Ingrid Grote

LOve STOry Teil 2

Irma war entsetzt. Onkel Norbert hatte ihr gerade erklärt, dass man sehr wohl trotz einer Spirale schwanger werden konnte, und sie war so entsetzt gewesen, dass sie die Einzelheiten seiner Erklärung gar nicht richtig mitbekommen hatte. Nur die Tatsache, dass sie vielleicht schwanger war, die hatte sie verstanden.
Nein, es durfte nicht wahr sein! Es durfte nicht sein. Aber sie fühlte es, es war wahr, sie war schwanger, es fühlte sich schwanger an, denn sie hatte sich noch nie im Leben so gefühlt, diese Übelkeiten, das Ausbleiben ihrer Periode, ihr Busen war größer und empfindlicher geworden....
Was sollte sie jetzt tun? Sie wusste nur eines: Sie konnte es Hardy nicht sagen. Um Gottes Willen, nein...
Sie wollte kein Kind! Sie würde es abtreiben lassen. Es war bestimmt besser so. Und Hardy, dieser Mistkerl, der ihr das angetan hatte, der würde nichts davon erfahren. Nein sie konnte es nicht abtreiben lassen. Es war von Hardy... Mistkerl Mistkerl Mistkerl! Sie würde abhauen, sie würde die Katzen mitnehmen und abhauen. Sie würde das Kind bekommen, und es würde ihr ganz alleine gehören. Was war der Vater schon? Das bisschen, was der dazu gegeben hatte, konnte vernachlässigt werden. Oh ja, sie würde abhauen, das Kind zur Welt bringen und es lieben. Sie würde es nicht misshandeln, sie hatte ihre Katzen nicht misshandelt, und sie würde ihr Kind nicht misshandeln, egal ob seelisch oder körperlich...
Sie war nicht wie ihre Mutter.
Himmel, Hardy und ein Kind! Was würden seine Freunde denken? Sie würden denken, sie hätte es absichtlich gemacht, um ihn an sich zu ketten. Nein niemals! Hardy als Vater war sowieso absurd. Obwohl, mit Kindern umgehen konnte er, denn sonst wäre er nicht Lehrer geworden. Aber vielleicht war er nur Lehrer wegen des Numerus Clausus’ geworden. Egal egal egal, sie wollte nicht von ihm abhängig sein, sie wollte ihn nicht mit dieser ganzen Scheiße belästigen, es war ihr peinlich. Peinlich ja, wieso war ausgerechnet sie in diese biologische Falle getrapst wie eine Idiotin? Sie hatte doch immer aufgepasst. Und jetzt hatte es sie erwischt. Ja Mist! Mist und noch mal Mist!
Nein, Hardy hatte es nicht verdient, so unverhofft Kindsvater zu werden. Hardy war zu gut dafür, sie wollte seine Zukunft nicht durch so etwas vermasseln.
Sie würde ihn verlassen müssen. Es war besser so. Aber sie hatte Angst. Gewaltige Angst. Jetzt hatte sie endlich jemanden gefunden, den sie lieben konnte, und dann war es auch schon wieder vorbei. Wieder alleine zu sein würde schlimm sein, aber sie hatte ja das Kind.
Instinktiv drückte sie die Zigarette aus, sie würde nicht mehr rauchen, und trinken würde sie auch nicht mehr. Sie hoffte, dass sie nicht schon zuviel getrunken hatte, obwohl dieses Schwachbier bestimmt nicht viel Alkohol hatte. Trotzdem stellte sie ihr Bierglas weg und nahm sich von dem Orangensaft. Und sie entschloss sich, die ganze Sache erst einmal zu verdrängen, bis sie genaueres wusste. Obwohl... viel Hoffnung hatte sie nicht.
 
Später in der Nacht konnten sie endlich in ihr Zimmer gehen, das im Souterrain des Hauses lag.
Es war ein sehr hübsches Zimmer, ein Bauernschlafzimmer mit einem Doppelbett und zwei weichen dicken Federbettdecken, die man gut gebrauchen konnte, denn es war zwar schon Mitte März, aber immer noch lausig kalt in den Nächten, und hier auf dem Land war es auf jeden Fall kälter als in der Großstadt. Dazu gab es einen hübsch bemalten Bauernschrank, in dem sie ihre wenigen Sachen untergebracht hatten, denn für eine Nacht nimmt man nicht viel mit, und sie wollten am Morgen ziemlich früh wieder zurückfahren, wahrscheinlich schon nach dem Frühstück.
Sie fühlte sich ziemlich müde und zog sich rasch aus, sie hatte auch keine Lust mehr, zu duschen, obwohl das große Badezimmer direkt gegenüber sehr verlockend war.
Sie sah ihn an, aber er schaute weg von ihr. Was war los mit ihm? War die Feier so schrecklich gewesen? Sie machte die Nachttischlampe nicht aus, denn sie wollte ihn sehen, sie wollte ihn schmecken, ihn liebkosen, ihm Freude bereiten, denn es würde bald aus sein. Vielleicht. Nein, mit Sicherheit würde es aus sein.
 
