Jan Vollmer

Der Tag den es nie gab

Ein klarer und äußerst kalter Wintermorgen. Torbens Atem erzeugte fast den Eindruck, als stünde hier ein Raucher inmitten der Toten Natur. Braune Büsche, braune Bäume, brauner Rasen, zumindest neben der alten schon seit Jahren nicht mehr benutzten Startbahn. Risse im Asphalt. Ein kühler Wind aus Nordost ergriff die Wissenschaftler, und selbst die guten und ziemlich teuren Goretex Jacken boten keinen wirklichen Schutz! Hinten, in den Hangars, in denen früher die Eurofighter Standen, da war es Warm! Aber, da saßen die Professoren, und ließen ihre Doktoren mal machen.
„Hey Alter! Keinen Schüttelfrost, wenn wir das Feld Kalibrieren ja!?“
„Keine Sorge Andy, wir machen das schon...“
Ein seltsames Gefährt an dem die beiden jungen Wissenschaftler die letzten Einstellungen vornahmen. Ein ziemlich starkes EADS Triebwerk auf ziemlich großen Rädern. Zwei verflucht große Wasserstofftanks, und eine sehr antiquierte Technik, Nachbrenner genannt. Doch das beschäftigte die beiden nicht.
Ihnen ging es um die beiden schwarzen Kästen, die weit vorne angebracht waren. Ihnen ging es um die TSF-Generatoren. Kein kreativer Name, aber immerhin – na, ja – er traf die Sache auf den Punkt! Time-Shift-Field... Hmm...
Torbens Blick schweifte über die Landschaft. Er sah die alten Fabrikruinen am Horizont, und die alte Autobahn. Er konnte sich noch daran erinnern, wie es früher war, als er, ja er mochte noch in den Kindergarten gegangen sein. Sein Vater und er jedenfalls, sie fuhren mit dem Wagen, und auf der Autobahn und da waren so viele Wagen, das es zu so etwas wie einem Stau kam... Das mochte 35 Jahre her sein... He... Damals gab es noch so etwas wie Fußballnationalmannschaften! Torben musste Lachen... Er hatte seit Jahrzehnten nicht mehr daran gedacht.
Die Arbeit war getan. Die beiden gingen schnellen, von heftigen Windböen getriebenen Schrittes, in den schützenden Hangar.
Malte, Klanthe und Jan saßen an den an den Kontrollen...
Was würde passieren, wenn es nicht funktionierte!? Hm, das Experiment würde wohl in die alte Phillips Fabrik krachen. Ja, und sie währe wiederlegt. Na, ja, man würde es zumindest nicht verstehen, warum nicht. Wenn es sich herausstellen sollte, das es eben doch unmöglich war, dann währe sie wiederlegt gewesen. Denn eigentlich sollte es möglich sein! Es hatte zwar Jahre an Rechnerkapazität und auch die Leben einiger Mathematiker gekostet, doch dieser Versuch stellte den Schlüssel dar. Oder besser das Messer, welches man in den wunden Punkt rammen wollte.
Es war die Weltformel, die Bernsteen 2028 den Nobelpreis brachte. Und seit dem hatten viele Wissenschaftler nicht mehr schlafen können. Die Mathematiker bildeten die sogenannten Weltfunktionen, aus der Formel. 1447 Funktionen manche lächerlich Simpel, manche zu komplex... Viele dieser Funktionen konnte man schnell zuordnen. Viele Erscheinungen, Naturgesetze, Kräfte, waren Kombinationen dieser Funktionen. Informatiker meinten, die Menschen hätten den elementaren Befehlssatz entdeckt. Sie hielten den Sourcecode des Universums in Händen... Biologen sprachen vom Genom des Alls - wie auch immer...
Einige Funktionen schienen die Zeit zu beschreiben. Ihn allen war eines zu eigen. Sie hatten einige undefinierte Stellen. Eine Kombination ihrer führte zu einer Funktion mit immer noch einer undefinierten Stelle. Und das war der Punkt. Die Wunde! Das Schloss oder das Tor zu etwas neuem. Jahre später, stand man nun vor der Entscheidung. Gelang dieses Experiment nicht. Und stellte es sich als Unmöglichkeit heraus, so war die Weltformel wiederlegt. Auch wenn sie schon Tausendmal bewiesen worden war! Gelang es aber, war die letzte Frage geklärt, und das Universum ohne Rätsel.
Man hätte alle Puzzelteile gehabt. Man hätte es nur noch zusammensetzen müssen. Und alles was möglich gewesen währe, wären die Menschen im Stande gewesen zu tun. Das Universum ein offenes Buch.
Wenn das Experiment glückte! Wenn es ihnen heute gelang, dieses Gefährt auf seine Reise durch die Zeit zu schicken. Unbemannt mit Sensorik ausgestattet einige tausend Jahre in die Vergangenheit, und wieder zurück! Denn Theoretisch war es möglich! Dann gab es keinen Zweifel mehr!
