vielleicht auch zwei Flaschen, wo ich dann die Kräutersäfte hinein gießen kann?“

„Ja, hier.“ Und sie zeigte auf ein Regal mit lauter leeren Flaschen. “Nimm dir was du brauchst, aber ich will diese Flaschen nach deiner Prüfung wieder zurück haben!“ Sie erhob ihre Stimme ein wenig, um ihr einen drohenden Klang zu geben.
„Ja, natürlich, oh ich danke dir vielmals.“
„So ich gehe jetzt und ruhe mich aus, wenn ich wiederkomme, möchte ich dich hier nicht mehr sehen!“ Sie drehte sich um und verließ die Küche.

Samantha breitete die mitgebrachten Kräuter fein säuberlich auf dem Tisch aus und wusch dann jedes einzelne sehr sorgfältig. Dann ließ sie die Kräuter in einem Sieb abtrocknen. Nun stellte sie Wasser auf den Herd und wartete bis es kochte. Sie nahm nun die gewaschenen, in einem Tuch abgetrocknete Baldrianblätter und die Melisse und legte sie in eine Schüssel, dann nahm sie den Topf mit dem kochenden Wasser und machte den Aufguß. Baldrian war ja fast eine Medizin, es wirkte beruhigend und half bei Schlaflosigkeit.

Sie holte rasch das Kräuterbuch heraus und schaute nach, wie lange die Kräuter ziehen mußten. Das schrieb sie auf einen Zettel und legte es daneben hin.
Dann nahm sie die anderen Kräuter für das Kräuterbier und mischte es genau nach den Angaben des Buches und suchte dann, obwohl ihr die Köchin verboten hatte in der ganzen Küche herum zu gehen, etwas Honig von den Bienen des Waldes und gab einen großen Löffel Honig dazu. So, das mußte nun einmal gären.
Aber, solange Zeit hatte sie nicht, sie mußte ja noch heute nachmittag die Küche verlassen!
Während nun die beiden Schüsseln mit den Kräutern so dastanden, der Baldrian mußte ziehen, das Bier sollte gären, überlegte sie sich, daß ein kleiner Zauberspruch aus ihrem Zauberbuch helfen würde, daß das Honigbier schneller gären würde.
Sie schloß die Augen und dachte nach. Wie war doch der Spruch, der die Zeit übersprang und die Minuten zu Sekunden und die Stunden zu Minuten machte?

„Chronos multipassos, abradrum“
kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen sah sie schon wie sich in der Schüssel die Flüssigkeit verdoppelte und die Kräuter zerfielen und sich oben ein Schaum bildete

„Es hat geklappt,“ jubelte sie und klatschte in die Hände.
Aber jetzt mußte sie das alles noch in Flaschen füllen!
Sie nahm sich einige Flaschen vom Regal und füllte das Bier dort ein, verschloß die Flaschen mit Korken und verstaute sie in ihrer Schultasche.

Sie nahm auch eine Flasche für den Baldriansaft. Doch leider war diese Flasche zu klein, es blieb noch etwas Flüssigkeit über, sie wollte den Rest aber nicht wegschütten, sondern suchte ein Glas oder eine Schale.
Ach, da stand ja eine Porzellanschale, gleich neben dem Herd. Dort hinein goß sie den Baldriansaft.
Sie wollte diesen Rest dann später abholen, weil sie nicht alles tragen konnte. Es war ihr zu schwer.

Sie hatte allerdings nicht bemerkt, was auf der Rückseite der Schale stand:
NUR FÜR KÖCHIN
Es war die Kaffeeschale der Köchin.