Hardy legte sich wortlos in sein Bett, die Betten waren barbarisch, hatten diese sogenannte Besucherritze in der Mitte, nie konnten zwei Personen in der Mitte liegen, nein, immer musste einer von ihnen in das Bett des anderen ziehen. Und Hardy machte keinerlei Anstalten, in das Bett seiner Geliebten überzusiedeln.
Hardy wartete nämlich. Er wartete auf eine Aussage von ihr. Warum sagte sie es ihm nicht? Er war schließlich der Vater, er hatte es aus Nobby herausgequetscht. Er hatte so getan, als wüsste er, was Irma mit ihrem Onkel besprochen hatte, und Nobby war darauf hereingefallen und hatte ihm alles erzählt.
Zuerst hatte er natürlich unter Schock gestanden. Irma bekam höchstwahrscheinlich ein Kind, und er war der Vater. Natürlich, wer sonst? Sein Leben würde sich ändern, nein, es würde sich vielleicht nicht so ändern wie Irmas Leben, aber diese Vorstellung barg doch viel..., ja was barg sie? Erschreckendes? Nein eigentlich nicht, er war jetzt einunddreißig, und Irma war auch einunddreißig, und er konnte nicht ewig weitermachen mit den Kumpeln und mit den Wochenendausflügen, wo sie die Frauen angemacht hatten, das war wohl zu Ende, spätestens seit er Irma gebeten hatte, bei ihm einzuziehen. Und sein ganzer alter Freundeskreis löste sich allmählich auf, alle heirateten, bekamen Kinder und standen nicht mehr zur Verfügung. Aber das war egal. Er hatte sich für Irma entschieden, weil er sie liebte. Er liebte dieses sture undurchschaubare Weib, und er wusste absolut nicht warum. Aber er hatte es akzeptiert.
Er musste daran denken, wie er sie kennen gelernt hatte:
Vor der Tanzfläche im Kaleidoskop um halb drei Uhr morgens, und sie schaute den Tanzenden bei ihren Verrenkungen zu. Sie trug eine weite leinenfarbene Hose, eine kurze Jacke aus dem gleichem Stoff und dazu Stoffturnschuhe. Sie hatte halblange blonde Haare, und sie war sehr anziehend, sie war nicht unbedingt schön, aber interessant genug, um ihn anzumachen. Wirklich schöne Frauen hatte er genug gehabt, er versuchte es seit längerer Zeit mit den interessanten. Also quatschte er sie von der Seite her an, sie schaute ihn erstaunt an und konnte es wohl nicht glauben. Sie war es nicht gewohnt, viel angesprochen zu werden, denn sie verbreitete eine gewisse Distanz, nur ganz abgebrühte Männer scheuten nicht vor dieser Distanz zurück. Und er war solch ein Abgebrühter...
Also warum sagte sie es ihm nicht? Wie lange wollte sie damit warten? Herrgott, dieses Weib war einfach unmöglich, aber vermutlich liebte er sie deswegen so, und er wollte sie immer um sich haben und das Kleine natürlich auch. Sie würden tatsächlich eine Familie werden, so wie eine dieser Klischeefamilien aus dem Fernsehen, über die er sich immer kaputtgelacht hatte, aber mit Irma wäre es ganz anders... Er fing an, sich auf das Kind zu freuen, was wäre es wohl, ein Mädchen oder ein Junge? Ein kleines Mädchen, das aussah wie Irma, wäre nicht schlecht, aber ein Junge auch nicht...
Sie verzogen sich auf die Empore des Kalei, setzten sich dort auf eine Bank, er legte den Arm um sie, und sie hatte nichts dagegen. „Die steht auf mich“, dachte er belustigt. Dass Frauen auf ihn standen war natürlich normal, und diese hier schien die ideale Beute zu sein. Es war sehr spät, alle Kneipen im Umkreis hatten schon zu, und er fragte sie unschuldig, wohin man denn gehen könnte. Sie fiel darauf hinein wie eine Idiotin. „Wir könnten zu mir gehen“, schlug sie vor. „Ich hab aber noch einen Kumpel dabei“, sagte er. Er mochte diesen Kumpel nicht besonders, sondern verachtete ihn sogar ein bisschen, aber als Zuschauer war er immer willkommen. Clemens sollte mit ansehen, wie man eine Frau anmacht und rumkriegt.
Sie war einverstanden. Man nahm sich vor dem Kalei ein Taxi, und sein Kumpel musste die Zeche bezahlen. Hardy fand das sehr amüsant. Irma wohl weniger, denn sie schien ein wenig irritiert...

