Sandra Berner

Auf dem Spielplatz

„Hey, Sie da“, ruft Ruth der jungen Mutter zu, die Zeitung lesend auf einer Bank neben dem Sandkasten sitzt, in dem ihre kleine Tochter spielt, „Ihr Kind hat gerade einen Keks fallen lassen.“ Die Frau errötet leicht und gräbt das Gebäck aus dem Sand hervor.
„Das tut mir leid, normalerweise macht sie so was nicht.“
„Schon gut“, gibt Ruth großmütig zurück. Sie wendet sich an Rebecca, ihre Freundin, die gerade ihren riesigen weißen Hund, ein Neufundländer, kämmt und die überflüssigen Haare von der Bürste streicht: „Es ist schon echt lästig, wenn die Mamis mit ihren Blagen anrücken. Normalerweise habe ich ja nichts dagegen, wenn die auch hier auf den Spielplatz kommen, aber dann sollen sie sich wenigstens benehmen.“
„Find´ ich auch“, bekräftigt Rebecca. „Stell Dir vor, letzte Woche hat eine von denen ihr Wechselbalg ohne Leine rumlaufen lassen. Das Kind hat Duffy an den Ohren gezogen.“
„Ach Du Schreck, nein, wirklich? Der arme Duffy.“
Beide streicheln den Hund ausgiebig, um ihn nachträglich zu trösten.
„Meinst Du, das hat ihn traumatisiert?“
„Bis jetzt hab´ ich noch nichts bemerkt. Ich hoffe, das Erlebnis hatte keine Auswirkungen. Nicht, das er nachher keine Kinder mehr mag. Das wäre wirklich schade. Uwe und ich wollten uns doch vielleicht eins anschaffen, damit Duffy was zum spielen hat und nicht mehr so alleine ist.“
„Ach“, sagt Ruth und seufzt leise, „bei uns lohnt sich das gar nicht. Wir haben gerade überall Teppich legen lassen, auf dem kann Toby besser laufen als auf dem Parkett. Wenn da jetzt ein Baby käme, müssten wir wieder den Holzboden freilegen, bei dem Dreck, den die immer machen. Bis die erstmal aus dem Gröbsten raus sind, das dauert ja Jahre.“
„Hast Du auch wieder recht. Außerdem sind die viel zu teuer. Was alleine die Ausbildung kostet. Und dann immer der Umstand. Wo will man hin mit so einem Kind? Ist ja nicht jeder so verständnisvoll wie wir und lässt die auf die Spielplätze.“
In dem Augenblick lässt das kleine Mädchen wieder ein Stück Keks in den Sandkasten fallen. Ruth steht auf und geht zu der Mutter der Kleinen.
„Hören Sie mal, das geht wirklich nicht. Mein Hund Toby ist auf Diät und ich sehe nicht ein, dass er Kekse isst, nur weil Ihr Kind noch nicht gelernt hat zu fressen ohne etwas daneben fallen zu lassen.“
„Sie haben ja recht.“ Die Frau zieht ihre Tochter an der Flexileine zu sich und packt sie in einen Wagen, der extra zum Transport für Kinder entwickelt wurde und verlässt den Platz.
„Sowas lassen wir jetzt aber nicht mehr auf den Spielplatz kommen!“, schimpft Rebecca, als Ruth sich wieder neben sie auf die Bank setzt. „Demnächst lassen die ihre Sprösslinge noch unangeleint rumrennen.“
„Pah! Soweit kommts noch!“

Duffy lässt sich weiterhin geduldig kämmen und Ruth und Rebecca genießen den Sonnenschein des warmen Apriltages. Toby, der dickliche Cockerspaniel von Ruth, springt aufgeregt auf der Wippe rum und bellt, als ein Kind angerannt kommt.
„Scheiße!“ ruft Ruth und läuft aufgeregt auf Toby zu, packt ihn hektisch unter seinem Bauch und hebt ihn hoch. Das Kind kreischt und ruft laut „Wau Wau! Wau Wau!“
Rebecca hält Ausschau nach der Mutter des Kindes, als auch schon eine blonde Frau hastig angelaufen kommt.
„Er will nur spielen“, ruft diese atemlos den beiden Frauen zu, „er ist wirklich ganz lieb!“
Ruths Herz rast vor Aufregung und auf ihrer Stirn bildet sich eine dicke Wutader. Sie betrachtet den grinsenden Jungen näher.
„Das ist doch gelogen!“ herrscht sie die Mutter an. „Ich sehe doch, dass das ein ausländisches Kind ist! Die sind nie lieb, immer nur aggressiv! Das hab´ ich schon so oft gesehen! Letzte Woche erst lief darüber ein Bericht im Fernsehen! Und nicht mal angeleint! Frechheit!“ Ihre Stimme wird immer schriller. „Machen Sie bloß, dass sie hier weg kommen, sonst zeige ich sie an!“

Eilig sammelt die Mutter ihren Sohn ein, legt ihm Leine und Knebel an und rennt davon. Toby wedelt mit dem Schwanz, denn ihm hat der Junge gefallen, er hätte gerne mit ihm gespielt.

„So eine bodenlose Unverschämtheit! Das gibt´s ja wohl nicht! Hast Du das gesehen, Rebecca?“
„Und ob! Die werden immer dreister!“
„Ich bin so froh, dass die Landeskinderverordnung demnächst in Kraft tritt! Wenn dann noch einmal so ein kleines Miststück kommt, schlepp ich´s persönlich zum Amt und dann kommt es ins Heim.“

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 01.09.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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