Ein Buch macht kluch

„Für das Leben lernen wir!” pflegte mein alter Deutschlehrer zu mahnen, wenn ich mal wieder meine Hausaufgaben „vergessen“ hatte. Ich denke heute noch oft an ihn, wundere mich, daß ein so gelehrter Mann sich so irren konnte.
Gut, in so manchem hatte er recht. Daß ich lesen und schreiben kann, hilft mir weiter bei meinen Behördengängen und im Beruf. Aber für das Leben hat es mir wenig geholfen. Es wäre besser gewesen, er hätte mich gelehrt, zuzuhören, anstatt nur zu verstehen. - Ich habe lange gebraucht herauszufinden, wo ich stehe, obwohl ich in Geographie immer aufgepaßt hatte. Dank seiner Fürsorge beherrsche ich alle vie Grundrechenarten, aber das hat mich nicht davor bewahrt, mich im Leben so manches Mal zu verrechnen.
„Die Geschichte lehrt uns...”, nur: lernen wir wirklich aus ihr? Biologie hatte mir überhaupt nicht gefallen, heute finde ich es wunderschön, es nicht so zu machen, wie die Bienen. Die Chemie hilft, eine Träne in ihre Bestandteile zu zerlegen, erklärt aber nicht, wie sie entsteht. Die Physik macht mir heute nicht plausibel, warum ich nicht stehen kann, und der Fremdsprachenunterricht schützt nicht vor Ausländerhaß. Selbst mit meinem Latein – eines meiner Lieblingsfächer – bin ich jetzt am Ende.
Ich denke, es wäre menschlicher gewesen, hätte er falsch zitiert: „Im Leben...“.