Lustigerweise erinnerte das Experiment Thorben an so einen alten Film, mit einer in ein Auto eingebauten Zeitmaschine. Ja, es war irgendwie ähnlich.
Der Countdown setzte ein. Der Nachbrenner wurde gezündet Thorben zitterte am ganzen Leib. Nicht vor Kälte...
Das Vehikel schoss los, über die alte Startbahn, und mit einem riesigen Blitz, verschwand es in die Zeit. Auch Thorben verschwand. Der Flugplatz, die Hangars, das alte Phillipswerk, die Autobahn, alles! Wofür einen Flugplatz!? Es hatte nie Eurofighter gegeben!? Weil es nie die Notwendigkeit dafür gab, und selbst wenn, warum sollten sie ausgerechnet Eurofighter heißen, und warum sollte es hier einen Flugplatz geben!? Was ist ein Flugplatz!?
Und was war geschehen!?
Der Flügelschlag eines Schmetterlings am Amazonas kann einen Hurrikane über dem Atlantik auslösen. Das Wetter, aber nicht nur das Wetter, eigentlich die gesamte Kontinuität des uns umgebenen Universums besteht zu großen Teilen aus Chaotischen Zusammenhangsstrukturen.
So ist es mitunter nicht Egal, ob der Sack Reis in China umfällt oder stehen bleibt. Den Unterschied würde man vielleicht erst Tausendjahre später bemerken, aber er währe da. Auch schon zuvor – unbemerkt halt.
Das war Geschehen! Die Sonde Materialisierte 5000 Jahre in der Vergangenheit. Für eine Quantzeit war sie dort, bevor sie verschwand, da sie ja nie gebaut worden war... Oder gebaut worden wird sein!? Von diesem Augenblick an war das Wetter der Vergangenheit, oder der ehemaligen Zukunft, nicht mehr das gleiche.
Das stelle man sich vor! Anderes Wetter. Es muss noch nicht einmal Benjamin Franklin sein, der jetzt selber vom Blitz getroffen wird. Es kann auch Sir Francis Drake sein, der es – aufgrund des ausgefallenen Sturms in der Biskaya – mit der ganzen Spanischen Armada zu tun bekam. Und natürlich verlor!
Wo währe dann das Britische Empire geblieben!? Würden wir dann heute Spanisch in den Schulen lernen!? Obwohl, stelle man sich einen Napoleon Bonaparte in Moskau vor. Und gönne man ihm einen Milden Winter!
Oder Irland, besseres Wetter, weniger Kartoffel Fäule! Keine Kennedys in Amerika, und – schlimmer! Richard Nixon und die Kuba Krise!? Oh, Gott, der dritte Weltkrieg!
Obwohl, Nixon hätte es natürlich auch nie gegeben. Wer weiß, vielleicht hätten Opa und Oma Nixon, Papa Nixon niemals Gezeugt, weil der romantische Waldspaziergang ins Wasser viel!? Und wenn doch, aber vielleicht ein halbes Jahr später, dann hätte Papa Nixon Mama Nixon nie kennen gelernt, weil sie nicht in die selbe Klasse gingen! Abgesehen davon währe das niemals der gleiche Papa Nixon gewesen! Genetisch betrachtet wohl ein Bruder! Und wenn man bedenkt, wie unterschiedlich Brüder doch sein können...
Tja! Der eine Nixon wird Präsident und Betrüger, der andere Nixon wird Gebrauchtwagenhändler und Christ. Würfel fallen anders, Lotteriekugeln auch. Die Trommeln von Revolvern drehen weiter, und das Russische Roulette kennt plötzlich andere Sieger...
Die kleinste Änderung der Vergangenheit, und sei es einfach nur durch bloße Präsens, vernichtet die ursprüngliche Realität. Und so ist Zeitreise schließlich doch eine Sache der Unmöglichkeit! Zwar möglich aber dann doch wieder auch nicht! Die Zivilisation welche die Möglichkeit der Zeitreise besitzt und sie schließlich auch wagt, deren Existenz endet! Diese Zivilisation hat es nie gegeben! Sie wird durch das Schicksalhafte, launenhafte, schlicht chaotische Rad der Zeit eliminiert. Oder besser ersetzt durch eine Zivilisation, welche die Möglichkeit nicht hat. Vielleicht auch durch eine Zivilisation die sich schließlich selber zerstört, und so gar nicht mehr in die Versuchung kommen kann die Vergangenheit zu ändern.
So ist die Zeitreise vielleicht eine funkelnde letzte Technologie. Eine Büchse der Pandora, diabolisch, aber dennoch unwiderstehlich. Ein nicht definierter Punkt auf der Funktion unserer Realität. Der logische Endpunkt einer Entwicklung, oder nur das Produkt lebhafter Fantasie.
Doch wer weiß, wie viele Menschheiten vor uns schon existierten...

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Veröffentlicht auf e-Stories.de am 02.05.2002. - Infos zum Urheberrecht / Haftungsausschluss (Disclaimer).

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