Warum machte sie keinerlei Anstalten, ihm etwas über das Kind zu sagen. Stattdessen rutschte sie auf seine Seite des Doppelbettes und schmiegte sich an ihn. Er machte sich ein wenig steif, er wollte es nicht, und das war wirklich selten, weil er sonst immer scharf darauf war, wenn sie ihn begehrte.
Er fühlte sich belogen.
 
Als Irma spürte, dass er aus irgendwelchen Gründen nicht in Stimmung war, überkam sie ein eiskaltes Gefühl. Hatte er schon die Nase voll von ihr? Es lief immer nach dem gleichen Schema ab. Jemand war in sie verliebt, aber sie sorgte dafür, dass er es nicht lange blieb und sie schließlich hasste.
Aber wenn sie ihn verlassen wollte, war es so viel leichter, wenn er sie hasste. Warum also tat es so weh?
Sie streichelte ihn mit ihren Händen, und sie streichelte ihn mit ihrem Mund, sie küsste jeden Zentimeter seiner Haut, fing an seiner Stirn an, küsste sich über seine herrlichen Lippen hinunter zu seinem Hals und schließlich zu seiner Brust. Verschwand schließlich ganz unter dem riesigen Federbett und widmete sich seinem Glied. Es war genauso schön wie seine Lippen oder wie alles an ihm. Er schmeckte so gut, und sie liebkoste mit den Händen seinen Schwanz und seine Hoden, er konnte sich nicht dagegen wehren, auch wenn er nicht in Stimmung war, sie nahm ihn in den Mund und begann, langsam und zärtlich, an ihm zu saugen.
 
Es brach ihn in Stücke, obwohl er es gar nicht wollte. Sie wollte ihn ja auch nicht...
Er ging mit Irma in die Küche, sie lehnte sich an die Arbeitsplatte, und er küsste sie. Sie fühlte sich wunderbar an, ihre Lippen waren weich und willig und ihr Körper sensationell. Er wollte sie unbedingt.
„Sollen wir nicht ins Schlafzimmer gehen?"
Irma starrte ihn fassungslos an.
„Na los“, er deutete mit der freien Hand auf die besagte Tür, von der er natürlich wusste, dass sie die Tür zu Irmas Schlafzimmer war.
„Nein, will ich nicht!“ Sie schien wütend sein, aber er beschloss, das zu ignorieren.
„Letztens bin ich mit der Freundin eines Kollegen ins Bett gegangen, und hinterher hab ich meinen Arm um sie gelegt – und sie hat mir von ihren Problemen erzählt.“ Klar, auch diese Frau hatte Probleme, er hatte sich das Türschild angeschaut, oh ja, er war gut in solchen Sachen, und auf dem Türschild standen ZWEI Namen, also hatte vor kurzer Zeit noch ihr Macker hier gewohnt, und jetzt war sie alleine. Die perfekte Beute also.
„Ich hab aber keine Probleme!“ Ihre Stimme klang hysterisch. „Und wenn ich mit jemanden ins Bett gehe, dann will ich nur bumsen.“

„Ich würde dich lecken, bis du mich anflehst, dich zu ficken...“
„Jeder Mann, der mit mir schläft, verliebt sich in mich. Und das kann ich keinem zumuten.“
Die Frau hatte wohl einen totalen Knall! Was bildete die sich ein!?! Er nahm seine Hände von ihr und trat einen Schritt zurück.
„Und außerdem bin ich sowieso frigide!“ Diese Aussage erstaunte sogar Hardy, der einiges von Frauen gewohnt war. Die war wirklich verrückt, und er hielt es für unter seiner Würde, ihr daraufhin eine Antwort zu geben.

