Iris Asamoah

Absurd genug?

Seit einigen Tagen schon hatte ich bemerkt, das etwas mit einem Zahn oben links nicht stimmte. Ich hatte mir vorgenommen einen Termin auszumachen, aber als ich auch noch einen ekligen Geschmack bemerkte, entschloss ich mich, später an diesem Tag, nach der Arbeit, zu der Zahnärztin zu gehen, deren Schild mir nach dem Busfahrt, auf dem Nachhauseweg, aufgefallen war.
Ich dachte mir schon, dass dieser besagte Zahn entfernt werden müsste, es war mir auch ganz recht. Meine Zähne waren mir noch nie, eine wahre Wonne.
Die Zahnärztin erschien mir sehr nett, wir waren erst kürzlich in diese Gegend eingezogen und ich war froh, so schnell eine nette gefunden zu haben. Die Spritze war ungefähr so, wie alle Injektionen im Mundbereich.
Ich bin da hart im nehmen. Die Extraktion verlief ohne Zwischenfälle und ich sah mich schon auf dem endgültigen Weg nach Hause, aber die Zahnärztin bemerkte bedauernd, das es keine Nachblutung gab. Da müsste ich aber, mit großen Schmerzen rechnen! Sie würde mich gerne kurz unter die Mikrowelle setzen, um die Blutung anzuregen.
Auch das war alsbald erledigt und ich freute mich auf mein Bett, Abendessen konnte ich mir wohl aus dem Kopf schlagen.
Desto näher ich dem Mietshaus kam in dem wir wohnten, desto klarer wurde es mir, das sich eine riesen Blase unter meiner Nase bildete, was das nun wieder war?
Meine Tochter war entsetzt als sie mich sah, was hätte ich dann da gemacht.
"Oh, es ist nichts weiter, ich was nur bei der Zahnärztin." Immerhin war ich auch verwundert genug, dass ich eine Kollegin anrief und ihr von dem Vorfall erzählte.
"Du, die Blase muss grade geplatzt sein, es rennt mir Flüssigkeit das Kinn runter, ich muss das gleich irgendwie abtupfen. Wir sehen uns ja morgen!"

Meine Tochter redete irgendwann noch mit dem Hausmeister, der mich gleich am nächsten Tag mit seinem Auto, zur Zahnärztin fuhr. Diese schlug die Hände über dem Kopf zusammen und konnte sich die Verbrennung nicht erklären. Der Arzt, zu dem sie mich schickte, hatte so etwas auch noch nie gesehen, er behandelte die offene Stelle wie eine Verbrennung.
Einen Tag später kam ein Abgesandter von dem Hersteller des Mikrowellen Gerätes. Er war überzeugt, dass das Gerät in Ordnung war, es war doch grade 8 Tage vorher überprüft worden!

So ging es hin und her, keiner konnte sich die kreisförmige Verletzung in meinem Gesicht so recht erklären, auch als ich darauf aufmerksam machte, das ich am Tag des Zahnziehens stundenlang in einem Raum voller Lötdämpfen gesessen hatte, wurde mir versichert, das dies nicht der Auslöser gewesen sein konnte, da ich nicht selbst gelötet hatte, also mein Gesicht nicht genau über einem Lötkolben geneigt gewesen wäre.

Erst einmal musste ich täglich zum Arzt, der sich nach und nach sehr erfreut über den Heilungsfortschritt zeigte. Er hielt mir einen Handspiegel vor, so dass auch ich sehen konnte, dass es vorwärts ging.
Ich hatte mich an seine Anweisungen gehalten und das Pflaster nie selbst abgelöst.

Bald gab es auch keine Krankschreibung mehr und ich saß wieder an meinem Arbeitsplatz. Ich war sehr froh diesen gefunden zu haben, denn mein getrennt lebender Noch-Ehemann konnte uns zu der Zeit, nicht finanziell unterstützen. Länger als nötig, wollte ich also wirklich nicht der Arbeit fern bleiben.

Dann, einige Tage später, fühlte ich mich schwindelig, und hatte wieder einen merkwürdigen Geschmack im Mund.
Ich wurde von meiner Vorgesetzten zur Betriebskrankenschwester geschickt, die mir sofort das Pflaster vom Gesicht riss.
"Also das kann es ja nun wirklich, nicht mehr sein!" Dann sah sie auf meine Hände und rief:
"Aber Sie zittern ja, trinken Sie?"
Nachdem ich verneinte, sagte sie, ich solle mal gleich wieder an die Arbeit.
Am Nachmittag ging ich sofort wieder zum Arzt, der mich fragte wie es denn gekommen sei, dass ich auf einmal eine Gangräne hatte, hätte ich denn doch aran rumgefummelt?´ Als ich über die Krankenschwester berichtete, wurde er richtig wütend:
"Aber ich habe Ihnen doch gesagt Sie sollen da keinen ran lassen, sehen Sie doch, jetzt fault es durch!"

Dann musste ich zu Spezialisten, die mit Straßenbahnen und mehrmaligem Umsteigen, in Nürnberg zu erreichen waren. Diese Ärzte zeigten mir, wie ich die Wunde selbst pflegen konnte, aber ich musste mich doch immer wieder zur Kontrolle vorstellen. Es dauerte eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte, dass ich ein Loch im Gesicht hatte, durch das man einen Zahn sehen konnte. Meine arme Tochter machte immer gleich die Tür zu, wenn sie dazu kam, wenn ich die Wunde versorgte.

Eines Tages fuhr ich nach Stuttgart, meinen Noch-Ehemann besuchen. Zuvor war er auch bei uns zu Besuch gewesen, hatte mich also immerhin mit dem Pflaster im Gesicht gesehen, und kannte die Geschichte.

Als ich in seiner Wohnung vor dem Spiegel saß, um die Wunde zu reinigen, rückte er einen Stuhl heran, und sah mir andächtig zu.
Die Worte dieses Offiziers und Gentlemans sind für mich noch immer der Höhepunkt der Absurdität, denn sie lauteten:

"Ich könnte nie so gemein sein Dir zu sagen, wie fürchterlich Du aussiehst!"

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 15.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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