Klaus-D. Heid

Die Lücke im Gesetz

Guten Abend, meine sehr verehrten Damen,
meine sehr verehrten Herren!
 
Ich freue mich sehr, dass Sie sich heute, zu später Stunde hier eingefunden haben, um mit mir über ein Problem männlicher und weiblicher Charaktere zu sprechen, das sich völlig unkontrolliert und also auch hemmungslos, ausbreitet.
 
Dieses Problem, das mit Fug und Recht auch als ‚Sucht’ und als ‚Krankheit’ bezeichnet werden darf, fügt der Gesellschaft einen unglaublichen ökonomischen Schaden zu und muss deshalb mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln radikal ausgemerzt werden!
 
Die Rede ist, wie Sie sich sicher schon denken konnten, von der sich rasant vermehrenden ‚Kopulation’, der weltweit bereits zirka fünf Milliarden Menschen verfallen sind.
 
Die Kopulation. Was ist sie – und was kann gegen sie unternommen werden? Gibt es überhaupt Heilungschancen? Und was ist, wenn diese Seuche längst die Überhand im Kampf um Moral, Sitte und Anstand gewonnen hat? Wie weit ist die Medizin? Hat die pharmazeutische Forschung bereits Medikamente entwickelt, die der Katastrophe ‚Kopulation’ Einhalt gebieten kann?
 
Fragen über Fragen, liebe Zuhörerrinnen und Zuhörer, auf die ich Ihnen heute Abend einige Antworten geben darf.
 
Eine erste kurze Anmerkung zu Ihrem heutigen Besuch:
 
Die Tatsache, dass Sie heute Abend hier sind – und nicht die Stunden mit sinnlosem Kopulieren verbringen, lässt hoffen! Bitte lassen Sie mich meinen Dank zum Ausdruck bringen, dass Sie der, zugegeben immensen, Versuchung widerstanden haben – und derzeit nicht dem kopulativen Drang nachgeben.
 
Was ist das Kopulieren eigentlich?
 
Nun, das Kopulieren ist eine körperliche Reaktion auf geistige Schwäche! Man ‚kopuliert’, weil man den inneren Drang verspürt, sexuelle Handlungen auszuüben, die keinerlei gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen produzieren. ‚Zu kopulieren’ heißt also, teure und wertvolle Zeit mit hochgradig gefährlichem Sexualkontakt zu verplempern, ohne dabei das eigentliche Ziel der geschlechtlichen Vereinigung – die Population – im Auge zu haben.
 
Wer kopuliert, ist krank. Sich dieser Krankheit bewusst zu sein, bedeutet auch, sich konsequent gegen alle Versuchungen zu wehren, die Tagein, Tagaus auf uns einprasseln.
 
Gibt es Heilungschancen?
 
Neueste wissenschaftliche Forschungen berichten davon, dass in Tierversuchen erste Erfolge verzeichnet wurden So wurde bei kasachischen Weißhaarspitzmäusen erstmals ein Wirkstoff getestet, der tatsächlich das Kopulieren dieser ansonsten kopulierfreudigen Rasse, um nahezu 80 Prozent unterbinden konnte.
Zwar wurde diese Reaktion durch eine Totalkastration unterstützt, aber dennoch sind die Forscher guter Dinge, dass auch beim Menschen ähnlich hohe Erfolge mit vergleichbaren Methoden erzielt werden können.
 
Es gibt also Hoffnung, liebe Gäste des heutigen Abends!
 
Vielleicht hat sich, tief in Ihnen, der Zweifel manifestiert, dass das Kopulieren eigentlich gar nicht so dramatisch sein kann, wenn es doch gleichzeitig heftige Lustgefühle erzeugen kann?
 
Genau an dieser Stelle, meine Damen und Herren, müssen Sie ganz tief in Ihrem inneren Ich nach dem Sinn des Lebens suchen!
 