Nachdem sie alles abgewaschen und wieder an den Platz gestellt hatte, verließ sie die Küche, um die Flaschen für Montag aufzubewahren. Sie war ganz sicher, nun die Prüfung zu bestehen, weil sie ja auch mit praktischen Beispielen aufwarten konnte.
Dann überlegte sie aber, daß sie nun die schweren Flaschen hinauf in den Schlafsaal schleppen mußte und am Montag wieder runter tragen mußte. Sie beschloß, die Flasche mit dem Baldriansaft in der Schultasche zu belassen, aber den Honigwein im Wald zu verstecken und am Montag dann zur Schule mitzunehmen.
Sie ließ die Schultasche in der Küche stehen und ging mit den Bierflaschen hinaus in den Wald bis zur großen Tanne und versteckte sie dort in der Wurzelhöhle. Sie deckte sie auch mit Laub zu und war sehr zufrieden.

„Was versteckst du da?“ Hörte sie plötzlich hinter sich eine leise Stimme. Es war die Schlange Birr. Diese hing am letzten Ast der Tanne ganz faul herunter und hatte wie immer nur ein Auge offen, mit dem sie aber alles sah.

„Ach ist nur ein Experiment für die Schule, nichts interessantes.“ Sagte Samantha.
„Ein Experiment?“ Rief da der Kobold, der zugehört hatte. Er wohnte auf der anderen Seite des Baumes und beobachtete immer alles, was so rundherum geschah.
„Ja und laß das in Ruhe da liegen, es ist nur Limonade,“ sagte Samantha und ging zurück zum Schloß.

„Soso, Limonade,“ sagte der Kobold und näherte sich den Flaschen neugierig. Bei einer Flasche war der Kork sehr los drin und er roch daran. Es roch süß und ein wenig würzig. Er fuhr mit den Fingern am Kork entlang und steckte diesen dann in den Mund.
„Oh, schmeckt aber gut,“ sagte er dann.
„Was schmeckt gut?“ Fragte das Eichhörnchen, das eben nach Hause kam und den Stamm entlang zu seinem Nest laufen wollte.
„Na die Limo von der kleinen Hexe,“ sagte der Kobold.
„Wo ist eine Limo?“ Fragte da der kleine Hase Haseputz. Er hoppelte gerade so im Wald herum und suchte Freunde zum Spielen und Limonade trank er für sein Leben gerne.

Im Nu hatten sich einige Tiere des Waldes versammelt und alle wollten die Limonade kosten.
„Die Flaschen gehören euch nicht, laßt sie in Ruhe.“ Rief die Amsel, die gerade vorbeiflog.
Doch in diesem Augenblick hörten sie „Plup“ und der Stoppel flog aus der Flasche heraus. Alle liefen weg und schauten ganz verschreckt.
Das Bier war noch immer am gären und der Stoppel war nicht fest genug im Flaschenhals und durch das Bewegen durch den Kobold flog er in hohem Bogen heraus und das Getränk schäumte heraus.

Der Kobold lief zurück und hob die Flasche in die Höhe. Er konnte nicht widerstehen, die vermeintliche Limonade mit seinem Mund aufzufangen. Wäre ja schade gewesen, wenn die gute Limonade verloren ging.
„Oh, das ist aber eine seltsame Limo,“ sagte er und machte noch einen kräftigen Schluck aus der Flasche.
„Laß mich auch kosten,“ rief das Eichhörnchen.
Sie tranken beide aus der Flasche und schnell war die Flasche leer.
Da kam der Bär vorbei und wunderte sich, daß alle im Kreise standen und auf den Kobold blickten.
„Was ist denn hier los?“ Brummelte er.
„Samantha hat eine wunderbare Limo gemacht und wir haben sie gekostet! Uuups!“ Sagte der Kobold.
„Ja, smeckt, smeckt guuuut,“ lallte das Eichhörnchen.
„Gib mir auch eine Flasche, muß ja eine tolle Limo sein, wenn ich euch so anschaue!“ Der Bär griff nach der nächsten Flasche öffnete den Korken und trank diese mit einem Zug leer.
„Wow, die schmeckt ja phäno... phäno... phänomenal!“ Stellte der Bär fest und mußte sich niedersetzen. Er saß nun mit dem Rücken zum Baum und seine Augen rollten rundherum. Der Kobold lag am Rücken gleich neben ihm und seine Zipfelmütze ist ihm über das Gesicht gerutscht.
Die Schlange Birr ließ sich langsam vom Ast herunter und schlängelte sich durch das Gras hin zu der liegenden Flasche neben dem Kobold. Mit ihrer langen Zunge leckte sie den Rest aus der Flasche die neben dem Kobold lag und verdrehte beide Augen. Nach einer Weile konnte sie sich nicht mehr wieder auf den Ast hinauf ziehen und blieb auch im Gras liegen.