Unwillig, weil sein Körper so willig reagierte, ergriff er ihren Kopf und presste ihn enger an sich, im gleichen Augenblick kam er zum Höhepunkt, zu einem qualvollen, aber trotzdem bombastischen Höhepunkt, weil er sich aus irgendwelchen Gründen vergewaltigt fühlte. Er? Vergewaltigt?
Den Rest der Nacht unterhielt sie sich mit seinem Kumpel Clemens. Clem hatte blendende Laune, der Idiot war natürlich befriedigt darüber, dass die Frau nicht sofort mit ihm ins Bett gegangen war. Und er, der verschmähte Hardy hatte schmollend neben ihr auf dem Sofa gesessen, ab und zu ein paar bissige Bemerkungen gemacht und versucht, ihr an die Brust zu fassen wie ein Teenager. Sie wäre fast darauf hineingefallen...
Außerdem hatte sie wirklich gute Musik auf ihren Kassetten. Er hatte nie etwas ähnliches gehört. Sie erzählte von den Bollock Brothers und wie deren Sänger in den Buckingham-Palace eingebrochen war, sich bei der Queen auf die Bettkante gesetzt und mit ihr einen Sherry getrunken hatte....

Ja, sie war amüsant und so anders als die üblichen, die man um halb drei Uhr morgens in irgendeiner Disco anmacht. Aber sie wollte nicht mit ihm schlafen – obwohl sie scharf darauf war, wollte sie es nicht.
Um zehn Uhr morgens warf Irma ihn und seinen Kumpel aus der Wohnung hinaus. Hardy hatte sich noch nie so sauer gefühlt, und er wusste, wenn er sie irgendwann noch einmal irgendwo treffen würde, dann würde er ihr das heimzahlen...

