Marco Breier
Männerliebe
Vor vielen vielen Jahren als ich noch jung und unerfahren war, hielt
ich Männerliebe für einen unschönen Begriff, gleichbedeutend mit
sexuellen Kontakten, SCHWUL. Vor vielleicht 7 Jahren also, ich war in
der 9.ten Klasse, gab es Begriffe wie Toleranz oder Verständniss für
mich nicht. In dieser frühpubertären Phase war ich so wie viele meiner
altersgenossen tunlichst darauf bedacht, keine persönliche Schwäche zu
zeigen. Wenn dies auf Kosten von Minderheiten geschah, war mir das nur
recht und billig. Der Zweck heiligt die Mittel heisst es ja so schön.
Als ich ein wenig älter war dachte ich ernsthaft über die praktischen
Seiten des Schwulsein nach. Ich habe mir paradiesische Zustände der
gemeinsamen Freizeit ausgemalt, in Unterhosen auf der Couch sitzen,
Fußball schauen, Bier trinken, niemand erklären müssen was denn Abseits
genau ist. Keine geheimen Botschaften wenn man miteinander spricht. Und
sollte es trotz alledem einmal Dispute geben, schlägt man sich auf die
fresse und gut ist. Keine fadenscheinige Versprechungen,
Entschuldigungen, Erklärungen.
Leider steh ich nicht auf Schwänze, deshalb begrub ich diese
Vorstellung der Männerliebe und schenkte diesem Begriff keine weitere
Bedeutung.
Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend immer Freunde. Mal mehr, mal
weniger, aber ein bester Freund war immer dabei. Es begann mit Grischa,
ging dann zu Oli über, ne Zeitlang Christoph, Jan, Fabio, Hannes, Malte
und aktuell Florian. Diese Menschen waren zeitweisse meine besten
Freunde, sind zum größten Teil zumindest noch gute Freunde aber zu
keinem verhielten sich meine Gefühle wie zu meinem aktuell besten
Freund Florian.
Und genau dieses Gefühl kann man getrost als Männerliebe bezeichnen.
Vor einiger Zeit waren wir beide in Stuttgart unterwegs. Wir hatten uns
das erste mal nach 2 Wochen wieder gesehen, dementsprechend war der
Abend wirklich schön, nett und unterhaltsam. Bis um 4 Uhr nachts. Hier
brach wieder ein Streit aus, wie er in letzter Zeit so oft vorkommt.
Ich weiß den Grund hierfür nicht, aber immer wieder streiten wir uns
wegen absoluten Nichtigkeiten, z.B. unterschiedliche Auffassungen im
Umgang mit Frauen. Dies sind prinzipiell natürlich wichtige Fragen, es
geht um Persönlichkeit und Charackter. Wir streiten uns allerdings mit
solch einer Hingabe und Leidenschaft, als hätte einer dem anderen die
Frau ausgespannt.
Aber dies sei nur nebenbei erwähnt, hier geht es schliesslich um etwas anders.
Ich wache auf und drehe mich nach links. Ich schaue meinen Freund an,
richtig süß wie er daliegt, mit offenem Mund, die gerinnende Spucke
läuft silbern glänzend aus seinem Mundwinkel auf die seit 5 Wochen
nicht gewaschene Bettwäsche - Singlehaushalt halt. Ein Blick auf die
Uhr lässt mich sofort die Augen schliessen, erst 12 Uhr, viel zu früh,
vor allem nach dem gestrigen Abend. Zwar wieder mal ein idiotischer
Streit, aber davor wars so wie früher. Getrunken, getanzt, gefeiert....
Herrlich.
Ich drehe mich also wieder um, lasse meine Gedanken schweifen und
schlafe ein. Nach ca. 2 Stunden sind wir beide vollkommen wach. Was
nicht damit gleichzusetzen ist dass wir uns nun aus dem Bett bequemen.
"Machst du Kaffee Flo?" frage ich. "Wer ist denn der beschissene Gastgeber, he?" kommt gewohnt zynisch zurück.
Ich möchte dem Leser diese halbstündige Diskussion ersparen, auch kann ich sie nicht mehr vollständig rekonstruieren.
Nach wie gesagt 30 Minuten ist es mein Freund leid, steht auf, kämpft
sich in die Küche und setzt Kaffee auf. Nach 10 Minuten des wartens
beginne ich ein schlechtes Gewissen zu bekommen, stehe auf und geselle
mich zu meinem Freund in die Küche. Der Kaffee ist mittlerweile fertig
und wir beschliessen den sonnigen und wunderschönen Tag auf dem Balkon
zu beginnen. Normalerweisse hätte ich mich jetzt vor die Glotze gesetzt
und den Tag auch dort beendet, aller Sonne zum Trotz.
Doch an diesem Tag ist nichts wie sonst und so sitzen wir
leichtbekleidet auf dem Balkon und geniessen unseren Kaffee. Die Sonne
strahlt, im Hintergrund spielt Rock´n´roll, der Kaffee schmeckt und der
ganze Tag schreit geradezu nach Leben.
In Boxershorts dasitzend, diskutieren wir über die kontroversesten
Themen. Die Vögel singen ihre eigenen Lieder, während die
Nachbarskinder Fußball spielen. Wir sind total in unserem Element,
nein, nicht ganz, deshalb hole ich schnell eine Flasche Wein - es ist
mittlerweile ca. 16 Uhr - und spätestens ab diesem Moment, kann der
Genuss, nein, die absolute Perfektion dieses Nachmittages nicht mehr
übertroffen werden.
Ich schaue meinem Freund in die himmelblauen Augen, das Haar vom Wind
leicht zerzaust, und unausgesprochen denken wir beide das selbe.
Ich liebe dich Florian, ich liebe dich Marco, das ist mehr als Freundschaft, das ist Männerliebe.
Wir saßen an diesem Nachmittag also ca. 4 Stunden auf dem Balkon, haben
Wein getrunken, gute Musik gehört und es war einer der schönsten
Nachmittage der letzten Jahre.
Müßig zu erwähnen, dass wir uns abends wieder gestritten haben. Dieser
Streit konnte das Gefühl das uns beide verbindet aber nicht schmälern.
Männerliebe halt.
Vorheriger TitelNächster Titel
Die Rechte und die Verantwortlichkeit für diesen Beitrag liegen beim Autor (Marco Breier).
Der Beitrag wurde von Marco Breier auf e-Stories.de eingesendet.
Die Betreiber von e-Stories.de übernehmen keine Haftung für den Beitrag oder vom Autoren verlinkte Inhalte.
Veröffentlicht auf e-Stories.de am 17.09.2005.
- Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).