Papa Hase kam herbei und konnte grade noch im letzten Augenblick Klein-Haseputz daran hindern ebenfalls von der Flasche zu trinken. Nachdem er davon nur gekostet hatte, stellte er fest:
„Ist aber stark, diese Limonade.“

Ein paar Bienen kamen auch herbei, sie hatte der Duft des Honigbieres angelockt und sie naschten an den Tropfen auf der Flasche. Als sie wieder zurück flogen, machten sie einige Loopings und trällerten laut vor sich hin.
Aufmerksam geworden durch den Lärm im Märchenwald kam auch Frau Eule herbei geflogen und setzte sich auf den untersten Ast der Tanne.
Mit ihren großen Augen betrachtete sie erstaunt das Treiben zu Füßen des Baumes und auf der Lichtung.
„Ah, ihr seid ja alle von diesem Bier beschwipst!!“ Rief sie empört.

„Oh, das ist Bier?“ Brummelte der Bär und betrachtete die Flasche genauer.
„Ja, und durch die Sonne und wahrscheinlich wieder unrichtigen Hexenspruch von Samantha ist das ein ganz starkes Getränk geworden!! Hört sofort auf und läßt die Flaschen in Ruhe!“ Rief sie streng.
Doch leider war es schon zu spät. Jeder der von der vermeintlichen Limo gehört hatte kam herbei und wollte sie kosten. Im Nu waren alle Bewohner des Waldes beschwipst.

Auch die Waldfeen eilten herbei und staunten.
Alles bewegte sich, alles lief im Kreis herum oder stolperte über Grashalme und fiel hin.
„Schnell, Silja, fliege zurück und sage der Köchin, sie soll eine Suppe für alle kochen, mit viel Reis drin, die müssen dann alle essen!“ Sagte Fari, die Älteste der Feen, die erkannt hatte, was los war.

Silja flog zurück zum Schloß, kam aber gleich wieder.
„Ach, die Köchin sitzt in der Küche und ist nicht wach zu kriegen, sie schläft! Sie hat den Baldriansaft von Samantha ausgetrunken, der in ihrer Schale war und jetzt wird sie schlafen bis morgen früh! Der Saft war so stark, daß er als Schlafmittel wirkt!“
„Samantha!!!!!“ Rief Fari die Fee in den Wald hinein. Doch Samantha, die durch den großen Wirbel im Wald und in der Küche schon alles wußte, hatte sich im Wald versteckt. Sie wollte warten bis der Bär in seine Höhle kam, um sich auszuschlafen und sich dann hinter im verstecken.

„Ach,“ dachte sie,“ warum gelingt mir kein Zauberspruch?!“
Die Feen bemühten sich nun alle gemeinsam mit den Elfen die Tiere des Waldes zu ihren Behausungen zu bringen und schärften ihnen ein, bis morgen früh zu Hause zu bleiben.
Frau Kobold griff herzhaft zu und packte ihren Mann am Hemdkragen und zerrte ihn gleich in die Höhle neben den Wurzeln hinein und man konnte durch den ganzen Wald ihre Stimme hören.
Die Schlange Birr blieb gleich im Gras liegen und schlief dort ein.
Nur das Eichhörnchen hatte es gerade noch geschafft, ihre kleine Baumwohnung zu erreichen und plumpste hinein.
Auch der große Bär rappelte sich hoch und schwankte von Baum zu Baum zu seiner Höhle. Die kleine Hexe Samantha bemerkte er gar nicht, die ganz hinten versteckt war.

Heute abend und auch die ganze Nacht war es unheimlich still im Märchenwald.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 16.04.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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