Bei dieser Suche sind Ihnen vielleicht einige Fragen behilflich, die ich hier zusammengestellt habe, um Sie Ihnen als Denkanstöße mit auf den Weg zu geben:
 
Wenn Sie kopulieren – denken Sie dann gleichzeitig an die vielen Menschen, die sich diesem gefährlichen Suchtverhalten nicht hingeben können? Ist es Ihnen nicht unangenehm, wenn Sie kopulieren, während andere Menschen tapfer dem Drang widerstehen? Produziert Ihnen das Kopulieren kein schlechtes Gewissen?
 
Noch vor wenigen Jahren waren es z.B. die Kirchen, die einem gewissen Kopulationsverhalten, unter Berücksichtigung moralischer Aspekte und unter ständiger Anmahnung der ehelichen Treue, bestimmte Zugeständnisse machten.
 
Kopulieren, weil man ja einen festen Partner hat?
 
Bitte lassen Sie sich nicht einlullen? Der Grundsatz ‚Wer kopuliert, verliert!’  hat nach wie vor seine Gültigkeit behalten und mehr noch, er erhält immer mehr einen aktuellen Charakter!
 
Nehmen Sie nur die ökonomischen Folgen der Kopulation:
 
Wer kopuliert, kann nicht gleichzeitig, zum Wohle der Allgemeinheit arbeiten und die Sozialkassen mit notwenigen Beiträgen füttern.
 
Wer kopuliert, vergisst beim Kopulieren garantiert seine gesellschaftliche Verantwortung, da das Kopulieren ganz bestimmte Denkvorgänge außer Kraft setzt und die Objektivität mit unnatürlichen Sexualhormonen tränkt, die keinerlei Entscheidungsfreiheiten zulassen.
 
Wer kopuliert, ist krank, meine Damen und Herren!
 
Sie wollen wissen, ob wir, das Bundesministerium für kopulationsloses Fortpflanzen, radikale Gegner des menschlichen Lustempfindens sind?
 
Wie kommen Sie nur darauf? Natürlich ist das vollkommener Unsinn! Quatsch! Populistisches Gerede, das wahrscheinlich von irgendwelchen Links- oder Rechtslüstlingen unters Volk gebracht wurde, um uns zu diskriminieren.
 
Die Wahrheit ist:
 
Wir haben nichts gegen die Lust.
 
Wenn ich beispielsweise Lust habe, ein Eis zu kaufen, gebe ich dieser Lust, unter gewissen, zu prüfenden Umständen, nach. Einfach so. Ohne moralische Hemmschwelle, sofern ich nicht den Richtlinien des Ministeriums für Körpergewicht und Ästhetik, zuwider handele.
 
Wenn ich Lust verspüre, mir einmal die freie Natur in einem Naturpark anzusehen, mache ich’s einfach, sofern ich nicht gegen die Regeln des Arbeits- und Zeitplanungsministeriums verstoße.
 
Und? Sie sehen, dass man durchaus Lüsten nachgeben kann, wenn man sich an die Spielregeln hält!
 
Meine Kinder wurden, nach objektiver medizinischer Kontrolle durch das Zulassungs- und Eichamt für technische Population, exakt entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, im Reagenzglas gezüchtet, so dass ich keinerlei kopulatives Fehlverhalten anwenden musste, um Papa zu werden.
 
Körperkontakt zum Zwecke der Befriedigung niederer Instinkte, ist strafbar! Bitte denken Sie stets daran, wenn Sie den Drang verspüren, sich zu kopulieren. Es gibt keinerlei Rechtfertigung für das animalische Verhalten im zwischenmenschlichen Kontakt.
 
So. Ich werde nun den kurzen Vortrag beenden. Zuhause wartet meine Familie auf mich – und auch mein Zwergkaninchen, mit dem ich ein überaus enges Verhältnis pflege. Sie ahnen ja nicht, wie zärtlich mein Kaninchen ist. Es heißt übrigens ‚Kitty’ – und fällt nicht unter den Paragraphen 12, Abschnitt B des Gesetzes gegen das zwischenmenschliche Kopulieren.
 
Eine Gesetzeslücke, von der ich Ihnen natürlich nichts erzählen darf...  
 
Ihnen noch einen schönen Abend und eine angenehme Nacht.
 
  
 
 
    
 
 

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 27.09.2005. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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