Marc Wiesollek

Marvinismus: Ein guter Morgen

Es ist morgens. Es sollte unter Woche eigentlich immer morgens sein, wenn ich aufstehe. Leider ist das selten der Fall. Denn wenn mein Wecker morgens klingelt, schalte ich ihn eh ab und stehe nicht auf oder lasse ihn durchbrüllen. Ich frage mich manchmal ernsthaft, wieso ich mir überhaupt einen Wecker angeschafft habe, wenn ich ihn sowieso ignoriere.
Man hat einen zu haben. Es ist nirgendwo geschrieben, aber es gehört zum guten Lebensstil einen Wecker zu besitzen.
Und manchmal hat ein Wecker auch etwas Gutes, er zeigt die Zeit an und... na ja, er zeigt die Zeit an. Manche Haushaltsgeräte zeigen auch die Zeit an, aber nicht die Uhrzeit.
Nehmen wir Waschmaschinen. Sie zeigen zwar eine Zeit an, aber keine Uhrzeit, wie der Wecker. Aber auch nicht jede Waschmaschine kann die Zeit anzeigen - also die Zeit, wie lange die Wäsche bräuchte.
Wieder andere Haushaltsgeräte zeigen allerdings doch Uhrzeit an, wie meine Mikrowelle. Die Mikrowelle zeigt mir zwar die Uhrzeit an, umgekehrt aber kann meine Armbanduhr keine Mahlzeiten aufwärmen. Seltsam eigentlich!
Doch kein gutes Beispiel, merke ich und schalte aus meinen Bett den Fernseher ein.
Ich drehe mich wieder um und verkrieche mich unter meiner warmen Decke. Das Fernsehprogramm brummt monoton vor sich her.
"Ich sollte wirklich aufstehen", denke ich gequält in meiner warmen, kuscheligen Höhle. Es gibt bestimmt vieles zu tun, obwohl ich keine Ahnung habe, was ich zu tun hätte. Da es aber immer etwas zu tun gibt und ich es noch herausfinden werde, krieche ich hervor und drücke die zweistellige Zahlenkombination auf meiner Fernbedienung, um auf einen Musikkanal zu wechseln.
Absichtlich drücke ich die Taste für die Lautstärke ein paar Mal bis mich die laute Musik psychologisch dazu motiviert, aufzustehen. Ich schaue genervt auf das Musikvideo und versuche die Musik zu dem Video zu synchronisieren. Erfolglos, denn die Musik passt nicht zu den Bildern, die für meine Auffassungsgabe zu schnell und in grellen, bunten Blitzen aus der Bildröhre entspringen - mich förmlich angreifen.
Ich gehe schlürfend aus meinem Schlafzimmer und schüttele den Kopf über diese neuartige Musik mit den grellen Blitzen. Schon am frühen Morgen - unverschämt.
In der Küche lasse ich unterbewusst mein Morgenprogramm ablaufen: Kaffeekanne mit Wasser füllen, Kanne mit Inhalt in Kaffeemaschine füllen, Kanne in die dafür vorgesehen Lücke einfügen, Kaffeefilter in die Filtereinrichtung stopfen, Kaffeepulver in den Filter kippen und mit dem Auge die Menge des Pulvers und der Wassermenge abschätzen, alles fest verriegeln und auf den roten An-Knopf drücken, der sofort rot leuchtet und die Maschine beginnt mit einem schluchzenden und schmatzenden Arbeitston.
Das Geräusch beruhigt mich. Es beruhigte mich schon immer und so lade ich mein Morgenwaschprogramm in mein verträumtes Gehirn.
Nach den typisch menschlichen Waschritualen fühle ich mich besser als zuvor und gehe mit einem Handtuch bekleidet zu meinen Kleiderschrank.
Die Auswahl an modischen Designerstücken ist begrenzt und so nehme ich eine blaue Jens, ein weißes T-Shirt und diverse Unterleibbedeckungen heraus.
Ein kurzer Blick in den Spiegel - check - alles wie immer.

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 19.08.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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