 
Irma tauchte schließlich erhitzt aus dem Federbett auf und wollte sich in seine Arme legen. Er schmeckte so gut, nie hätte sie gedacht, dass sie es mal mit Wonne schlucken würde, aber bei ihm....
„Warum hast du mir nichts von dem Kind gesagt?“
Das war nun wie eine eiskalte erschreckende Dusche.
„Weil es dich nichts angeht!“
„Ich bin ja nur der Vater oder was!“
„Stimmt, du bist nur der Vater. Was zum Teufel hast du schon groß dazugetan?“ Irma wurde allmählich sauer, vielleicht deswegen, weil sie sich in die Enge getrieben fühlte.
„Also, warum hast du mir nichts von dem Kind gesagt?“
„Es geht dich nichts an. Es ist einzig und allein meine Sache! Du brauchst dich nicht drum zu kümmern.“
„Ach, und wie soll das gehen?“
„Ganz einfach, ich werde weggehen. Ich brauch' keinen Mann, ich werde es alleine schaffen! Und vor allem brauch' ich keinen Mann, der nur aus Pflichtbewusstsein bei mir bleibt.“
„Sag' mal, spinnst du?“
„Oh nein, ich bin eben realistisch.“
Hardy hört entgeistert zu, so einen Blödsinn hatte er noch nie gehört! Er holte tief Luft, musste ein bisschen überlegen, und jetzt wurde auch er richtig sauer:
„Pass mal auf, Mädel, was du realistisch nennst, nenne ich idiotisch. Was zum Teufel bildest du dir überhaupt ein! Bestimmt nur eine Menge dummes Zeug. Ich glaube, du hast dich kein bisschen geändert, du bist immer noch eingebildet und arrogant. Und vor allem bist du stolz, als ob Stolz eine gute Eigenschaft wäre. Was zum Teufel willst du, Zuckerpuppe? Ich dachte, ich hätte dir klargemacht, was ich für dich fühle, aber nein, Irma spinnt. Irma spinnt weiter. Was also willst du?“ Hardy musste tief Luft holen nach dieser für ihn sehr langen Rede.
„Nichts will ich.“ Irma schwang die Beine aus dem Bett, setzte sich auf, griff sich das blaue Flanellhemd, das neben ihrem Bett lag und begann langsam, es sich überzustreifen. Sie hatte es eigentlich nur zur Sicherheit mitgenommen, denn die Nächte in Daarau konnten sehr kalt sein.
„Irma, ich verstehe dich nicht. Du hast acht Jahre mit diesem Arschloch zusammengelebt und dir einiges gefallen lassen. Ich würde dich nie so behandeln wie dieses Arschloch. Warum also willst du weg von mir?“
„Weil es bei dir anders ist“, sagte Irma nach kurzem Überlegen.
„Wie anders?“
„Das hat dich auch nichts anzugehen!“
„Bitte Irma, überleg' doch mal, was willst du, eine Liebeserklärung, die kannst du haben, ich liebe dich, und es fällt mir schwer, dir das zu sagen, ich bin’s eben nicht gewohnt, ich weiß nur, dass du bei mir bleiben sollst. Wir können es schaffen, nein, wir werden es schaffen...“ Hardy war es egal, ob er sich lächerlich machte, und das war wirklich erstaunlich bei einem so arroganten Typen wie ihm. Das dachte er in einem weit entfernten Winkel seines Gehirns.
„Klar, und ich wäre von dir abhängig,“ sagte sie bitter.
„Himmel, es ist doch vollkommen egal, wer von wem abhängig ist. Lass es doch einfach zu, verdammt noch mal Irma, vertrau mir.“
„Warum sollte ich dir vertrauen?“ Irma war fertig mit dem Anziehen und stand auf.
„Na gut, dann hau' doch ab! Werd' erst mal erwachsen, dann kannst du wiederkommen. Und ich wette, du hast überhaupt keine Ahnung, was das heißt, ein Mann und eine Frau.“
„Aber du hast bestimmt wahnsinnig viel Ahnung davon...“
„Ich habe da so Vorstellungen. Also was willst du, Zuckerpuppe? Reiß dir den Mist aus dem Kopf. Du verachtest die Männer, nicht wahr, Warum? Was hat man dir angetan? Und du verachtest dich selber? Warum?“
„Scheiße!“ Was maßte er sich an? Er konnte doch nicht wissen, was in ihr vorging. Oder doch? Es war unheimlich.
„Na gut, hau' ab! Du bist eben ein Feigling, du hättest nie den Mut, mit mir wirklich zusammenzuleben, du hast dich immer wie ein Gast verhalten. Warum?“
Irma spazierte barfuß und nur mit ihrem Flanellhemd bekleidet aus dem Zimmer, ohne zurückzublicken.
Er fühlte den fast unwiderstehlichen Drang, ihr hinterher zu laufen und sie in seine Arme zu nehmen. Aber er wusste, wenn er das täte, hätte es keinen Erfolg. Sie musste es mit sich selber ausmachen, und er hoffte, sie würde sich für ihn entscheiden. Es war an der Zeit, dass sie erkannte, was er für sie fühlte, und wenn sie etwas für ihn fühlte, dann würde sie zurückkommen. Wenn er sie jetzt suchte, dann würde sie es ihm als Schwäche auslegen und... ja was würde passieren? Er hatte keine Ahnung, er wusste nur, dass sie sich endlich eingestehen musste, dass sie ihn liebte. Vermessener Gedanke. Aber es stimmte, er hatte es gespürt, wenn er in ihr war... Oder hatte er sich das nur gewünscht?
Aber wahrscheinlich würde sie ihn verlassen. Mit dem Kind. Vielleicht sollte er ihr doch hinterher laufen. Nein, besser nicht, es hatte mit Respekt zu tun, mit beiderseitigem Respekt, und instinktiv wusste er, Irma würde nie einen Mann akzeptieren, der ihr nachgab. Und sie musste einfach lernen, ein Risiko einzugehen, sie musste lernen, zu lieben, denn lieben war schön, das hatte er selber in den letzten Monaten gelernt.
Also zwang er sich dazu, ihr nicht hinterher zulaufen und sie nicht zu suchen. Und das fiel ihm schwer. Wahrscheinlich war alles zu Ende, und sie würde ihn verlassen. Verdammt, dabei hatten sie es doch so gut! Der Proff und er wohnten im gleichen Haus, es gehörte ihnen, und sie bezahlten also nur die Nebenkosten, man könnte jederzeit den Keller ausbauen, vielleicht für ein Kinderzimmer. Es gab einen Garten, der von Backsteinmauern umgeben war, vielleicht konnte Irma etwas damit anfangen. Er versank in diesen Vorstellungen und träumte vor sich hin, bis er merkte, dass die Finsternis im Zimmer einer unbestimmten Morgendämmerung gewichen war.
Blöde war nur, Irmgard war immer noch weg. Warum war er ihr nicht hinterher gelaufen? Hatte er sie zu hart angefasst? Aber wer soviel austeilte wie sie, der musste auch einstecken können. Aber seine Worte taten ihm leid. Er hasste es, ihr weh zu tun.

Fortsetzung folgt

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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